• Alltag,  Technik

    Kindle gezwungen tot

    Mein Kindle ist tot. Naja, nicht tot. Aber faktisch nutzlos. Von heute auf morgen bekam ich angezeigt, dass der Kindle Shop auf meinem Gerät ab sofort nicht mehr zur Verfügung steht und ich stattdessen auf ein anderes Gerät ausweichen solle. Angeblich kann ich über Computer oder mobile device weiterhin Titel kaufen, die automatisch auf mein Gerät synchronisiert werden. Aber das klappt nicht. Weder über 3G, das auf einmal nur noch in Edge Geschwindigkeit operiert. Noch im WLAN. “no new items found” heißt es. Na, vielen Dank.

    Damit ist meine Kindle-Bibliothek statisch auf die 110 Titel begrenzt, die sich in all den Jahren darauf angesammelt haben. Mehr kann ich auf diesem Gerät nicht mehr hinzufügen. Dabei wäre es noch top in Schuss. Und das, wo es schon gut in der Welt unterwegs war. In Rucksäcken, in Schultaschen, auf Reisen in Deutschland, in Europa, in Amerika. Es sah Gebirge, die Strände des Mittelmeers, des Pazifiks und die Ufer des Colorado. Weit gereist, aber immer noch gut drauf.

    Alte Besen kehren gut

    Gut, es ist nicht mehr das neueste. Wir sprechen hier von der dritten Kindle-Generation, die ich mir 2011 geleistet habe. Damals waren die Amazon-Geräte quasi konkurrenzlos. Und vor allem konkurrenzlos gut: Mein Gerät hat noch eine komplette Tastatur, ein separates 3G-Modul, um auch frei von WLAN Bücher zu kaufen, eine Kopfhörerbuchse und eine tatsächlich brauchbare Vorlesefunktion. Das Gerät war für mich erwähnenswert genug, um einen der ersten Technik-Artikel im Blog hier vor zehn Jahren zu verfassen. Der Speicher von 3 GB ist aus heutiger Sicht vielleicht eher niedlich, aber ganz ehrlich: Wieviel verbraucht so ein ebook schon? Nach 12 Jahren im Einsatz sind darauf noch 2950 MB frei. Ich bräuchte eigentlich keinen neuen eReader. Aber ich werde dazu gezwungen, weil irgendjemand dem Gerät den Support abdreht. Bei Smartphones, die auf hochkomplexen Betriebssystemen laufen und vor den steigenden Hardwareanforderungen der Apps irgendwann kapitulieren, verstehe ich das ja. Aber wie komplex ist im Vergleich denn dazu ein eReader? Ich will mit dem Ding keine 3D-Shooter zocken, kollaborativ ein Spreadsheet befüllen, oder AR-Apps nutzen. Ich will einfach nur lesen.

    Aber aus die Maus.

    Neue Besen – woher nehmen?

    Ich brauch ein neues Gerät. Und wenn ich meine Kindle-Bibliothek weiter behalten möchte, führt wieder kein Weg an Amazon vorbei. That’s the price you pay. Das ärgert mich gerade maßlos. Und zwar so sehr, dass ich mir sehr ernsthaft überlege, einen Nachfolger außerhalb des Amazon-Imperiums zu holen. Es ist nicht mehr 2011, und die Konkurrenz hat nicht geschlafen und gut aufgeholt. Aber was soll es letztlich werden?

    Ich werde berichten.

    Mögliche Vorgehensweisen sind hier von Lesern auf Mastodon im Thread beschrieben.

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  • Allgemeines,  Alltag,  Technik,  Unterricht

    Retrospektive 2022/23

    Wie jedes Jahr wird es Zeit in den ersten Tagen der Sommerferien das letzte Schuljahr Revue passieren zu lassen. Old habits within the Beamter die hard (wen es interessiert, hier ein paar Retrospektiven der vergangenen Jahr). So habe ich auch nochmal die Möglichkeit, mit ein paar Sachen auch abzuschließen. Denn derer Dinge gab es viele:

