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Neue Lehrer braucht das Land

Anfang August machte in Baden-Württemberg eine neue Kampagne von sich reden, mit der man den dringend benötigten Nachwuchs für die Lehrzunft ansprechen wollte. Leider ging das (wieder mal) nach hinten los. Denn die Werbeanzeigen bedienen vermutlich auch aus einer gewissen Unbeholfenheit heraus sämtliche Klischees des Lehrberufs: Arbeiten für den Papierkorb? Keinen Bock auf Arbeiten? Einfach mal machen, worauf man Bock hat? Juhu, ist alles im Lehrberuf vereint. Also nichts wie an Bord – das alles garniert mit dem gelegentlichen Kommafehler und einer Wortwahl von Vierzehnjährigen… nur halt anbiedernd von Best Agern verfasst und dadurch hart an der Grenze zum Fremdschämen.

Wer glaubt, das sei nicht zu toppen, soll nur mal nach Bayern schauen. Da machte Anfang März eine ganz ähnliche Werbereihe des Kultusministeriums zur Akquirierung von Lehrkräften die Runde – und bekam online so viel Prügel, dass sie mittlerweile komplett vom Netz genommen ist. Ein Glück, wer davon einen Screenshot gemacht hat. Ich zum Beispiel.

Was soll ich sagen? Außer dass ich zugeben muss, nicht zu wissen, was Flexen in diesem Zusammenhang bedeuten soll. Alles andere spricht für mich eine sehr deutliche Sprache. Ferien und Spaß, wann immer ich Bock habe. Permanent Freunde treffen, wenn es mir taugt. Aber geil Kohle abgreifen für nen Halbtagsjob. Für Lehrkräfte, denen drei Jahre Pandemie immer noch gut in den Knochen stecken, ist so eine Reklame der reinste Hohn. Natürlich ist es lobenswert, wenn sich die Ministerien der Bundesländer etwas zum Lehrermangel einfallen lassen und aktiv werden. Aber doch bitte nicht so! Wer soll sich denn von solchen Anzeigen bitte berufen fühlen? Vermutlich nicht die, die man für die Profession bräuchte. Denn von spontan Freizeit, permanent Urlaub und Flexen (was auch immer das in diesem Zusammenhang bedeuten mag), sind wir sichi meilenweit entfernt.

Ich wünschte, ich hätte irgendwo noch die Informationsbroschüre, die mir in der Oberstufe damals in die Hände fiel, als sich bei mir so circa 1998 langsam abzeichnete, dass meine Zukunft Richtung Lehramt gehen würde. Die Situation war damals der heutigen nicht unähnlich: Lehrermangel zeichnete sich auch damals schon deutlich ab. Die Lehrkräfte der 68er Generation standen kurz vor der Pensionierung, hieß es damals, und die Öffentlichkeit fürchtete eine gigantische Pensionierungswelle und Tausende von unbesetzten Stellen.  Interessierte für das Lehramt bekamen daher keinen Flyer in die Hand gedrückt – sondern eine Infobroschüre. Ach was, eine Enzyklopädie: Voll von Text, von Statistiken und Prognosen zum benötigten Lehrpersonal über die nächsten 10 Jahre. Infos zum Unterschied von Lehramt vertieft und nicht-vertieft an den Universitäten, zu Regelstudienzeiten, dem Referendariat. Seriös bebildert und in entsprechender Diktion. Eigentlich das komplette Gegenteil zu den obigen Canva-Unfällen aus den süddeutschen Bundesländern. Die Broschüre hatte aber auch eine andere Zielgruppe: Leute für das Lehramtsstudium zu begeistern. Nicht einfach irgendwen, der sich (wie es in der BaWü-Kampagne der Fall zu sein scheint) mal aus einer Lust heraus dazu entscheidet, eine Auszeit des aktuellen Jobs zu nehmen, um für ein paar Jahre Versorgungslücken zu stopfen. So gewinnt man keinen Nachwuchs. So bekommt man Stopfmasse.

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