Es wird im Kinosaal totenstill, als plötzlich die Skyline der Münchner Innenstadt auf der Leinwand erscheint. Altbekannte Musik erfüllt den Raum, und aus einem Dachfenster klettert ein rothaariger Wicht in Richtung Titelscreen, begleitet von der kultigen gelben Jugendstil – Schrift. Ganz wie damals 1982 . Der Pumuckl ist wieder da.
Pumuckl: Ein großes Stück Kindheit
Die Geschichten um den kleinen Kobold sind für mich früheste Kindheitserinnerungen (noch lange vor den 3 ???). Ich bin mit den Schallplatten aufgewachsen, auf denen noch Alfred Pongratz den Meister Eder sprach. Die ruhige Sprechstimme des Erzählers August Riehl ist bei mir auf ewig in die Gehirnwindungen gebrannt, und auch heute reißt es mich, wenn seine Stimme unvermittelt in alten Beiträgen des bayerischen Rundfunks auftaucht. Das gilt natürlich auch für Pumuckl selbst. Keine Folge bleibt ignoriert, wenn sie mal wieder im Fernsehen läuft. Vorbeizappen ist nicht möglich, ich bleibe immer wieder dran kleben und freue mich wie ein kleines Kind über das unvorhergesehene Wiedersehen mit den alten Bekannten. Sie alle spielen und leben in einem München, das ich aus meiner Kindheit kenne und liebgewonnen habe:
Die Charaktere umweht der berühmte oberbayerische Grundgrant, aber jeder ist durch und durch herzlich und ehrlich. Sie alle sprechen Dialekt, den man so in der Landeshauptstadt nur noch an wenigen Ecken hört, leben und arbeiten in Häusern und Wohnungen, die es so nicht mehr gibt. In schmutzigen Altbauten mit knarzenden Holzdielen, mit Drehlichtschaltern, scheußlichen Blumentapeten. In den verrauchten Wirtshäusern, in denen der Schreinermeister und seine Freunde immer ihr Sauerkraut futtern, sitzen heute die hippen Zugroasten in Markenklamotten und süffeln ihren Afterwork-Spritz für 9,20 Euro. Das München der Serie ist ein anderes als heute… aber auch wieder nicht. Denn viele Drehorte gibt es immer noch. Den Kabelsteg über den Isar-Kanal zum Beispiel, auf dem der Diener Jakob Herrn “Ederer” begrüßt. Oder den Tierpark Hellabrunn, wo Pumuckl im Meerschweinchenkäfig traumatische Stunden durchlebt. St. Lukas, die berühmte Kirche aus dem Vorspann, die bei mir seit jeher als Pumuckl-Kirche bekannt ist, steht noch. Nur die Werkstatt vom Meister Eder – die gibt’s nicht mehr.
Die harte Realität
Die wurde Mitte der Achtziger in der Widenmayerstraße abgerissen, als die Dreharbeiten abgeschlossen waren. Und damit war auch die Fernsehserie begraben; erst recht nach dem Tod von Meister Eder-Darsteller Gustly Bayrhammer, der 1993 an einem Herzinfarkt verstarb. Er hatte der Serie mit seinem Schauspiel zu Kultstatus verholfen. Ohne ihn fehlte Pumuckl die Lebensgrundlage. Er war der ruhende Gegenpol des immer zappeligen Kobolds gewesen, der mit geradezu stoischem Wesen dem Klabauternachfahren (und natürlich dem kindlichen Publikum) immer wieder die Welt erklärte. Bestrebungen, aus dem Stoff etwas Neues zu machen, gab es dennoch:
Mehrere Spielfilme wurden produziert, eine neue Serie, die auf einem Schiff spielt. Pumuckls menschlicher Gegenpart waren nun Schiffsköche oder Verwandte von Meister Eder. Aber es war einfach nicht dasselbe. Die Originalserie blieb unerreicht, eine Stück Münchner Stadt- und Kulturgeschichte der frühen 80er Jahre. Ein irgendwie zeitloses Juwel für meine Generation, entkoppelt vom poppigen Zeitgeist, den man dieser Dekade immer wieder nachsagt.
Heimkehr?
Und dann kommt über 40 Jahre später auf einmal eine neue Serie daher, die sich zum Nachfolger deklariert. Für mich völlig unerwartet. Und dann auch noch von einem Privatsender produziert, der mit München so gar nichts am Hut hat. Dazu auch noch die Ankündigung, dass man Hans Clarins Stimme mit Hilfe von KI wiederbelebt und einem mittlerweile computeranimierten Pumuckl in den Mund gelegt hat. Das klingt alles ein bisschen abgefahren. Eine Spur zu modern für die Nachfolge einer Serie, in der die Filmtricks immer so putzig durchschaubar waren; in der man selbst als Kind die unsichtbaren Schnüre sehen konnte, an denen Schlüssel und andere Objekte wie von Geisterhand durch den Raum schwebten.