    • Grundtenor: Gefühlt geht für uns als Schule ein echtes Horrorjahr zu Ende (jetzt wo ich die anderen Retrospektiven lese, merke ich, dass ich das die letzten Jahre immer gesagt habe. Aber dieses Jahr ist der Fall etwas anders gelagert.) Mit dem Komplettausfall der bestellten Geräte für die gesamte Schule ging bei mir der Stress schon am Strand auf Korfu los und forderte ab da ordentlich Improvisationstalent. Das Ausmaß der Katastrophe lässt sich hier nachlesen. Aber auch in anderen Bereichen lief vieles bei uns im Schulhaus nach dem Einzug nicht. Der dritte Stock hatte über Monate keine Sprechanlage. Daher konnte man Durchsagen und Stundenwechsel schlichtweg nur erahnen. Uhren gingen mal. Mal gingen sie nicht. Mal gingen sie rückwärts. Durchsagen waren mal zu laut, dann viel zu leise. Oder die Lautsprecher rauschten 24 Stunden durch. Türen hatten keine Schlösser (oder die falschen), Internet war in manchen Räumen bis April nicht vorhanden. Trotz mehrmaligen Anmahnens von unserer Seite. Die Stadt kam mit der Beseitigung der Mängel nicht hinterher. Oder konnte es einfach nicht. Auf einer Liste, die im Lehrerzimmer aushing, sollten im wöchentlichen Turnus Mängel verzeichnet werden. Diese wurde dann über das Sekretariat dem Baureferat gemeldet, das wiederum die Liste abarbeitete und den neuen Status Quo zur Überprüfung aushängen ließ. Nur stimmte die hinten und vorne nicht. Vieles, was nach Liste gerichtet war, wurde einfach nicht in Angriff genommen. Wir mahnten die Mängel erneut an. Und es passierte nichts. Das Spiel führten wir über Monate weiter – und haben irgendwann resigniert. Unser PC-Raum hat zum Beispiel bis heute kein einziges Möbelstück zur Aufbewahrung der Geräte. Als ich dies Anfang des Schuljahres meldete, hieß es, wir hätten nichts für den Raum bestellt. Als ich ihnen schwarz auf weiß die Bestellung nachwies, hieß es plötzlich die Bestellung sei storniert worden (die Bestellung, die wir angeblich nie gemacht hätten, wohlgemerkt). Vor meinen Augen wurde eine neue Bestellung aufgeschrieben – und auf die warte ich bis heute. Nur der Großzügigkeit der Fachschaft Physik ist es zu verdanken, dass ich zumindest zwei Glasschränke dort aufstellen konnte. Die haben sie mir nämlich für den PC-Raum aus ihrem Bestand veräußert. Der Rest der Wände ist nackt. Oder er hält als Ablagerungsfläche her für Hardware der Klassenzimmer, die noch nicht fertiggestellt sind. Und so unterrichtet man dort umgeben von Kartons, abgestellten Whiteboards und Kisten mit Stromkabeln und Schrauben seine Klassen. Wie sich das anfühlt, brauche ich keiner Lehrkraft zu erzählen. Somit hat sich die Anfangseuphorie endlich wieder in unserem alten, frisch renovierten Schulhaus zu arbeiten schnell in Frust verkehrt. Entsprechend war das Jahr auch eine ziemliche Achterbahn der Gefühle. Auch für mich. Denn bei technischen Defekten, die an so einem Standort vor allem zu Jahresbeginn permanent auftauchen, bin ich als Systembetreuer erster Ansprechpartner. Ich half aus so schnell es ging. Aber trotzdem gingen viele von uns vor allem im ersten Halbjahr in die Stunden mit einem äußerst mulmigen Gefühl, da das technische Gelingen der Stunde einfach ein Glücksfall war. Und dieser Eindruck ist bei vielen bis zum Ende des Jahres haften geblieben, auch wenn de facto alles mittlerweile wirklich zufriedenstellend läuft. Die Leute haben auf das Thema Technik und Digitalisierung im Moment einfach keinen Bock mehr, weil das Tal der Tränen einfach zu lang gedauert hat. Ob ich daran etwas ändern kann, schaun wir mal.
    • Mein Equipment: Da hat sich tatsächlich ein bisschen was getan. Wider Erwarten. Denn aktuell hat mein Ausbildungsgerät mein Samsung S7 für den Unterricht etwas in den Schatten gestellt. Das Fujitsu Convertible, das wir als Lehrerdienstgerät deutlich zeitvertzögert Ende Oktober bekamen, begleitet mich auf Schritt und Tritt in der Schule – vor allem, seitdem auch Evernote als App auf dem Gerät funktioniert. Die Stadt hat wohl ein bisschen was an den Berechtigungen gedreht, sodass nun auch Fremd-Programme, die auf einen Server zugreifen, nicht per se blockiert werden (wenn auch noch lange nicht alle). Das Samsung S7 ist dennoch stets in der Tasche dabei – als Fallback-Option, als Zweitgerät, als zusätzlichen Bildschirm. So richtig will ich nämlich der Harmonie der Technik noch nicht vertrauen. In schulfremden Setups wie z. B. dem ISB ist das Lehrerdienstgerät noch ganz schön zickig und verweigert die Mitarbeit im WLAN. Ärgerlich… Was hingegen definitiv überflüssig geworden ist, ist der Microsoft Streaming Stick. Da unsere IWBs standardmäßig Miracast unterstützen, ist das kleine Gerätchen nicht mehr nötig.
    • Ende von Twitter: In diesem Schuljahr ging digital für mich eine Ära zu Ende. Seit der Übernahme von Twitter durch Mr. Musk ist der ehemalige Nabel meiner digitalen Lernwelt nicht mehr derselbe. Die Negativschlagzeilen in den ersten Wochen über Massenentlassungen und Knebelschichten der Belegschaft waren nur der Anfang der Tragödie. Es folgten der Rauswurf von Third Party Entwicklern und das Abschalten von Bots, was Dienste wie Tweetdeck, die über ein Jahrzehnt fantastische Arbeit geleistet hatten, von heute auf morgen unbrauchbar machte. Entsprechend wurde es auch schwieriger untereinander zu kommunizieren. Ohne den twlz- Bot verschwanden viele Tweets ungelesen im Zwitscher-Nirvana… oder in den unzähligen Werbe- und Spamnachrichten, die irgendwann Überhand nahmen. Dazu kam noch die zunehmend destruktive Grundstimmung und die Fragmentierung verschiedener Lager, die sich in regelmäßigen Abständen ans digitale Leder gingen – und das Chaos war perfekt. Das einst gut vernetzte digitale Lehrerzimmer bei Twitter zerfiel. Einige der Nutzer wanderten zu Instagram, andere zu Mastodon. Threads ist derzeit auch im Gespräch eine sinnvolle Alternative zu Twitter zu werden. Aber wenn man den Nachrichten aus Übersee glauben darf, ist ein Großteil der dort erstellten Accounts mittlerweile inaktiv. Die fehlende Kommunikation sollen nun Chat Bots dort vorgaukeln. Kein Kommentar. Kein Wunder also, dass viele User Twitter/X treu bleiben. Oder sich Seitensprünge gestatten – wie ich. Zumindest bis Mitte Juli. Ich empfand das ständige Hin- und Hergehüpfe irgendwann sehr anstrengend und habe Twitter mittlerweile vom Smartphone gelöscht. Jetzt bin ich dauerhaft bei Mastodon und sehr zufrieden damit. Da ist im Moment noch einiges im Aufbau, und das Tempo ist bei weitem nicht das, das man von Twitter gewöhnt war. Aber dafür herrscht dort auch deutlich weniger Grundrauschen und schlechte Laune. Es wirkt entspannter – und an vielen Stellen auch weiter entwickelt als Twitter: Allein die Möglichkeiten der Anpassung meines Accounts sind enorm: Mehr Platz für die Bio, mehr Platz für Links im Profil, automatisiertes Löschen von Tröts nach einem Haltbarkeitsdatum inklusive Ausnahmen. Da gibt es noch viel zu ergründen.
    • AI: In dieser Hinsicht gab das letzte Schuljahr einen echt gemeinten Startschuss für das Thema künstliche Intelligenz im Unterricht. Als ChatGPT im Winter aufschlug, ging ein riesiges Raunen durch die Bildungslandschaft. Es folgten weitere AI-Projekte wie Dall-E2 oder Midjourney, die schon seit Jahren in Entwicklung sind, nun aber die mediale Aufmerksamkeit erhielten, die sie auch verdienen. Mittlerweile ist das Thema wieder ein bisschen heruntergekocht. Aber wir werden uns damit auseinandersetzen müssen. Ob wir wollen oder nicht. Die ALP Dillingen hat das erkannt und bot in regelmäßigen Abständen eSessions zu dem Thema an. Sehr eindrucksvoll, was die Referierenden dort so vorzeigten. Ich war dabei – auf dem Rücken liegend, während ich die alte Wohnung weißeln war. Denn Umziehen war dieses Jahr angesagt:
    • Umzug: Noch im September habe ich beim Auspacken der Kisten an der Schule gemerkt, wie sehr ich es hasse, Zeug von A nach B zu wuchten und wieder aus Pappkartons zu befreien. Immer und immer wieder. Da ahnte ich noch nicht, dass ich dieser ätzende Arbeit in einem halben Jahr in eigener Sache erneut nachgehen würde. Wie aus dem Nichts ergab sich im Januar die Möglichkeit nach Haidhausen zu ziehen. Und so nahm ich schweren Herzens Abschied von meiner heiß geliebten Wohnung in Hadern, die mir in ein paar Jahren finanziell echt um die Ohren geflogen wäre. Der Umzug kam spontan und passierte mitten im Schuljahr. Das ging gut an die Kraftreserven. Und die Gesundheit. Erst hatte ich mir durch das ständige Wuchten der Kisten einen Nerv eingeklemmt, dann gab’s noch eine Prise Corona oben drauf, als keiner mehr dran geglaubt hatte. Alles verlief glimpflich, aber man merkt wieder mal: Man ist keine 18 Jahre mehr. Gesundheit ist wichtig.
    • Fazit: Und trotz aller Schwarzmalerei war es dann doch ein spannendes Jahr, in dem sich viel getan hat. Dank der Technikausfälle bekam ich ein paar tiefe Einblicke sowohl in die IT als auch die Organisation des Münchner Baureferats. Mit ein paar der Leuten bin ich mittlerweile sogar per Du und kann zur Not sogar privat anrufen, wenn die Hütte brennt. A propos tiefe Einblicke: Nirgendwo habe ich dieses Jahr mehr gelernt als bei mebis. Und das ist nicht nur meiner immer noch aufgeschlossenen Grundeinstellung zu verdanken, sondern vor allem dem ISB-Arbeitskreis, dem ich dieses Jahr wieder beiwohnen durfte. Durch das Schreiben und Reviewen von Tutorials für mehr oder weniger jeden Handgriff habe ich die Lernplattform so intensiv kennengelernt und genutzt wie noch nie. Und da gab es noch einiges an unbeackerten Feldern. Die Arbeit daran war intensiv, aber ich war Teil eines hochkompetenten und aufgeschlossenen Teams, das mit seiner positiven Grundeinstellung ein wohltuender Gegenpol zu dem Grundgrummeln vor Ort in der Schule darstellte. Aber auch dort wird sich die negative Stimmung des Anfangs legen. Über die Sommerferien sind die Karten schon immer neu gemischt worden.
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  • Allgemeines,  Alltag,  Unterricht

