• Allgemeines,  Alltag

    Von Schreib-block-aden

    Hass, Hass, Hass!!! Und das an den Weihnachtsfeiertagen! Keine Sorge, ich hab mich gleich wieder eingekriegt, ich will aber nur meinen Frust loswerden!

    Letzte Woche wurde ich von einer Freundin angesprochen, die in der Selbständigkeit arbeitet und eine neue Homepage für ihr Geschäft wollte. Viele ihrer Kollegen empfahlen, bei dem neuen Design einfach mal selbst Hand anzulegen und sich auf diese Weise ein paar Euro zu sparen. Naja, ganz so einfach war es scheinbar nicht, deswegen sprach sie mich letzte Woche an, ob ich mir das mal anschauen könne. Ihre Webseite laufe ja auf WordPress, und damit hätte ich ja Erfahrung wegen meines Blogs und so weiter. Machen wir’s kurz – wir wollen das ja in keinen Longread ausarten lassen – ich habe zusagt aus genau dem Grund, dass ich mich ja in WordPress einigermaßen auskenne… das dachte ich zumindest. Das ausgewählte Theme, das das Design der Homepage bestimmen soll, ist nämlich kein normales, wie das, auf dem herrmess.de läuft. Es ist… (dramatic drumroll) ein Block Theme – die Ausgeburt der Hölle.

    Der Block-Blog: Wissenschaft für sich

    Das Arbeiten mit Blöcken in Texten selbst ist in WordPress schon seit einiger Zeit implementiert und an sich eigentlich eine schicke Sache: Anstatt einfach nur wie üblich Text und Bilder zu verfassen und dann mit ein bisschen Handarbeit in eine Form zu bringen, dass die Leute nicht sofort schreiend davon laufen, übernehmen Blöcke dieses schicke Gestalten von alleine. Anhand von Template-Vorlagen kann man auf seiner Seite einen Text zusammen mit einem Bild platzieren. Hier ein Zitat, dort zwei Spalten, hier drei – jeweils mit einem korrekt zugeschnittenem Bild dazu, hier die Social Media dazugeklatscht, hier einen Trenner eingefügt, der dem Design Luft verpasst. Dass das alles gut aussieht, übernehmen diese Block-Templates von alleine. Die stammen nämlich von den Designern des Themes und haben in der Regel mächtig Ahnung von ansprechender Gestaltung. Nett, aber für mich bis dato überflüssig. Wir übrigens für viele andere auch, wie ich dem Mitgefühl auf Mastodon entnehmen konnte, das auf meine Wutausbrüche sehr verständnisvoll reagierte. Die meiden die Dinger ebenso. Und ich weiß mittlerweile auch warum.

    Denn mit Blöcken alleine ist es nicht getan. Die – so dachte ich – kommen nur in Texten vor. Was ich nicht wusste: Es gibt komplette Themes, die mit Blöcken arbeiten: Menüs, Icons, Header, Footer, Seitenmenüs – alles ist Block Block Block. Und das funktioniert nach völlig neuen Regeln, die man nicht umgehen kann. Ein solches Theme mit dem alten Editor öffnen und benutzen funktioniert nämlich nicht. Keine Chance.