Aber dann kommt wenige Minuten nach Filmbeginn diese eine Kameraeinstellung, wie man sie seit 1982 aus der Serien kennt: Die Perspektive ist erhöht und filmt von rechts in den Hinterhof hinunter, mit der Schreinerei Franz Eder im Zentrum. Sie eröffnet und beschließt fast jede Folge in der Original-Serie, bietet so seit über 40 Jahren für 25 Minuten eine Bühne für ein kleines Stück Koboldsanarchie. Jedes Mal. Wie ein Ritual. Es ist ein bisschen wie Nach-Hause-Kommen.

Ich spüre den ersten Kloß im Hals, als die Kamera die Schreinerei von innen filmt. Gleich neben der Tür hängt das schiefe Medizinschrankerl an der Wand genauso wie damals, links auf der Bank das berühmte dunkelblaue Pumuckl-Bett mitsamt Schiffsschaukel, hinten im Raum steht der kleine Ofen, mit dem die heizungslose Schreinerei betrieben wurde. Holzlatten fliegen wieder wie von Geisterhand um. Farbdosen und Kannen rutschen aus Regalen. Irgendwie immer noch genauso liebenswert unperfekt in Szene gesetzt wie damals. Das würde heute mit Computertechnik definitiv eindrucksvoller gehen. Aber das ist eine Pumuckl-Folge. Die braucht kein effektheischendes CGI. Außer für den Kobold selbst.
Als der zum ersten Mal auf der Leinwand erscheint (übrigens wieder nach Kontakt mit einem Leimtopf), ist der große Moment da, auf den große Kinder wie ich seit Jahrzehnten gewartet haben. Fast symbolisch hat er dem Zuschauer den Rücken zugewandt und zittert, als hätte er Angst, sich wieder zu zeigen und die Erwartungen an seine Fans nicht zu erfüllen. Dann dreht er sich um. Macht zum ersten Mal den Mund auf. Und mir kommen die Tränen.
Neubeginn oder Kopie?
Es ist echt wie damals. Gut, die Animationen des Kobolds sind einen Hauch flüssiger, der Stimme fehlt ein bisschen die Explositivität eines Hans Clarin aus Fleisch und Blut. Aber was da technisch auf die Beine gestellt wurde, ist der Wahnsinn. Für mich ist der neue Pumuckl die erste echte KI-Begegnung im Filmgeschäft, die über ein bisschen Technikspielerei hinausgeht. Und wenn das einen Altphilologen im Kinosaal unter lauter Kleinkindern zum Weinen bringt, dann hat das echt Potenzial. Es wird nicht das letzte Mal bleiben.
Die nächsten 80 Minuten sind gespickt mit liebevollen Anspielungen an das Original: Berühmte Musikthemen klingen in vielen Szenen wieder durch – vor allem am Grab von Meister Eder, wo mehrmals berühmte Melodien im Hintergrund anzitiert werden. Viele Schauplätze und Themen kommen wieder:Verstecke im Kohlenkeller, Bewerfen von Erwachsenen mit Schnee… äh… Wasserbomben, irrtümliche Beschuldigung von Kindern, schlechtes Gewissen beim Kobold und wie immer Wiedergutmachung. Ein Eder, den man aufgrund seiner scheinbaren Selbstgespräche wieder mal für verrückt hält – und der es zähneknirschend erträgt. Man kennt das alles. Aber es ist charmant abgeändert. Immer eine Reminiszenz, niemals plumpe Kopie. Dazu schauen noch altbekannte Gesichter in den Folgen vorbei.
Ilse Neubauer spielte damals die Frau des Hausmeisters, der beim Schneeschippen immer sein berühmtes Liedchen vom Neid in den Tälern anstimmte. Nun sperrt sie den Erben der Werkstatt die alte Wirkungsstätte des Schreiners auf, wurschtelt gedankenverloren an den Geranien vor der Werkstatt herum, als sie Eders Neffen über die letzten Jahrzehnte vor Ort erzählt: “Ihr Onkel war ein feiner Mann. So etwas gibt’s heute gar nicht mehr. Und jetzt ist er gestorben. Erst er, dann der Bernbacher, der Schmidt und mein Mann. Jetzt bin nur noch ich da.” Sie schaut traurig und wehmütig ins Leere. In Gedanken an eine unbeschwerte Zeit, die schon viele Jahre hinter ihr liegt. Hinter uns. Unwiederbringlinch. So dachten wir zumindest. Dass sie dank moderner Technik jetzt noch einmal für uns aufflammen darf, ist ein echtes Geschenk