    Kekse lügen nicht

    Plätzchen im August? Ja, so habe ich auch geschaut, als ich heute meine Klasse in die Sommerferien entlassen habe, und von zwei Fans eine Tüte mit Selbstgebackenem geschenkt bekam. Aber das nicht nicht irgendwelche Plätzchen. Es sind ganz besondere Exemplare. Sie sind nämlich personalisiert und repräsentieren durch die Bank Dinge, die ich mag… Oder auch nicht. Wer mich tiefenpsychologisch mal näher analysieren wollte… look no further. Die Karten Kekse lügen nicht…
    Im Bild zu sehen:

    • Ein Laptop (könnte auch ein Gameboy sein 😁): Steht für meine Technikaffinität.
    • Eine Kaffeetasse: Steht für meinen Koffeinkonsum, den ich eigentlich meinen Klassen immer sehr zu verheimlichen trachte. Ich vermute eine undichte Stelle im Kollegium, die hierzu nähere Informationen geliefert hat.
    • Ein durchgestrichener Fußball: Meine Gleichgültigkeit gegenüber dieser Sportart kann ich leider weniger vor den Klassen verbergen als mein latentes Kaffeeproblem.
    • Ein Hund: Ich bin definitiv Mitglied im Team Hund. Auch wenn das gebackene Exemplar an einen Pudel erinnert, mit denen ich tatsächlich nicht so viel anfangen kann. Dabei wären Dackel bestimmt viel leichter zu backen gewesen.
    • Ein Dinosaurier: Aus einem erst kürzlichen Gespräch am Wandertag wurde mir die Information entlockt, dass mir Dinosaurier eigentlich egal sind (ähnlich wie Fußball). Ausnahme stellt lediglich der Brontosaurus dar. Die gemächlich vor sich hin ziehenden Pflanzenfresser fand ich auch schon in Jurassic Park anno 1993 ganz cool.
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  • Allgemeines,  Alltag

    Dit is Berlin

    Die letzten Wochen vor den Sommerferien beginnen. Finale. Oder wie es der Volksmund sagt: “Ihr habt ja jetzt eh nix mehr  zu tun.” Genau. Und deswegen stecken wir mitten drin in der Zeugniserstellung. Klassen- und Lehrerkonferenz starten im Anschluss an den regulären Unterricht in den Nachmittagsstunden und ziehen sich gerne mal bis 19.00 Uhr. Wir planen Wandertage, reservieren Gruppentickets, stellen Buchungen für die Klassen sicher. Sammeln Geld ein für Eintritt und öffentlichen Nahverkehr. Wir stecken in den Vorbereitungen für den Museumstag – oder sind eine komplette Arbeitswoche rund um die Uhr im Dienst, um die fünften Klassen im Schullandheim bei Laune zu halten. Oder wie in unserem Fall: Knapp 80 Zehntklässler in Berlin.

    Wir fahren nach Berlin!