    Dabei gab es an sich nicht viel zu tun. Es gab eine schicke Hauptseite und ein Topmenü, das die Icons und Menüs permanent am oberen Rand des Bildschirms festhalten sollte. Aber was für ein Durcheinander: Erst lässt sich das Menü problemlos erstellen, dann ist es plötzlich wieder weg. Es ist nämlich als Block nicht für die komplette Homepage, sondern nur für eine Seite als Menü definiert. Das Ding zu fixieren oder als allgemeingültige Vorlage abzuspeichern… nicht möglich. Auf Handy und Tablet war das Menü überhaupt nicht zu sehen. Also nie. Das liegt daran, dass man dieses Menü noch ein zweites Mal für mobile Devices erstellen und auf die Seite integrieren muss. Und plötzlich erscheinen die Menüs zweimal: Das Menü für Tablets sieht man auf den Tablets und Smartphones. Aber man sieht auch das Menü, das nur auf Desktop-PCs zu sehen sein sollte. Auf meinem Rechner sehe ich aber keines davon. Also fing ich an rumzuspielen und mich reinzufuchsen. So schwer kann das ja nicht sein. Mein Ehrgeiz war geweckt. Aber ich musste kapitulieren. Ihr wollt nicht wissen, wie viele Stunden ich jetzt mit diesem Mist verbracht habe, aber ich sage es euch. Sieben Zeitstunden. Sieben Stunden Lebenszeit. Unwiederbringlich verloren. Was ich gewonnen habe, ist eine ganze Menge Frust. Frust auf mich und meine scheinbare Beschränktheit, dieses System nicht zu verstehen, Frust auf dieses System aus der Hölle. Und natürlich auch Frust, meiner Freundin genervt sagen zu müssen, dass ich es nicht geschafft habe. Niederlagen eingestehen ist nicht so meine Stärke… Wie man sieht, weil ich offensichtlich nicht in der Lage, das mit mir selbst auszumachen, sondern mit der Welt zu teilen. Ob sie es hören mag oder nicht.
    So.
    Geht schon wieder.
    Danke fürs Zuhören!

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  • Allgemeines,  Alltag,  Technik

    Faden verloren? Threads ist da!

    Es ist keine drei Monate her, dass ordentlich Trubel in die Online-Lehrerschaft kam. Grund waren diverse Artikel, nach denen die social media Plattform Bluesky das neue El Dorado des virtuellen Kollegiums werden sollte. Mastodon als neues Reich für die Massen sei gescheitert, hieß es. See you in blue heaven!

    Neu im Ring?

    Jetzt geht seit Tagen der nächste Hype um. Threads ist da und der heiße Reis. Dabei ist er fast schon wieder ein alter Hut: Android-Besitzer konnten bereits im Sommer die App aus Google-fremden Stores herunterladen und nutzen. Zumindest passiv. Mehr als Lesen ging nicht. Aufgrund von EU-Richtlinien war Threads nämlich zu der Zeit noch nicht nutzbar. Early adopters sahen sich daher relativ schnell abgestoßen, weil es auf der Plattform schlichtweg nichts zu machen gab.

    Meine erste und bis heute einzige Nachricht aus Threads im Sommer

    Seit Mitte Dezember ist das nun anders, und auch Europäer kommen in den Genuss eines weiteren social media-Giganten, der die Nachfolge um das zerschlagene Twitter-Imperium antreten will. Und die Chancen dazu stehen gar nicht mal so schlecht, wie man in einer Umfrage von Björn Nolte nachliest.

    Für mich persönlich unbegreiflich, dass Leute schon wieder nach einem Quartal bereit sind einen Umzug auf die nächste Plattform zu erwägen. Digitales Nomadentum als Dauerzustand. Oh weh!

    Threads ist da – alles neu?

    Was macht Threads anders? Im ersten Moment gar nichts. Vielmehr vereint es Features von anderen Microblogging-Diensten, die man schon kennt: Die Plattform ist zentral organisiert wie Bluesky, erlaubt problemloses Einbinden von Medien aller Art wie Twitter, schluckt Nachrichten mit maximal 500 Zeichen wie Mastodon. Die volle Feature-Liste hat Bob Blume dankenswerterweise hier niedergeschrieben.

    Aber wieder hockt ein Datenkrake dahinter. Der Mann hinter Facebook, dessen Plattform schon seit Jahren wegen mangelhafter Moderation und ruppigem Umgangston in der Kritik steht, wird als Innovator und Messias bejubelt, als sei nie etwas vorgefallen. Klar, die Möglichkeit seine Kontakte aus Instagram einfach mit in Threads umzuziehen klingt praktisch. Aber haben diese Leute diesem Schritt jemals zugestimmt? Ich bin in Threads automatisch mit Leuten aus Instagram befreundet, ob sie bzw. ich wollen oder nicht. Da ich noch den Account vom Sommer habe, gehen bei mir jetzt seit Tagen die Freundschaftsbestätigungen ein, ohne dass ich irgendwas getan habe. Ein bisschen schräg ist das schon.

