• Allgemeines,  Alltag

    Von Vorsätzen

    Ich kann mich überhaupt nicht dran erinnern, jemals einen Blogartikel zum Thema Neujahresvorsätzen gemacht zu haben (ich bin aktuell auch ehrlich gesagt zu faul um nachzusehen). Aber warum eigentlich nicht? Hat ja auch sein Gutes sowas mal zu machen. So kann man regelmäßig im Jahresverlauf nachschauen, was man 2023 eigentlich vor hatte… und nicht eingehalten hat. Na dann wollen wir mal die Liste eröffnen mit Vorsätzen für das jüngst angebrochene Jahr…

    Mehr…

    • Konsequenz. Beim Sport zum Beispiel. Ich gehe seit dem Referendariat zu regelmäßigen Zeiten in den Sport. Aber seit Corona und der Schließung der Fitnessstudios ist da ein gewisser Schlendrian reingekommen. Zu Stresszeiten ging ich letztes Jahr oft überhaupt nicht mehr. Und das, wo man Sport und Zerstreuung am meisten bräuchte.
    • Fokussierung. Ich geb’s zu. Ich habe Anwandlungen eines Jack of all trades. Vieles interessiert mich gleichermaßen. Und so jongliere ich mit vielem parallel ohne einen echten Fokus setzen zu können. Das sieht man alleine schon einmal bei einem Blick auf mein Handy. Vor allem im Ordner zu den social media. Nichts als Apps für soziale Netzwerke, alle für eine andere Bubble mit einem anderen Fokus. Das muss anders werden.
    Nichts als soziale Netzwerke
    Nichts als soziale Netzwerke
    • Ruhe. Die letzten zwei Jahre waren beruflich immer ein ziemliches Auf und Ab. Umso wichtiger, dass jetzt mal endlich nach dem Umzug bei uns auch nun in der Schullandschaft Ruhe einkehrt. Aktiv kann ich das natürlich nicht herbeiführen. Dafür im Privaten umso mehr. Was ich beispielsweise total vernachlässige seit Jahren ist Lesen. Ich habe schlichtweg nicht die Zeit oder die Muße dafür. Vor dem Schlafengehen einfach mal was zur Entspannung zu lesen, gibt es nicht bei mir. Stattdessen hänge ich in Tutorials, in Fachliteratur, in sozialen Medien. Alles nicht gut. Ich weiß. Ich staune da immer wieder, wenn ich mir ansehe, was für Stapel Kollegen wie Herr Rau über das Jahr so weglesen. Ich wüsste gar nicht, wo ich die Zeit dazu hernehmen sollte. Aber vielleicht muss ich mir die einfach nehmen.
    • Arzt. Die Zeiten der Zipperlein sind bei mir angebrochen. Nix Großartiges. Ein Carpal-Tunnel-Syndrom an meinem linken Handgelenk. Seit zehn Jahren eine massive Verspannung am linken Rhomboiden und seit letzten November nun bei manchen ruckartigen Bewegungen ein komisches Ziehen (kein Stecken) irgendwo im Schulterbereich. Natürlich auch links. Dreimal dürft ihr raten, ob ich Links- oder Rechtshänder bin. Wegen des einen oder anderen war ich schon mehrmals beim Arzt, hatte Massagen, Chiropraktik, Schienen. Aber so richtig hat nichts geholfen. Die Maßnahmen lindern ja nur die Symptome, nicht die Ursache. Und die würde ich gerne mal rausfinden lassen.
    • Investieren. Ich hätte vor zwei Jahren nicht daran gedacht, dass mich dieses Thema in dieser Art mal so umtreiben würde. Aber mit einer Inflation, die im Dezember in Bayern irgendwo bei 10% lag, denkt man dann schon daran, sein hart verdientes Geld irgendwo sinnvoll zu parken. Spätestens wenn dann wie letztes Jahr die Bank an einen herantritt, um einem das Thema Immobilien schmackhaft zu machen, merkt man, dass man für Finanzinstitute interessant geworden ist. Aber in was investieren? Immobilien in München kann im Moment niemand zahlen, solange man nicht von Mami und Papi ein stattliches Erbe auf den Weg mitgegeben bekommen hat. Aktien sind mir viel zu heikel, da auch sattelfeste Pferde ohne Vorwarnung kippen können. ETFs können klappen, aber sind in ihrer Gänze erst auf lange lange Laufzeiten richtig rentabel. Tagesgeld oder Termingeld werfen kaum Prozente ab, aber immerhin gibt es wieder welche. Der Wertminderung durch die Inflation wird das nicht aufhalten. Aber das wird nichts von den oben genannten Dingen. Das Thema wird mich also noch ein bisschen beschäftigen.