    Unter den Teenagern, mit denen wir seit Tagen durch die Häuserschluchten der Hauptstadt ziehen, sind auch Teile meiner ehemals fünften Klasse dabei, die ich vor fünf Jahren an unserem Gymnasium begrüßt habe – eine echt tolle Truppe damals, die nicht nur lernbegierig, sondern auch richtig witzig war. Mit ihnen habe ich Marleen von Marianne Rosenberg samt Choreographie einstudiert, damit sie beim Einsammeln von Prüfungen und Übungen die Hände von den Stiften lassen oder die schwäb’sche Eisebahne besungen. Wir haben zu einer Drum Machine im Chor dekliniert. Lauter so herzerfrischend nutzloser Kram, den wir da veranstaltet haben. Aber diese Zeiten liegen nun hinter uns. Wir sind älter geworden. Sie sind älter geworden. Und aus den Kindern von damals wurden junge Erwachsene, die kurz vor dem Eintritt in die gymnasiale Oberstufe stehen. Nix mit Schabernack mehr. Viel zu kindisch. Außerdem haben wir in der riesigen Gruppe an Leuten sowieso kaum Berührungspunkte über die Woche. Die Zehntklässler, die ich von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit begleite, kenne ich kaum. Sie sind aus Klassen, die ich nie im Unterricht hatte. Auch sonst komme ich mit meinen ehemaligen Schützlingen kaum ins Gespräch. Das Programm ist packevoll, die Wege lang, die Temperaturen konsequent jenseits der 30 Grad. Da fehlt einfach die Zeit für entsprechenden Smalltalk.
    Nur einmal in der Tram komme ich mit zehn “meiner” Jungs ins Gespräch. Sie präsentieren sichtlich stolz die fliederfarbenen Tanktops, die sie allesamt in einem der Läden am Alexanderplatz erworben haben. Wie lila Schlümpfe stehen sind eng aneinander gequetscht in der Tram. “Ihr seht fast ein bisschen aus wie eine Boyband. Fehlt nur noch eine Choreo”, meine ich. Sie lächeln verlegen bis zur nächsten Haltestelle, und raus sind sie. Auf dem Weg in die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg. Ich fahre weiter mit meinen Leuten nach Hohenschönhausen in das ehemalige Stasi-Gefängnis, und wir lassen uns von ehemaligen Häftlingen durch diesen unheimlichen Ort der nicht so weit zurück liegenden Vergangenheit führen. Durch miefige Keller, Internierungszellen und piefige Büros mit ockerfarbenen Mustertapeten und mausgrauen Polstermöbeln. Wir lauschen gebannt den Ausführungen unseres Guides über die Verhörmethoden der Stasi, lesen uns durch Akten, in denen die mitunter lächerlichen Verhaftungsgründe der Insassen dokumentiert sind – und kehren letztlich geplättet von Eindrücken und der Tristesse des Ortes irgendwann ins Hotel zurück. Uff…

    Nachtschicht

    Entsprechend fertig bin ich, als ich am Abend mit der Zimmerkontrolle beginne. Und verwirrt, als ich im Zimmer meiner “alten” Zehntklässler stehe. Es sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen: die Kissen liegen am Boden,  die Einkaufstüten sind hastig in eine Ecke gepfeffert. Die Betten wurden zur Seite geschoben und stehen kreuz und quer im Raum. Hauptsache die neuen Flieder – Tanktops, die sie am Körper tragen, sind unversehrt und trösten über das Chaos hinweg. Ich bin sofort genervt. Nach dem langen Tag jetzt auch noch schimpfen. Das brauch ich gerade noch. “Was ist denn hier los?” frage ich hörbar genervt in den Raum. Der Rädelsführer des Männerrudels tritt etwas verunsichert hervor. “Wir haben für Sie eine Choreographie einstudiert”. Und auf einmal formieren sich die vier Jungs zu zwei Pärchen und führen mir eine astreine Tanzeinlage zu Dancing Queen vor. Mit Drehungen, Schrittfolgen, Handwechsel. Das ganze Programm. Vier Jungs, von denen mir jeder einzelne größentechnisch problemlos auf den Kopf spucken könnte, hüpfen hochkonzentriert vor mir herum – und ich versteh die Welt nicht mehr… bis ich mich an das Gespräch in der Tram erinnere. Mein Ärger verfliegt sofort. Es ist wieder genauso wie vor fünf Jahren. Der Schalk sitzt den Teenies noch genauso im Nacken wie damals. Entsprechend überschwänglich bedanke ich mich am Ende für die Performance – und werde gleich ein Zimmer weitergeschickt, wo mich die nächste Einlage erwartet. Auch hier steht ein Quartett in Flieder bereit. Und tanzt mir vor. Zu einem Mixtape von der schwäb’schen Eisebahne, das mitten drin plötzlich zu Marleen überblendet. Die Musik schallt den ganzen Gang entlang. Irgendwann stehen meine Kollegen mit in der Tür und blicken etwas ratlos auf das Szenario. “Was soll das denn?”, werde ich gefragt. Tja, dit is meene fünfte Klasse <3!

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    4.6
  • Allgemeines,  Alltag,  Buch

    Von Kulinarischen Leckerbissen

    Letzte Woche fanden bei uns im Viertel die Hinterhofflohmärkte statt. Ein wirklich schönes Event, das man sich da ausgedacht hat: Pro Viertel wird an einem Samstag ein Zeitraum geschaffen (in der Regel von 9.00-16.00 Uhr), in dem die Bewohner ihres Kiezes an kleinen Ständen in ihrem Hof nicht mehr gebrauchtes Hab und Gut verkaufen. Quasi ein Flohmarkt mitten in der Stadt. Das ist aus vielerlei Hinsicht immer eine tolle Erfahrung: Man kommt nicht nur mit seinen Nachbarn bestens ins Gespräch, sondern darf nebenher auch einen Blick in Hinterhöfe riskieren, die der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglich sind. Und da gibt’s echt ein paar Perlen zum Anschauen. Sowohl bei Hinterhöfen als auch bei den angepriesenen Schätzchen, die man für kleinstes Geld erwerben kann –  zumindest von dem Zeug, das sich auch tatsächlich verkaufen lässt…

    Waren, die an diesem Wochenende keinen neuen Besitzer finden, werden in aller Regel wieder weggepackt und versauern bis zum nächsten Flohmarkttermin in einer Kellerkiste… oder landen vor den Häusern in einer “Zu verschenken”-Box. Dort finden sich gerne mal kleine ehemals liebgewonnene Schätze, aber auch die eine oder andere Skurrilität. Zum Beispiel dieses Kochbuch aus den frühen Siebziger Jahren eines auch heute noch bekannten Herstellers von Haferflocken, das auf den Namen “Gesunde Tafelfreuden” hört und sowohl mit Inhalt als auch mit Aufmachung schwer überrascht.