    Faden verloren? Ich: ja

    Und ermüdend. Nicht nur für mich. Auch in den USA ist die Anfangshysterie verebbt. Threads verliert stetig aktive User. Wohin die schon wieder abgewandert sind, weiß der Himmel. Ich bin jedenfalls nicht bereit, schon wieder umzusteigen. Innerhalb eines Jahres bin ich von Twitter nach Mastodon und von dort irgendwann parallel auf Bluesky. Eine dritte Plattform für ein PLN find ich zuviel. Das bekomme ich kognitiv nicht mehr auf die Kette. Toll wäre irgendwann mal ein Programm, das mehrere Accounts auf unterschiedlichen Plattformen parallel handelt und zu einer Timeline vereint. So etwas gab es in den 2000ern mit den Messenger-Diensten. Trillian hieß das Ding damals, das ICQ, IRC und AOL Messenger vereint hat. Vielleicht wäre es mal an der Zeit, dass wir sowas auch für social media ersinnen. Ansonsten zerfasert das alles vollends.

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  • Allgemeines,  Alltag,  Unterricht

    Stille Nächte… Stressige Tage

    Letztes Wochenende kam er dann… der Schnee. Genau richtig zum 1. Dezember und wie für die Vorweihnachtszeit bestellt, staubten uns hier im Süden Schneewolken bis unter die Nasenspitze ein… Naja, nicht ganz. Aber knapp 40 cm waren es zweifellos. In München brach daraufhin das blanke Chaos aus. Ausgerechnet am ersten Adventswochenende kollabierte der Nahverkehr komplett: Es fuhr keine S-Bahn, keine Tram, kein Bus. Und das nicht nur für einen Tag. Bis Mitte der Woche ging vielerorts überhaupt nichts. Meine alte Heimat in Hadern war noch Montag so zugeschneit, dass man mit einem Auto nicht durch die Straßen kam. Als dann Donnerstag letztlich auch noch gestreikt wurde, nahm man das eigentlich eher stoisch als eine Verlängerung des ohnehin schon vorhandenen Stillstandes wahr und zuckte gelassen die Schultern. So blieb einem nichts anderes übrig, als entweder zuhause zu bleiben oder sich das Schneetreiben an der frischen Luft anzusehen. Was ich auch tat. So fleißig wie letztes Wochenende bin ich noch nie um den Block gelaufen. Weihnachtsmärkte sei Dank hat sich das auch gelohnt, und man bekam eine kleine Prise Vorweihnachtszauber ab… Bis die Schule wieder losging.

    Die Vorweihnachtszeit ist schon seit ich denken kann für mich eine Unruhezeit gewesen. Auch als Schüler ging für mich Weihnachten erst immer los, wenn die letzte unangenehme Schulaufgabe geschrieben war (in der Regel war das immer Mathematik, das um den 18.12. stattfand). Ich hab daraus gelernt und bemühe mich, den Dezember für meine Klassen von überbordendem Stress freizuhalten. Dieses Jahr gelingt mir das tatsächlich, so wie es aussieht. Zumindest für die Kinder. Ich selbst empfinde die letzten Wochen des Jahres auch dieses Mal wieder als unangenehm: Viele Termine, viele Konferenzen, Weihnachtsfeiern, Weihnachtsbasar, dazu ständiges Gefordertsein als Systembetreuer oder Klassleiter, weil entweder die Technik unter den ständigen Präsentationen irgendwann mal zusammenbricht oder die Klassengemeinschaften. Oben drauf dann auch noch eine Kette von unangenehmen Missverständnissen und Kommunikationsfehlern, und man erhält eine Mischung, bei der man sich nur noch die Decke über den Kopf ziehen möchte. Aber Schwamm drüber, Krönchen richten, weitermachen…

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    0
  • Allgemeines,  Alltag

    Farbe bekennen

    “Haben Sie etwa ein rosarotes Hemd an!?” Die Empörung in der Stimme ist deutlich zu hören. Und am Gesichtsausdruck des Fünftklässlers, zu der sie gehört, auch zu sehen: Die Augen sind geweitet, der Mund steht offen. Es ist klar: Hier steht meine Autorität auf dem Spiel. Wenn ich das versaue, ist es um mich geschehen. Also gehe ich in die Offensive. Buchstäblich.

