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Nachtschicht

Es ist mittlerweile 4.20 Uhr morgens. Ich kann nicht schlafen. Mal wieder. In den Tagen vor Schulbeginn kreisen bei mir immer wieder die Gedanken um die nächsten Wochen. Und dann geht das Gedankenkarussel los. Und es wird immer schneller. Und hält mich wach. Nichts dagegen hilft. Atemübungen, etwas trinken. Schäfchen zählen, ein Buch lesen. Irgendwann greife ich wieder zum Smartphone. Allgemein die Bakrotterklärung an sämtliche Einschlafroutinen.
Eine kleine hilfesuchende Nachricht in Bluesky um 4.35 Uhr wird tatsächlich innerhalb von ein paar Minuten beantwortet. Und zwar von niemand Geringerem als Jan-Martin Klinge. Auch er ist in diesen frühen Stunden eine Nachteule. Allerdings aus deutlich freieren Stücken als ich. Wir kommen ins Gespräch. Wie immer sehr nett. Man kennt sich ja auch immerhin seit fast 13 Jahren gemeinsamer Blogkarriere. Und genau um die geht es in den nächsten Minuten.
Wir beide sind gerade ein bisschen am Hadern. Bloggen ist spannend, aber auch zeitintensiv. Und für uns mittlerweile fast schon Routine. Dazu kommt der Zahn der Zeit. Blogs werden zunehmend als langsames Medium angesehen. Viel hat sich in die sozialen Medien verlagert. Seit dem Ende des Twitterlehrerzimmers ist diese Fragmentierung noch schlimmer geworden. Das merkt man auch an den Besucherzahlen der Blogs. Und irgendwann stellen wir uns die Frage: Weiter bloggen oder nicht? Jan-Martin fällt während unseres Gesprächs eine Entscheidung und verfasst auf Halbtagsblog.de seinen vorerst letzten Artikel. Ich schreibe mir im Anschluss einen Text zu einem der Gedanken, der mich die komplette Nacht wach gehalten hat. Nicht nur in den Blog, sondern von der Seele. Und kann im Anschluss endlich schlafen. Der Blog bringt mir also noch was.
Nämlich Seelenfrieden.
Ich kann noch nicht gehen.
Hast du eine Meinung dazu? Dann hinterlasse einen Kommentar oder eine Wertung.
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18 Comments

  • Arne

    Hatte nie nennenswerte Nutzerzahlen und habe immer eher für mich geschrieben. (Auch eine kleine Lüge in die eigene Tasche, wenn man ein offenes Blog betreibt, aber so what.)
    Ich mag ja eben das Langsame daran! All die Gedankenfetzen und Meinungsbröckchen auf den anderen Kanälen empfinde ich als mindestens überflüssig und banal, bei Blogs gehe ich davon aus, dass die Autorin oder der Autor mehr als einen Gedanken in jeden Absatz gesteckt hat. Und diesen zu folgen, bedeutet für mich, dabei eigene zu entwickeln. Ein Beispiel ist Frank, der mit „Schulgedanken“ gerade wieder loslegt, und mir persönlich tolle Impulse liefert.
    Wer auf Nutzerzahlen (oder gar Likes) abzielt, wird Blogs heutzutage aus ökonomischer Sicht tatsächlich für nicht mehr gewinnbringend ansehen, diese Zeit ist wohl vorbei. Aber ich halte mich in dieser Nische des Internets nach wie vor gerne auf – und treffe so auf Nachtgedanken schlafloser Lateiner. 😉

      • Susanne Posselt

        Echt jetzt? Jan-Martin hört auf zu bloggen? Was soll ich denn jetzt lesen???

        Wir hatten ja im vergangenen Jahr übers Schreiben gebloggt und Jan-Martin hatte hier schon seine Zweifel geäußert: https://halbtagsblog.de/2024/05/02/blogparade-5-und-lehrertreffen-twitter-bluesky-mastodon/
        Jan-Martin, wie schade, dass du es jetzt wirklich aufgeben willst. Für mich bist und bleibst du mein großes Blogger-Vorbild. (siehe hier: https://susanneposselt.de/ueber-bildung-schreiben/)

        Ich für meinen Teil werde den Blog weiter pflegen. Ich mag das Langsame. Für mich ist es tatsächlich eher eine Art Tagebuch, wo ich öffentlich Gedanken äußere, die ich der Welt zugänglich machen will. Ich lasse mich dabei auch nicht unter Druck setzen von irgendwelchen Nutzerzahlen oder Zeitplänen. Ich genieße es, meinen eigenen Kanal zu pflegen und die Deutungshoheit und Kontrolle über meine eigenen Beiträge zu haben. Wer weiß, wozu das noch nützlich sein könnte?