    Zwischen Rezepten wie Griesnockerln, Apfelstrudel oder Kaiserschmarrn finden sich wie selbstverständlich Anleitungen für die Zubereitung von Hirnnockerln, Zungenauflauf, Käseäpfel oder Kekse mit Leber. Zur Verfeinerung wird regelmäßig dazu aufgerufen, statt Butter auch einfach mal tierisches Bratenfett zu nutzen. Das runde das Aroma ab. Also einfach mal seine Leberplätzchen zur Weihnachtszeit in geilem Gänsefett kross und backen und an dem Geruchserlebnis die komplette Hausgemeinschaft teilhaben lassen. Lecker… Aber das ist ja nicht alles. Viel verstörender als die Rezepte im Kochbuch sind die eingestreuten Illustrationen, die ja eigentlich Lust auf Kochen machen sollten (so würde ich das als Rezipient ganz naiv annehmen). Aber weit gefehlt. Stattdessen gibt’s ein verstörendes Szenario nach dem anderen:

    Warum wird in dem Kochbuch an prominenter Stelle ein Kind übers Knie gelegt und verprügelt? Warum wird ein Mädchen mit einer übergroßen Sahnespritzpistole zu Weinkrämpfen drangsaliert? Warum ist ständig von einer kaputten Uhr die Rede? Wieso tuscheln zwei Damen mit Hut über diese Meldung so aufgeregt? Warum reiten drei afrikanische Kinder auf einer Banane?  Warum heult da ein Junge neben der kaputten Uhr? Und was macht der Typ mit dem lüsternen Blick und dem lasziv angelegten Zeigefinger am Mund da mit dem kleinen Mädchen? Ich habe Fragen. Und werde vermutlich nie eine Antwort darauf bekommen. Vielleicht aber stattdessen einen Zungenauflauf. 🤤

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    5
  • Allgemeines,  Alltag

    Im falschen Film II – Jenseits von Stammtischparolen

    Na, da hab ich ja was losgetreten mit dem letzten Artikel. Erst meldete sich der werte Kollege Mike Graf, dann Herr Rau zu Wort. Thomas Kuban folgte mit einer Entsprechung. Und wir alle haben irgendwie ein Problem in den Blogs über Politik zu schreiben. Mike hat seinen Artikel mittlerweile wieder vom Netz genommen, Herr Rau attestiert sich selbst einen gewissen Widerwillen bei dem Thema. Mr Kuban ebenso. Ich selbst fand es ja auch irgendwie befremdlich. Dabei hatten wir alle gemeinsam einen wirklich interessanten Austausch zu politischen Ansichten: Wo liegt Objektivität, wo die Grenze beim Benennen von Problemen und dem Beginn der Übertreibung? Wo geht’s los mit Polemik? Sind Blogartikel zu Politik tatsächlich sinnvoller Austausch von Ansichten oder nur ein selbstgefälliges Brodeln im eigenen Saft? Fand ich spannend…

    A propos Brodeln: Hier in Südbayern ging’s jüngst heiß her. Eine Kundgebung zum Thema Heizungsgesetz in Erding zog massive mediale Aufmerksamkeit auf sich, nachdem sich dort eine bayernweit berühmte Kabarettistin und nicht minder bekannte Politiker zu dem Thema in teilweise doch wieder fragwürdig stammtischartiger Diktion geäußert haben. Vor einem Publikum, das von einer beachtlichen Anzahl von rechten Gruppierungen, Querdenkern und Verschwörungstheoretikern durchsetzt war. Das mediale Echo war so katastrophal, dass nun Folgeveranstaltungen abgesagt wurden. Eine Münchner Veranstaltungslocation hat einen der Sprecher sogar offiziell ausgeladen mit dem Verweis auf die Unvereinbarkeit seines Gedankenguts mit dem ihrigen. Rücktrittsforderungen wurden laut. Stattdessen gab es “nur” eine Regierungserklärung, und die lautesten Sprachrohre sind seitdem auffällig ruhig; oder zeigen sich mit der ehemaligen Bundeskanzlerin, um sich ein bisschen in Glanz und Gloria von anno dazumal zu sonnen (und von Frau Merkel ziemlich vorgeführt zu werden 🙃) Andere Parteien rufen nun zu einer Gegenveranstaltung zu der in Erding auf, nennen sie nun die “Demonstration der Vernünftigen” – befeuern aber damit genau wieder die Spaltung, die uns immer wieder so aufregt. Ich will keine Einteilung in vernünftig und unvernünftig. Ich will einfach ein gemeinsam. Über Parteien und Ideologien hinweg. Punkt.

    Und während wir über das Einen reden, wird in Thüringen der erste blaue Landrat gewählt… und jede Partei beginnt damit sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben, wie es dazu kommen konnte. So wird das nix 🙄

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    5
  • Allgemeines,  Alltag

    Im falschen Film

    Sorry, Leute. Wir müssen reden. Und zwar über Politik. Ich weiß, das nervt. Aber es kann nicht sein, dass wir so in unseren Positionen verharren und uns deswegen irgendwann mal gegenseitig die Kauleiste polieren. Ich verstehe, dass man sich im politischen Diskurs an anderen Strömungen reibt. Das war schon immer so. Nur hat sich der Ton dabei für mich gefühlt komplett verändert. Und zwar nicht zum Guten.

    Am Anfang war das Wort

    Vielleicht liegt’s am fortschreitenden Alter, am Zeitgeist. Vielleicht ist es Einbildung. Aber ich bekomme zunehmend das Gefühl im falschen Film zu sitzen. Der Diskurs in der Politik ist für mich spürbar rauer geworden. Das kommt natürlich nicht von ungefähr. Man muss sich ja nur umblicken und ein paar Jahre zurücksehen: Da saß in den USA auf einmal eine prollige Mixtur aus Misogynie, Narzissmus, Dekadenz und Fremdenfeinlichkeit im verantwortungsvollsten Job der Welt und schleuderte im Minutentakt krude und gelinde gesagt dumme Thesen unter die Massen. Ungefiltert, unzensiert und ohne auch nur einen Gedanken der Reflexion über die möglichen Folgen. So ging es mehrere Jahre lang – bis hin zu diesem skurrilen Debakel am Four Seasons Total Landscaping in Pennsylvania, das an Absurdität nicht mehr zu überbieten war. Man hatte das Gefühl, da krallen sich nicht einfach nur machthungrige Menschen am Thron fest. Sondern schaumschlagende Dummbeutel, die keinesfalls in ein solches Amt gehören. Nur leider scheint das seitdem etwas System zu haben.