    Ich mache ein paar entschiedene Schritte auf den laufenden Meter zu, schaue ihm direkt in die Augen und mache ihm klar, dass es sich hier nicht um Rosa handelt, sondern um Apricot. Das hilft im ersten Moment allerdings nur bedingt bei der Deeskalation. “Apricot ist doch keine Farbe!” erwidert der Fünftklässler empört und legt seine Stirn in Runzeln. Natürlich ist es eine Farbe, sage ich, und das Hemd ist der Beweis. Hinter der gerunzelten Stirn beginnt es zu arbeiten. Aber ich bin noch nicht vom Haken. Das Misstrauen ist noch nicht gewichen. Es folgt der Endgegner: “Ist Lehrersein nicht langweilig?”, will er wissen. “Sie unterrichten doch ständig Sachen, die Sie sowieso schon wissen.” Überhaupt nicht, erwidere ich. Ich hab ja täglich mit so coolen Typen wie dir zu tun. Damit wird es nie langweilig.

    Die gerunzelte Stirn entspannt sich. Und im Gesicht erscheint ein breites Lächeln. Der hat gesessen – und zwar im positiven Sinne. Test bestanden.

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    3.5
  • Allgemeines,  Alltag,  Technik,  Unterricht

    Blogstöckchen: Standard-Apps

    Herr Rau hat’s in den Lehrerblogs vorgemacht, Kubiwahn folgte. Und ich hab seinen indirekten Sprechakt verstanden und mach mit. Alleine, weil es klingt wie eine kleine Reminiszenz an die Blogstöckchen, die es dareinst mal gab. Das Thema sind Standard-Apps, mit denen man so seinen Alltag bewältigt. Das Format geistert schon eine ganze Weile in der Blogging-Landschaft umher. Warum also nicht mals wieder ein Blogstöckchen aufheben und dran teilnehmen?

    So here we go…

    Reihum in der Blogger-/Indieweb-Riege – eine Liste von Apps, die man im Alltag für definierte Aufgaben nutzt.

    📨 Mail: Thunderbird zu Hause in der Schule, Outlook für die Systembetreuung
    📝 Notes: Evernote, Squid, seltener Lecture Notes
    ✅ To-Do: Evernote
    📷 Android Camera app: Camera app, Camera MX
    🟦 Photo Management: keine Zeit dazu, alles bleibt in der Galerie oder in Ordner auf Festplatten
    📆 Calendar: Apple Calendar, der über Lightning mit Thunderbird synchronisiert ist
    📁 Cloud File Storage: OneDrive, Dropbox, ByCS Drive (beim Austesten, ich bin allerdings noch etwas vorsichtig)
    📖 RSS: Feedly, Palabre
    🙍🏻‍♂️ Contacts: Android Contacts synced
    🙋‍♂️ Browser: Firefox und Edge zuhause, Edge in der Schule, kein Firefox, weil die Schulgeräte eine alte Version installiert haben, die gerne mal Fehler produzieren.
    💬 Chat: Signal, Threema, Whatsapp, ByCS Messenger
    📣Social Media: Twitter, Mastodon, BlueSky, Instagram, Discord
    🔖 Bookmarks: nutze ich tatsächlich kaum, nutze meist Webclipper von Evernote
    📑 Read it Later: Webclipper in Evernote
    📜 Word Processing: Microsoft Word, LibreOffice Writer, ByCS Office Writer
    📈 Spreadsheets: Microsoft Excel
    📊 Presentations: Microsoft Powerpoint, Prezi, Canva
    🛒 Shopping List: Evernote
    🍴 Meal Planning: Leute machen tatsächlich sowas?
    💰 Budgeting and Personal Finance: Ein Blatt Papier
    📰 News: diverse Nachrichten Seiten, die über BlueSky und Mastodon abgezapft werden.
    🎵 Music: Spotify, iTunes mit Rocket Player und isyncr
    🎙️ Podcasts: Spotify, früher Acast
    🔐 Password Management: Mein Kopf

    Vielleicht fühlt sich auch jemand inspiriert mitzumachen 😀Bestenfalls lernt man ein paar neue Standard-Apps voneinander…

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    4
  • Allgemeines,  Alltag

    The Day After

    Ich wollte ja eigentlich nicht mehr so viel über Politik schreiben, weil es echt immer eine gewisse Reibungsfläche bietet, aber nach einer recht schlaflosen Nacht mach ich’s einfach. Ist ja auch mein Blog. Also ätsch!