        Es grüßt herzlich

        Susanne

        • herrmess

          Wenn ich sehe, wieviele Kommentare allein zu diesem Post wieder eintrudeln, macht es wieder großen Spaß 🙂
          Jan-Martin legt ja nur eine Pause ein. Das kann ja auch bald wieder anders werden. Ich kann ihn gut verstehen, wenn man viele andere Baustellen hat, auf denen man sich kreativ ausleben kann, kommt irgendwann das Zeitproblem. Und dann muss man irgendwas opfern, um nicht in einem Zeitkorsett gefangen zu bleiben.

      • herrmess

        Du hast schon Recht. Entschleunigung tut gut. Vor allem aktuell. Ich trau mich schon gar nicht mehr, online In den Netzwerken Nachrichten zu lesen

    • herrmess

      Oh, Danke schön! Ich weiß es ja auch zu schätzen. Vielleicht gerade auch wieder dieser Tage, wo nach der Zuckerberg-Ankündigung wieder die nächste Welle an Leuten das soziale Netzwerk wechselt. Bei einem Blog bliebt man immer Herr bzw. Frau der Lage und ist unabhängig von allen Widrigkeiten der Social Media.

  • Herr Rau

    Dass das “1×1 des 1:1” so eine Hintergrundgeschiche hat, hätte ich ja nie gedacht! Gut schlafen ist wichtig. Ich schlafe vor einem Schulanfang auch immer unruhig, diesmal besonders, weil ich mich unsicher fühlte; ich habe noch immer nicht, oder nicht mehr, das wechselt immer wieder mal, bei allen Klassen Routine oder das Gefühl, dass es rund läuft. Andere Sachen halten mich selten wach, und selbst so muss ich mich nie wälzen, Glück gehabt.

    Benutzerzahlen verfolge ich seit vielen Jahren gar nicht mehr. Die waren vor Social Media noch interessant, vielleicht auch, weil Jugendzeit des Blogs und meine; inzwischen sind sie zwar relevanter, weil es für viele Besuche auf einer Seite über die VG Wort Geld geben könnte, aber das sind nur wenige, und nur bei ein, zwei Beiträgen im Jahr denke ich überhaupt daran, einen Zählpixel zu diesem Zweck einzubauen.

    Meistens schreibe ich für mich, aus Mitteilungsdrang, aber wenn ich nach acht Tagen nichts gebloggt hat, fühle ich mich verpflichtet. Manchmal kommen zwei, drei, vier Ideen auf einmal und werden aufgeschrieben, davon zehre ich dann dazwischen. Oft schreibe ich für mich, weil ich das festhalten möchte (und dafür schon auch gelobt werden möchte, allerdings gebe ich mich nicht dem Glauben hin, dass diese Themen irgendjemanden groß interessieren); gelegentlich auch, weil ich glaube, dass das für andere interessant ist. Ich will natürlich auch ein Publikum, oder eher: Reaktionen, notfalls halt auf Mastodon, lieber im Blog. Social Media ist jedenfalls keine Alternative für mich, das ist mir zu unverbindlich, zu flüchtig und zu wenig ausführlich – für diese Zwecke.

    • herrmess

      Diesen Zwang etwas nach einer gewissen Zeit zu schreiben kenne ich. Ist irgendwie ein komisches Gefühl. In dem Moment, wo ich mich dann von so etwas fremdbestimmt fühle, fühlt sich das Bloggen wie ein Zwang ein. Sowas nervt mich. Aber hinterher habe ich dann schon immer das Gefühl, es von der Seele zu haben. Und solange es mir am Ende des Tages Seelenheil bringt, passt es noch für mich.
      Und danke für die wirklich sehr ausführlichen Kommentare immer :-*

  • southpark

    Juli Zeh sagte mal sinngemäß in einem Interview: alles was sie aufschreibt, ist aus ihrem Kopf raus. Und ich glaube, das ist mein Hauptgrund zu bloggen. Gedanke und inneres Bild ist abgelekt, muss ich nicht weiter drüber nachdenken.

    Das Zeitproblem kenne ich. Deshalb beschränke ich mich auf drei Posts die Woche und mache aktuell nur Tagebuchblog – einfach weil ich mir da weder ein Konzept überlegen muss und mir all’ die Strukturierungsarbeit spare.

    Und warum nicht Tagebuch? Ich finde es wichtig, die Infrastruktur der langsamen Internet-Medien am Leben zu halten, und ich weiß, dass es regelmäßige Leser*innen gibt. Ich weiß auch, dass es mir leichter fällt, von irgendwo aus dem Internet mal alle Posts nachzulesen, als das eine Tagebuch auszubuddeln.

    Wie viele es sind, fände ich prinzipiell spannend. Aber ich weiß auch, dass mein DSGVO-konformes Mini-Statistiktool eh nicht sauber zwischen Menschen und Bots unterscheiden kann – also hab ich eh nicht wirklich Ahnung wie viele lesen.

    Also: Schreiben für mich selbst. Veröffentlichen für die handvoll Leser*innen von denen ich weiß.