    Lernen von Großmäulern

    Populismus funktioniert. Oder er funktioniert wieder. In einer immer komplexeren Welt, die uns aktuell mit einem Gros an Krisen zu überfordern droht, bietet er Simplizität. Man benennt einfach einen Schuldigen, auf den man den Frust abladen kann, und ab geht die Lucy. Pandemie? Von den Chinesen. Schlechte Wirtschaft? Liegt an der EU. Erstarken der Rechten? Liegt am Gendern. Klimawandel? Eine Lüge. Dazu kommt die Unterste-Schubladen-Rhetorik, die zusätzlich Feuer in ein ohnehin schon gefährliches Rezept bringt: Ausdrücke wie “Asyltourismus” kommen in Mode und suggerieren, dass Leute mal eben ihr Leben riskieren und ihre Heimat verlassen, nur um hier ein bisschen Spaß zu haben. Man spricht von einer schweigenden Mehrheit, die sich die Demokratie zurückholen soll – als ob diese Staatsform nur für einen eingeweihten Kreis der Bevölkerung gilt. Ich sehe Transparente auf Demos, auf denen offen aufgerufen wird, Politiker zu hängen. Merkel soll gehängt werden. Scholz auch. Die Grünen in ihrer Gänze auch – solange es noch Bäume gibt.

    Diese Enttabuisierung und absichtliche Erosion und Verrohung der Sprache bekümmert mich als Sprachenlehrer ganz besonders. Das früher Undenkbare aussprechen. Ausprobieren, wie sehr es eskaliert. Und dann beim nächsten Mal nachlegen. Oder das Opfer spielen. Mausrutschen. Sich wie die Geschwister Scholl fühlen, weil man sich als Querdenkerin einer Impfung verweigert. “Volkszorn” heraufbeschwören und damit schön Vokabular bedienen, das aus ganz düsteren Truhen der deutschen Geschichte geborgen wurde – aber es dann natürlich ganz anders gemeint haben.

    Verdruss

    Am Anfang sind es nur Worte, die enthemmen. Aber wie lange bleibt das so? Braucht es wieder ein Zeichen wie die Ausgehetzt-Demos 2018, als die Leute gegen die permanenten verbalen Entgleisungen in der Politik in München auf die Straßen gegangen sind? Oder sind diese Verfehlungen so allgegenwärtig geworden, dass man abstumpft und sie geschehen lässt? Ich persönlich muss sagen, dass ich müde werde. Denn auch im Freundeskreis nehmen die hitzigen Debatten deutlich zu. Man diskutiert nicht, sondern lädt seine Meinung ab. Fällt dem anderen ins Wort. Wird laut, beleidigt. Es geht nicht mehr um eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Thema. Sondern wer seine Thesen am lautesten brüllt. Und schlimmstenfalls steht einer auf und verlässt die Gruppe. Manchmal für immer. Ist uns tatsächlich so passiert.

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    4.9
  • Allgemeines,  Alltag

    Ruhig hier

    In meinen Messengern ist die Hölle los. Ich werde überflutet von Ferien-Statusmeldungen von Freunden, Bekannten und Kollegen: Bilder vom Strand, Bilder von einer mediterranen Altstadt in Süditalien. Sonnenuntergänge in Griechenland, Snapshots aus London, Bergpanoramen von Mountainbiketouren. Irgendwie hat über die Pfingstferien jeder das Weite gesucht. Nur wir sind da geblieben. Und das ist gut so.

    Denn der Umzug hat ein gutes Loch in den Geldbeutel gerissen und die kompletten Osterferien blockiert. Umso mehr genieße ich nun die Ruhe und die Leere in meinem Terminkalender. Die Pfingstferien sind abgesehen von der Oberstufenklausur Englisch wirklich frei. Ich kann machen, worauf ich Lust habe. Zum Beispiel in den Hinterhof starren. Die gurrenden Tauben beim Flirten beobachten. Den Balkon bepflanzen. Die letzten Kisten in den Keller räumen und die Wohnung wirken lassen. Lesen. Mein Fremdsprachenprojekt weiter treiben. Und wenn es fad wird, wird das neue Viertel erkundet. Hier gibt es so viel Neues zu entdecken. Das Künstlerviertel in der Preysing Straße zum Beispiel. Oder den Bordeauxplatz. Alles ist wunderschön bepflanzt und ergießt sich in sattem Grün. Das tolle Juniwetter tut sein übriges, echtes Sommerflair in der Innenstadt zu verbreiten. Und so sitzt man abends in einem der vielen Schanigärten bei einem Glas Mastika-Sprizz in der Abendsonne und lauscht der lauen Sommerbrise, wenn sich der Wind sich in den Blattkronen fängt, und das Laubrauschen den Großstadtlärm fast komplett überspielt. Wofür denn in die Ferne schweifen?

    Schön hier 😎

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  • Allgemeines,  Alltag,  Prüfungen,  Technik,  Unterricht

    Sprachen lernen online im Selbstversuch – Teil 2: Babbel

    Wenn es ums Sprachenlernen unterwegs geht, führt seit Jahren kein Weg an Babbel vorbei. Kein Sprachunternehmen hat in sozialen Medien und im Fernsehen mehr Werbung gefahren als die Polyglotten aus Berlin. Der Erfolg gibt ihnen recht. Schon seit Jahren ist Babbel äußerst erfolgreich unterwegs – kein Wunder also, dass ich damals bei meinen ersten Sprachschritten auf die App aufmerksam geworden bin – und bis zum heutigen Tag auch damit arbeite.