    Die Landtagswahl in Bayern war über die letzten Wochen und Monate eine sehr schmutzige Angelegenheit. Es wurde mehr als gepoltert. Es wurde geschimpft, geschrien, aufeinander rumgehackt und mit bislang ungekannter Polemik aufeinander eingedroschen. Dazu noch ein paar ehemaligen Tabu-Themen, eine Nazi-Flugblatt-Affäre mit echt grenzwertiger Aufklärung, und wir haben den Salat. “Ich habe echt Angst vor den Wahlen im Osten” ist einer der Sätze, der heute im Lehrerzimmer mit Abstand am meisten fiel. Gleich nach “Ich verstehe es nicht.” Ich bin einer davon.

    Ich bin in den 90er Jahren aufgewachsen. ich kenne die Bilder von brennenden Asylantenheimen in Rostock und den geifernden Massen, die begeistert den Flammen zujohlen und die Toten mit Hitlergruß quittierten. Die verkohlten Ruinen von Solingen und die Bilder der verbrannten Bewohner. Die Berichte über Skinheads, die auf den Straßen so mancher Stadt nachts Jagd auf Ausländer machten. Dass diese düstere Zeit der damals noch blutjungen, wieder vereinigte Bundesrepublik einen nicht unbeachtlichen Teil der Gesellschaft auf einmal wieder vertretbar ist, ist mir unbegreiflich. Und als Lehrkraft stelle ich mir schon die Frage, wozu wir in den Schulen Konzepte wie Inklusion und Integration umsetzen, weshalb Programme wie “Schule ohne Rassismus” oder alljährlich verpflichtende Besuche von KZ-Gedenkstätten organisieren, wenn das Gegenteil für mehr und mehr Leute in Ordnung geht. Auch in der Politik, die uns vormacht, wie es geht. Laut sein. Brüllen. Diskreditieren. Eintreten. Ausgrenzen. 

    Es brennt. Vorerst metaphorisch.

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    4.1
  • Alltag

    Goldener Oktober

    Mit beinahe 30 Grad geht der Oktober dieses Jahr los. Fast wie im August raschelt der Wind in den mittlerweile vertrockneten Blättern der Bäume vor dem Fenster und pustet eine gehörige Hitze in die Wohnung. Für die Sonnenanbeter ist das Wetter eine perfekte Gelegenheit, um bis in die Abendstunden draußen zu sitzen. Entsprechend voll sind die Cafés bis tief in den Abend. Erst ab 20 Uhr, wenn die Sonne vollends hinter den Häusern verschwindet und sich die Herbsttemperaturen unangenehm bemerkbar machen, wird es still in Münchens Straßen – vorausgesetzt, man hält sich nicht in der Nähe des Oktoberfestes auf, das dank des sonnenverwöhnten Septembers wohl einen neuen Besucherrekord aufstellt.

    Oktoberrekord in München

    Sieben Millionen Besucher waren es dieses Jahr – so die Statistik. Nach drei Jahren ausgefallener und verregneter Wiesn-Saisons sind die Leute ausgehungert und sehnen sich nach “genau so wie früher”. Und so fühlt es sich auch an: Lachende Gesichter, zum Bersten gefüllte Bierzelte, der Geruch von gerösteten Mandeln und Zuckerwatte in der Luft, das Lichterspektakel der Fahrgeschäfte bei Nacht. Die Blaskapellen auf der Oidn Wiesn und die nostalgischen Fahrgeschäfte von anno dazumal. Dann aber natürlich auch Betrunkene am berühmten Kotzhügel, sexuelle Übergriffe, maßlos überteuerte Gastronomie, riesige Lachen von Erbrochenen im Stadtgebiet, wohin man sieht, und ausgedünnte Reihen in den Klassen am Tag nach dem letzten Oktoberfest-Abend. Der berühmte Wiesn-Katarrh ist an den weiterführenden Schulen Münchens seit Jahren ein permanenter Unruheherd. Aber er gehört einfach dazu. Die Party ist vorbei.