    • herrmess

      Drei Posts pro Woche finde ich ganz schön ordentlich! In dem Moment, wo man das aber STATT Social Media erledigt und nicht noch währenddessen, ist es aber zeitlich wohl machbar. Die Zeitachse des Blogs finde ich tatsächlich auch interessant, wenn ich das noch viele Jahre durchhalte. Die ersten Posts sind bei mir ja von 2013, da war ich gerade erst ein paar Jahre im Dienstgeschäft. Diese Posts lesen sich echt schon wie von einem anderen Planeten.

  • Ulrich Nagel

    Ein schöner bemerkenswerter Titel. Nachtschicht fahren sicherlich viele Lehrer. Das erinnert mich an meine ersten Jahre als Quereinsteiger und Dozent, der von Stunde 0 an einer Ingenieurschule unterrichtet hat. Schlaflose Nächte und Albträume, dass nach 10 Minuten kein einziger Student mehr im Vorlesungsraum ist.
    Bin froh, dass dies nicht eingetreten ist. Evtl sind Studis einfacher zu händeln als Schüler. Ich hatte meinen eigenen praktischen Stil, den ich auch nicht nach dem Studium aufgegeben habe.
    Ich fühle mit den Refs, die beauftragt sind, ihr Theorie-Studium anzuwenden.
    Didaktik habe ich von Anfang an abgelehnt u meine eigene entwickelt.
    Konsequenz: 1 Versetzung u dann Kündigung. Heute lehre ich in meiner Schülerhilfe (keine Nachhilfe!) in Monaten Jahresinhalte des Bildungsplanes.

    • herrmess

      War bestimmt nicht einfach. Umso besser, dass du jetzt deinen Weg gemacht hast… und das offensichtlich sehr erfolgreich

  • Stefan Albring

    Ich las Jan-Martins Blog gern, ich lese deinen gern. Ich mag – wie viele andere hier auch – die vermeintliche Langsamkeit der Blogs, aber auch ihre Strukturiertheit und ihr “Gestaltetsein”: Struktur und Aussehen sagen ja auch etwas über den Bloggenden, man kann da auch Entwicklungen oder Leitthemen nachvollziehen. Das geht – aus meiner Sicht – in den schnelleren Netzwerken so nicht. Da wird viel Nützliches weggespült und viel wenig Nützliches hervorgespült. Ich finde das ineffektiv (und ich bin Ende dreißig, also müsste ich mich wahrscheinlich mehr dort tummeln).

    Vor diesem Hintergrund halte ich Blogs auch gerade für einen Weg aus der Fragmentierung heraus, weil sie feste, strukturierte Anlaufpunkte sind und die Beiträge wie Querverweise (vom Bloggenden) kuratiert sind. Social Media ist aus meiner Sicht selbst unter der Annahme eines Fortbestands konkreter Netzwerke maximal fragmentiert. Insofern: Danke fürs Weiterbloggen!

    • herrmess

      Unter diesem Aspekt hast du natürlich absolut recht! Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sich das für Leute anfühlt, die sich jahrelang auf Twitter etwas aufgebaut haben, dann im Zuge des Musk-Desasters auf Instagram oder Threads gewandert sind – und jetzt eigentlich wieder aus denselben moralischen Gründen wieder vor der Wahl stehen, auch diese Plattformen aufgrund der wegfallenden Moderationsinstrumentarien zu verlassen. Ein Blog ist in dieser Hinsicht einfach ein Fels in der Brandung. Diesem Durcheinander ist er komplett entrückt.

  • Anonym

    Salvete omnes!
    Danke an alle, die bloggen, danke an alle, die die Zeilen lesen!
    Es ist nicht nur die Langsamkeit- es sind oft so tolle Ideen, Perspektiven. Selbst wenn man selbst manches anders macht oder auch strukturbedingt anders machen muss. Mir geht es gerade auch oft so, dass ich mich beim Lesen vieler Blogs endlich mal verstanden fühle, weil jemand schafft zu artikulieren, was in mir arbeitet- und mich mit meinen Ideen nicht abstempelt oder abwürgt. Ich fühle mich mit meinen Problemen und Anliegen und Ideen im Lehrerzimmer oft alleine und als Einzelkämpfer- und was passiert, wenn man zu viel schlucken muss und oder keine unzureichende Unterstützung bei seinen Ideen, Baustellen, Fragen etc. bekommt, habe ich nun die Tage gesehen:
    Mich hat die Schule buchstäblich halb umgebracht- und bin jetzt nach Krankenhaus und Tatütata gerade entschleunigt (?), ausgebremst (?) gerettet (?) zu Hause und krankgeschrieben. Hätte nicht gedacht, dass es mal so weit kommt. Aber inzwischen bin ich meinem Körper dankbar, hat er mir so doch sehr geholfen damit.
    Drum bloggt bitte weiter- es ist eine Unterstützung, wenn ich sie schon von Schulleitung und zu wenig Kollegen viel zu selten bekomme.
    Danke an euch alle, liebe KuK!

    • herrmess

      Vielen Dank für die lieben Worte! ❤❤ Und weiterhin gute Genesung! Zum Glück ist das Thema Lehrergesundheit in der Blogparade gerade der Titel des nächsten Beitrags 😉

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