    Aufbau

    Wer sich als Sprachenlehrer ein bisschen mit dem Europäischen Referenzrahmen auskennt, merkt sofort, dass hinter dem Aufbau des Babbel Sprachunterrichts System steckt. Sämtliche Kurse und Zertifikate sind streng an dem europaweit gültigen Kompetenzregularium orientiert und bauen konsequent an den darin verankerten Inhalten auf. Angefangen von einfachen ersten Sätzen zur Vorstellung, hin zum Sprechen über Familie und Hobbies bis hin zu komplexeren Themen wie Umweltschutz oder Digitalisierung beginnt Babbel mit seinem Sprachkurs bei den Basics und nimmt den Sprecher konsequent an die Hand. Jede Lektion beinhaltet dabei immer ein bisschen Vokabular und Grammatik – beides streng an das jeweilige Niveau angepasst (A1, A2 etc.) und stets nach derselben Methode gelehrt: Nämlich so, wie man es aus dem Sprachunterricht kennt.

    Die Aussprache lässt sich auf Wunsch ständig überprüfen.

    Pro Lektion werden zunächst die neuen Wörter präsentiert und mit bildlicher Untermalung vorgesprochen. Wer möchte, kann diese nachplappern. Die App untersucht die aufgenommene Aussprache und gibt entsprechend Feedback. In einem zweiten Schritt erscheinen die Vokabeln in deutscher Übersetzung und müssen in der Fremdsprache eingegeben werden. Schritt drei setzt die neuen Wörter in einem sinnstiftenden Kontext und zeigt Sätze an, in denen man aus vorgegebenen Lösungswörtern das richtige einsetzen muss. Ist das geschafft, werden abschließend nochmal sämtliche Vokabeln in deutscher Übersetzung angezeigt, zu der der Nutzer nun die Entsprechungen in der Fremdsprache zuordnen muss. Man sieht: es wird zunehmend kontextualisiert. Und dann geht’s mit der Grammatik.
    Diese präsentiert sich in der Regel mit Hilfe von kleinen Dialogen oder Einzelsätzen, sodass man induktiv die Regeln erschließen kann. Aber keine Sorge: Die gibt’s nochmal erklärt und aufs Nötigste reduziert, und abschließend mit Hilfe von diversen Übungen eingeschliffen: Da gilt es mal, Endungen einzugeben, Zuordnungen zu machen oder Gegenteile zusammenzuführen. Abschließend kommt in einer Lektion nochmal alles zusammen: Vokabular und neue Grammatik findet man in einem kleinen Dialogtext zusammengebracht, den man mit den neuen Inhalten füllen soll. Und schwupps sind knapp 15 Minuten vorbei, und eine Lektion gemacht. Und derer gibt es viele.

    Größe

    Knapp 230 Lektionen sind beispielsweise im regulären Sprachkurs in Spanisch vereint und nach Schwierigkeitsgrad gebündelt: Es gibt einen Einsteigerkurs, mehrere für Anfänger, für Fortgeschrittene und Profiangebote, bei denen die Zweisprachigkeit zunehmend verschwindet und man mehr und mehr zu selbständigem Arbeiten angehalten wird. Auch das Sprechtempo der Hörtexte wird zunehmend anspruchsvoller, sodass man immer gut gefordert ist. Am Ende eines jeden Kurses steht eine Wiederholungslektion, die den kompletten Stoff der im Schnitt 15-20 Lektionen durchnimmt und Durchhaltevermögen mit einem Babbel-Zertifikat belohnt. Sollte man davon irgendwann man alle eingeheimst haben, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Babbel bietet eine schier nicht enden wollende Fülle an Zusatzkursen mit jeweils anderen Schwerpunkten. Es gibt dezidiert Angebote zum Hören und Sprechen inklusive einer Reihe von (übrigens kostenlos zugänglichen!) Podcasts zu einer Reihe der angebotenen Sprachen, Kurse zu Redewendungen, false friends, Zungenbrechern, besonderen Grammatikphänomenen, Auffrischungsmöglichkeiten für Nutzer, die vor Jahren mal mit einer der Sprachen begonnen haben, und natürlich Unmengen von Themenwortschatz. Knapp 8000 Vokabeln warten darauf, thematisch geordnet gelernt zu werden. Und das kann dauern. Nach sechs Jahren Spanisch in Babbel habe ich beim Wortschatz gerade mal 80% erreicht. Und regelmäßig kommen neue Inhalte dazu.

    Die Babbel-Podcasts gibt es frei verfügbar.

    Motivation

    Um sicherzugehen, dass der Stoff bei dieser Fülle an Möglichkeiten auch sitzt, bietet Babbel verschiedenste Wege der Wiederholung an, die sich mit Hilfe eines Lernplans individuell zusammenstellen lassen. Auf Wunsch meldet sich die App dann zur eingestellten Zeit und erinnert daran, das Wiederholungs- und/oder Lernprogramm durchzuziehen. Wie und wann man das bewerkstelligt, überlässt Babbel einem selbst: Neben den klassischen Kärtchen- und Einsetzübungen, dem Nachsprechen von vorgegebenen Items, oder Auswahlübungen zu präsentiertem Audiomaterial gibt es seit geraumer Zeit auch eine kleine Auswahl von Lernspielen, in denen man Wörter in Labyrinthen sucht, mit einem Motorboot auf Reisen geht oder den Wörterzug vor dem Entgleisen aufhalten muss. Letztere sind eine nette kleine Abwechslung zu den üblichen Übungsformaten, die eher traditionell daher kommen.

    Die Lernspiele kommen im putzigen Retro-Pixel-Design daher.

    Nach mittlerweile sechs Jahren regelmäßigen Wiederholens ist die Faszination aber auch daran ein bisschen vorbei. Das liegt einerseits an dem recht repetitiven Charakter, den Vokabelwiederholungen nun mal in sich bergen. Zum anderen aber auch am Lernassistenten von Babbel selbst, der das Erledigen des Lernpakets unerbittlich einfordert. Je länger man mal pausiert, desto größer wird der Berg an zu wiederholenden Vokabeln. Das demotiviert mit der Zeit. Ich habe daher auch irgendwann aufgehört, dem Ding größere Beachtung zu schenken und mich an meinem eigenen Tempo orientiert. Nun wiederhole ich, wann ich möchte und wann ich es für sinnvoll halte. Denn mit welchen Vokabeln ich am ehesten Probleme habe, erkennt der Lernassistent nur begrenzt. Zwar wird anhand meiner Fehler jede Vokabel in eine von sechs Schubladen gesteckt und mit höherer Frequenz hervorgeholt als Wörter, die bei mir sitzen. Aber ab einem gewissen Umfang verschwinden die Problemvokabeln unter dem Haufen derer, die man schon längst beherrscht und trotzdem wiederholen soll. Da muss man zusätzlich etwas Eigeninitiative zeigen. Deswegen bietet Babbel seit knapp einem Jahr die Möglichkeit, ungeliebte Vokabeln im Wiederholungsmanager zu markieren und zusätzlich in Listen anzulegen. Perfekt wäre es, das an Ort und Stelle erledigen zu können und direkt in Lektionen damit anzufangen. Aber vielleicht passiert das ja eines Tages. Babbel arbeitet beständig an seinem Repertoire und arbeitet regelmäßig Neuerungen ein.