    Abendstimmung am Oktoberfest

    Oktoberrekord in München

    Entsprechend moderat waren daher wohl auch die Besuchervorhersagen für eine Demonstration gegen Rechts, die gleich am Tag nach dem Oktoberfest am Odeonsplatz stattfand. Prognostiziert waren ca. 4000 Besucher, als die Veranstalter das Event “Zammreißen” auf dem Max-Josephs-Platz in München angemeldet hatten. Sie lagen komplett daneben. In den acht Tagen, in denen die Veranstaltung angemeldet und geplant wurde, war das Interesse so groß, dass man größer denken musste und alles an den Odeonsplatz verlegt hat. Genau an dem Ort, an dem 1923 der Hitlerputsch in die Geschichtsbücher einging, fand gestern eine Demonstration gegen den spürbaren Rechtsruck im politischen Diskurs statt.  Das Lineup an Sprechbeiträgen und Bands war beeindruckend. Persönlichkeiten wie Charlotte Knobloch, Luise Kinseher, Prof. Ursula Münch von der Akademie für politische Bildung oder Claus von Wagner waren ebenso mit von der Partie wie die Spider Murphy Gang, LaBrassBanda oder Willy Astor. Super angenehm bei der Veranstaltung war der strenge Fokus auf das eigentliche Thema. Die Bands waren absichtlich zweitrangig und gut dosiert in die Sprechbeiträge eingereiht. Es war klar, dass hier keine Party gefeiert wird, oder alle nur da bleiben, um irgendeinen Hauptakt zu sehen. Tatsächlich tauchten die bekannten Bands angenehm verteilt über den Abend auf. Die Spider Murphy Gang oder LaBrassBanda, die einen aktuen Stromausfall auf der Bühne einfach gekonnt mit minutenlangen Bläsereinlagen überspielten, erschienen schon recht früh in der Veranstaltung. Und trotzdem blieben alle im Publikum bis zum Schluss. Und so lauschten wir Friedrich Ani und seinem Bayernhmynus mit einem dicken Kloß im Hals, ließen uns von der ehemaligen Bavaria Kienseher das bayerische Omm erklären, und begaben uns mit Maxi Schafroth und seinem JU Gesangsverein Miesbach auf die Suche nach der so häufig beschworenen liberalitas, humanitas et caritas Bavariae . Es kamen Künstler und Betroffene zu Wort, die täglichen rassistischen Angriffen ausgesetzt sind und von ihrem Alltag berichteten. Der Künstlerin Kokonelle hatte man beispielsweise auf dem Weg zur Veranstaltung gerade erst einen Teller hinterher geworfen. Da wird es dann auf einmal gespenstisch still im Publikum. Und das bei mehr als 35.000 Besuchern, die laut Polizeiangaben anwesend sind.

    Der Abend endet dennoch mit einem guten Gefühl. Sich endlich aus dieser Lethargie befreien, mit der man die ständigen verbalen Entgleisungen fast nur noch gelähmt hinnimmt. Die Ohnmacht gezielt beim Kragen packen und schütteln. Etwas machen. Gefühlt das Richtige tun. Gemeinsam ein Zeichen setzen. Mache ich viel zu selten. Sollte ich definitiv öfter.

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    5

  • Allgemeines,  Alltag

    Guten Start!

    Jedem Anfang wohnt ein… Sie wissen schon. Aber neben Zauber gibt es natürlich auch eine gewisse Portion Nervosität zu Schuljahresbeginn: Wie wird es dieses Jahr? Passt der Stundenplan? Passen die Klassen? Passt die Arbeitsbelastung? Sind aus dem Nichts Unwägbarkeiten zu erwarten, die die komplette Planung durcheinander bringen?Um in derartigen Stürmen im Schuljahr die Kontrolle zu behalten, greifen wir seit jeher jedes Jahr auf Vorsätze zurück, auf die wir uns besinnen, wenn es denn mal so weit ist. Oder biegen sie uns zurecht. Oder ignorieren sie. Oder vergessen den einen oder anderen, weil man sich gar so viele vorgenommen hat.

    Für dieses Jahr gibt’s bei mir nur einen. Ich habe ihn aus einer düsteren Kneipe im Prenzlauer Berg. Aus der Herrentoilette, um genau zu sein. Nicht lachen, die größten Lebensweisheiten finden sich bekanntlich immer an Wänden des Aborts. Es ist eigentlich der Slogan der Start Up-Night, die in Berlin am 1. September statt fand. Aber man kann ihn sich getrost hinter die Ohren schreiben:

    You know what I mean…

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  • Allgemeines,  Alltag

    Mein bzw. kein Arbeitszimmer

    Meterlange Bücherreihen, Lexika bis unter die Zimmerdecke, Büsten antiker Philosophen, die allwissend in den Raum hineinstarren, dazu ein riesiger Schreibtisch mit einem feudal anmutenden Stuhl zum Arbeiten. Natürlich ausschließlich mit Mont Blanc-Füller. Im Eck des Raumes noch ein schwerer Ohrensessel mit einem kleinen Beistelltisch für längere Lektüren, eine ehrwürdige Stehlampe direkt dahinter, um die Szenerie in gediegenes Licht zu hüllen. So stellte ich mir im Studium mein Arbeitszimmer vor, wenn ich einmal im Job drin bin. Ein Traum. Und einer, den ich mir in der letzten Wohnung erfüllen konnte. Bis auf das mit den Büsten. Das ist affig.

    Ein Mann und sein Arbeitszimmer, back in 2018

    Kein Arbeitszimmer

    Beim letzten Umzug musste ich diesen locus amoenus leider aufgeben. Das hat mich schon ein bisschen verfolgt. Aber in einer Großstadt – das muss man zugeben – ist ein separates Arbeitszimmer ein Luxus, den man sich leisten können muss. Oder will. Und bei den gerade mal 1200 Euro, den man so ein Zimmer steuerlich geltend machen kann, zahlt man bei so einer Annehmlichkeit deutlich aus eigener Tasche drauf. Aber wo ein Arbeitszimmer integrieren, ohne dass es völlig deplatziert aussieht? Schreibtisch im Schlafzimmer – da hat man die Arbeit permanent vor sich. Schreibtisch im Wohnzimmer – möglich, will aber gut überlegt sein. Schreibtisch in der Küche – schwer vorstellbar, wenn da auch noch ein Esstisch drinstehen soll. Oder gleich gar keinen Schreibtisch und dann alles am Esstisch erledigen? Dann steht da aber halt immer ein Monitor in der Gegend herum. Das kann’s ja auch nicht sein.

    Wohin?

    Die Wahl fiel letztlich dann auf eine Aufteilung der Komponenten auf mehrere Zimmer: Im Wohnzimmer ist nun eine Bücherwand installiert, die mit zusätzlichen Regalaufsätzen bis unter die Decke reicht, um auf möglichst wenig Platz möglichst viel Literatur unterzubekommen. Der Schreibtisch selbst residiert in der Küche direkt am Balkonfenster. Allerdings ist das ein neuer. Für das alte Exemplar mit seiner 1,40×1 Meter Tischfläche war beim besten Willen kein Platz – und auch kein Bedarf, da meine Papierstapel über die Jahre immer kleiner (und digitaler) wurden. Jetzt ist dort ein kleiner Massivholztisch mit Schubladen integriert, der sich ein bisschen hinter dem Esstisch versteckt. Das taugt mir tatsächlich ganz gut, da auf diese Weise die Arbeitsecke den Raum nicht dominiert und so den Stellenwert in der Wohnung einnimmt, die sie eigentlich haben sollte. Um das Büroflair in der Küche weiter einzudämmen, sind sämtliche PC-Peripheriegeräte wie Tastatur und Maus kabellos und werden, sofern nicht gebraucht, einfach in einem Ablagefach im Schreibtisch verstaut. Bis ich ein Duo gefunden hatte, dass von den Ausmaßen her da auch reinpasst, hat es etwas gedauert, aber mit ein bisschen Suchen wird man schnell fündig. Aktuell stammen Funkmaus- und Tastatur von Rapoo. Nichts besonderes, aber alles sehr zweckmäßig, und für nicht mal 40€ für beides kann man definitiv nicht meckern. Wenn es der Ordnung dient. Zu der trägt seit Neuestem nun auch mein alter Raumtrenner bei. Denn dort wandern nach getaner Arbeit alle Unterlagen, Bücher und Korrekturen in einen Quasi-Handapparat. Damit bleibt der Schreibtisch leer.  Und das ist gut so.