    Selbst angelegte Vokabellisten gehören zu den Neuerungen bei Babbel.

    Kosten

    Das alles hat natürlich seinen Preis. Babbel bietet abhängig von Dauer und Umfang des Abos verschiedene Preismodelle an, die quartalsmäßig, halbjährlich oder alle zwei Monate abgebucht werden. Für ein Jahresabo in einer Sprache zahlte ich vor sechs Jahren knapp 4€ im Monat. Für das Hinzubuchen einer zweiten Sprache wurden es ein paar Monate später 6. Ich persönlich bin über Jahre mit dem All-inclusive Abo am besten gefahren, das Abonnenten sporadisch von Babbel angeboten wird. Für jährlich 80€ hat man unbegrenzt Zugang zu sämtlichen der 13 Sprachen und Übungen. Das ist auf die Menge der Möglichkeiten gerechnet sehr fair. Wer weiß, dass er mehr als zwei Jahre an einer oder mehreren Sprachen gleichzeitig bleiben wird, sollte zusätzlich Ende November die Augen offenhalten. Dort bietet Babbel um den Black Friday herum regelmäßig eine Lifetime-Lizenz an. Einmal 160€ gezahlt, hat man lebenslang Zugang auf alles, was Babbel zu bieten hat. Das Geld hat man nach zwei Jahren Babbel wieder drin.

    Effekt

    So hat man mit Babbel die perfekte Basis um loszulegen und seine ersten und weiteren Schritte zu machen, richtig? Jein, denn die App stößt mit dem Fokus auf pure Wissensvermittlung irgendwo an ihre Grenzen. Jahrelanges Wörterlernen und Grammatikpauken ist schön und gut. Was aber über Jahre fehlte, war eine tatsächliche Möglichkeit das Gelernte auch in gesprochener Weise anzuwenden. Ich hatte in den ersten Jahren Babbel immer das groteske Erlebnis, dank ständiger Wiederholungen von Wortschatz und Grammatik echt gut im Erinnern von Wörtern zu sein. Aber wer mich auf Spanisch oder Italienisch auf der Straße ansprach, versetzte mich in Schockstarre. Auch mit den Spanischkollegen in der Schule stockte jede Konversation, die über einfache Sätze hinausging. Die berühmte Babbel-Methode, mit der man laut Werbung schon nach Wochen seine ersten Sätze sprechen konnte, schlug bei mir fehl. Babbel hat dieses Manko mittlerweile eingesehen und in die App Babbel Live integriert: Ein ausgewieftes Tutoring System mit ausgebildeten Native Speakern, die mit gelehrigen Usern in maximal Sechsergruppen in Fernunterricht Sprachunterricht durchführen. Das kostet allerdings extra. Und zwar nicht wenig. Ohne Rabatt muss man für ein Jahresabo im Schnitt 50€ berappen. Ohne irgendwelche Vergünstigungen sind es fast 500€ im Jahr. Gemessen an dem, was ein echter Sprachkurs kostet, ist das vermutlich noch ein moderates Preisangebot. Aber online geht sowas bestimmt günstiger…

    Aufbau 🗣️🗣️🗣️🗣️🗣️
    Größe 🗣️🗣️🗣️🗣️🗣️
    Motivation 🗣️🗣️🗣️🗣️
    Kosten 🗣️🗣️🗣️🗣️
    Effekt 🗣️🗣️🗣️🗣️

     

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    4.7
  • Allgemeines,  Alltag

    Umzug!

    (für Teil 1 hier lesen) … und dann kommt plötzlich ein Schubs von der Seite, ganz unvermittelt aus dem Nichts. Und dann geht alles ganz schnell: Alte Wohnung gekündigt, Kisten geordert, Vertrag unterschrieben, Leute zum Umzug akquiriert, Wohnung ausgemistet, Zeug inseriert, Zeug verkauft, Zeug verschenkt, Zeug weggeworfen, Transporter gemietet, Zeug eingepackt, Küche gekauft, Farben besorgt, alte Wohnung geweißelt, Transporter beladen, den alten Nachbarn Lebewohl gesagt, umgezogen, umgemeldet. Zack. Bumm. Naja… nicht ganz. Das Bumm hat in Wirklichkeit dann doch drei Monate gedauert. Doch im laufenden Schuljahr spürt man davon nichts. Man ist ständig unter Strom: Permantentes Pendeln zwischen der neuen und der alten Wohnung. Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Zwischen Heimat und terra incognita. Zwischen Chaos und noch mehr Chaos. Aber nun bin ich hier. Alles durch – in einem  Sauseschritt, der mir die kompletten Osterferien geraubt hat. Für Wehmut war da keine Zeit. Ganz anders als beim letzten Mal vor acht Jahren, als ich in meine vorige Wohnung gezogen war.

    Alles neu

    Ich fühle ich mich pudelwohl im neuen Zuhause und bin richtig glücklich. Denn ich lebe jüngst in einer Gegend, die ich als potentiellen Wohnort schon vor Jahren komplett aufgegeben hatte. Ich hatte mich eigentlich  schon im Speckgürtel Münchens wohnen sehen, weil die Preise in der Stadt so durch die Decke gegangen sind. Aber es gibt Glücksfälle. Und Vermieter, denen Profit nachrangig ist, und die stattdessen mehr Wert auf eine beständige und gute Nachbarschaft legen. Und so einen habe ich. Bzw. so einE. Sie stand am Tag nach dem Umzug mit einem Laib Brot und Salz vor der Wohnungstür. Zum Einstand. Das gehört sich einfach, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln.

    Und recht hat sie. Das gehört sich so… Aber wer macht denn so etwas heutzutage noch? Noch dazu in der Stadt?

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    4.5