     

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  • Allgemeines,  Alltag

    Neue Lehrer braucht das Land

    Anfang August machte in Baden-Württemberg eine neue Kampagne von sich reden, mit der man den dringend benötigten Nachwuchs für die Lehrzunft ansprechen wollte. Leider ging das (wieder mal) nach hinten los. Denn die Werbeanzeigen bedienen vermutlich auch aus einer gewissen Unbeholfenheit heraus sämtliche Klischees des Lehrberufs: Arbeiten für den Papierkorb? Keinen Bock auf Arbeiten? Einfach mal machen, worauf man Bock hat? Juhu, ist alles im Lehrberuf vereint. Also nichts wie an Bord – das alles garniert mit dem gelegentlichen Kommafehler und einer Wortwahl von Vierzehnjährigen… nur halt anbiedernd von Best Agern verfasst und dadurch hart an der Grenze zum Fremdschämen.

    Wer glaubt, das sei nicht zu toppen, soll nur mal nach Bayern schauen. Da machte Anfang März eine ganz ähnliche Werbereihe des Kultusministeriums zur Akquirierung von Lehrkräften die Runde – und bekam online so viel Prügel, dass sie mittlerweile komplett vom Netz genommen ist. Ein Glück, wer davon einen Screenshot gemacht hat. Ich zum Beispiel.

    Was soll ich sagen? Außer dass ich zugeben muss, nicht zu wissen, was Flexen in diesem Zusammenhang bedeuten soll. Alles andere spricht für mich eine sehr deutliche Sprache. Ferien und Spaß, wann immer ich Bock habe. Permanent Freunde treffen, wenn es mir taugt. Aber geil Kohle abgreifen für nen Halbtagsjob. Für Lehrkräfte, denen drei Jahre Pandemie immer noch gut in den Knochen stecken, ist so eine Reklame der reinste Hohn. Natürlich ist es lobenswert, wenn sich die Ministerien der Bundesländer etwas zum Lehrermangel einfallen lassen und aktiv werden. Aber doch bitte nicht so! Wer soll sich denn von solchen Anzeigen bitte berufen fühlen? Vermutlich nicht die, die man für die Profession bräuchte. Denn von spontan Freizeit, permanent Urlaub und Flexen (was auch immer das in diesem Zusammenhang bedeuten mag), sind wir sichi meilenweit entfernt.

    Ich wünschte, ich hätte irgendwo noch die Informationsbroschüre, die mir in der Oberstufe damals in die Hände fiel, als sich bei mir so circa 1998 langsam abzeichnete, dass meine Zukunft Richtung Lehramt gehen würde. Die Situation war damals der heutigen nicht unähnlich: Lehrermangel zeichnete sich auch damals schon deutlich ab. Die Lehrkräfte der 68er Generation standen kurz vor der Pensionierung, hieß es damals, und die Öffentlichkeit fürchtete eine gigantische Pensionierungswelle und Tausende von unbesetzten Stellen.  Interessierte für das Lehramt bekamen daher keinen Flyer in die Hand gedrückt – sondern eine Infobroschüre. Ach was, eine Enzyklopädie: Voll von Text, von Statistiken und Prognosen zum benötigten Lehrpersonal über die nächsten 10 Jahre. Infos zum Unterschied von Lehramt vertieft und nicht-vertieft an den Universitäten, zu Regelstudienzeiten, dem Referendariat. Seriös bebildert und in entsprechender Diktion. Eigentlich das komplette Gegenteil zu den obigen Canva-Unfällen aus den süddeutschen Bundesländern. Die Broschüre hatte aber auch eine andere Zielgruppe: Leute für das Lehramtsstudium zu begeistern. Nicht einfach irgendwen, der sich (wie es in der BaWü-Kampagne der Fall zu sein scheint) mal aus einer Lust heraus dazu entscheidet, eine Auszeit des aktuellen Jobs zu nehmen, um für ein paar Jahre Versorgungslücken zu stopfen. So gewinnt man keinen Nachwuchs. So bekommt man Stopfmasse.

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