    Weniger…

    • Kaffee. Mein Konsum des braunen Goldes hat über die Jahre unheimliche Ausmaße angenommen. An Stresstagen waren es durchaus mal 15 Espressi, die ich konsumiert habe. Daran war auch meine Nespresso-Maschine schuld, die einfach innerhalb von 20 Sekunden einsatzbereit war… bis sie im Dezember dann nach zehn Jahren ihren Geist aufgab. Daher habe ich etwas (viel) Geld in die Hand genommen und mir eine Siebträgermaschine und eine Mühle besorgt. Das Zubereiten von Kaffee ist jetzt wirklich eine gewisse meditative Aufgabe, die schon jetzt deutlich entschleunigt und meinen Konsum gut runtergefahren hat. Denn bis alles einsatzbereit ist, heizt die Maschine knapp 15 Minuten vor. Jeder zubereitete Espresso will daher gut überlegt sein. Quick and dirty ist nicht mehr.
    • Überstunden. Klar, Mehrarbeit ist in unserem Beruf nichts Neues. Aber was ich über das übliche Maß hinaus letztes Jahr an der Schule war, alleine um die technischen Löcher an unserer Baustelle zu stopfen, ist kaum zu beziffern. Jetzt zum Jahresbeginn habe ich alles Menschenmögliche getan, um die Defizite in der Technik am Standort auszumerzen. Alles, was jetzt immer noch nicht geht, ist Problem der Stadt München. Und nicht meins. Das sollte ich mir tatsächlich als Spruch übers Bett hängen.
    • Zeug. Wer in einer Stadt wie München wohnt, weiß, dass Platz ein Luxus ist. Umso wichtiger sich regelmäßig von Plunder zu trennen, den man nicht mehr braucht. Letztes Jahr begann ich mit dem Verkauf von alten Video- und PC-Spielen aus meiner Jugend, die mit mir seit 20 Jahren immer umziehen. Das war finanziell deutlich rentabler als ich gedacht habe, sodass ich dieses Jahr weiter ausdünnen möchte.

    Wie sieht’s bei euch aus? Irgendwelche Vorsätze für 2023?

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  • Allgemeines,  Alltag,  blog

    Jahresrückblick: Es bleibt alles anders

    Kein Blog ohne Jahresrückblick 😎 Aber eine detaillierte Darstellung erspare ich mir dieses Jahr. Denn Zeit ist für uns definitiv eine Komponente geworden, die rar ist. Zumindest bei mir. Ebenso wie das Thema Sicherheit und Routine. Vieles, was wir als gesetzt akzeptiert haben, wurde 2022 gänzlich auf den Kopf gestellt. Ein Krieg in Europa, explodierende Kosten für Gas, für Öl, für Elektrizität. Für Benzin. Für Lebensmittel. Eine Inflation auf Rekordhöhe. Und man steht tatenlos daneben und wird von den Ereignissen überrollt. Das weitet sich auch auf das Digitale aus, wo im Laufe des Jahres altbekannte Strukturen und Plattformen von Grund auf umgekrempelt wurden.

    Zwitscher-Chaos

    Twitter, die Plattform, auf der alles für viele von uns anfing, geriet beispielsweise ordentlich ins Straucheln. Seit Oktober hält die Spirale der Hiobsbotschaften an. Ein CEO, der einen Großteil seiner Mitarbeiter rauswirft, dann wieder einstellt, dann zu horrenden Überstunden verpflichtet, seine Abwahl zur Disposition stellt – das alles hat ein System, das für die meisten von uns aller Unkenrufen zum Trotz gut funktioniert hat, in Rekordzeit nachhaltig zerstört. Eine Neuorientierung fällt vielen immer noch schwer. Auch mir. Ich schaue immer wieder aus Gewohnheit bei Twitter vorbei. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Und Mastodon ist kein Twitter. Und so hüpfe ich ratlos zwischen zwei Plattformen hin und her, die mich beide in ihrer jetzigen Form nicht zufrieden stellen…

    An elephant in the room

    In dem Durcheinander habe ich gänzlich verpasst, dass auch bei Evernote was im Busch ist. Die Plattform, mit der ich seit Bestehen des Blogs konsequent meinen Unterricht bestreite, hat den Besitzer gewechselt und ist ab Januar das Schätzchen von Bending Spoons, die sich auf mobilen Plattformen auf Monetarisierungsmethoden ihrer Programme versteht. Zwar wurde vom neuen Besitzer erklärt, dass sich alles zum Vorteil der Nutzenden ändern wird. Aber solche Versprechen kennt man ja. Und plötzlich sind völlig abstruse Neuerungen da, die Bezahlmethode auf das Doppelte erhöht, und die Leute in Scharen abgesprungen. Sollte der Dienst dann seine Schotten dicht machen, bin ich aufgeschmissen. Über Evernote läuft bei mir alles. Selbst die Dienste des Programmes, über die gerne gelästert wird (Widgets oder die Startansicht), sind bei mir fest in den Arbeitsablauf integriert und funktionieren für mich prima. Klar gäbe es Alterativen. Aber keine funktioniert für mich und meinen Workflow so wie Evernote und würde sich echt wie ein deutlicher Rückschritt anfühlen. Wo geht’s dann weiter? OneNote? DevonThink? Ganz was anderes?

    (K)ein Fels in der Brandung

    Selbst auf meinem Blog, der in all den Jahren meine Konstante darstellte, habe ich dieses Jahr mehrmals die Augenbraue hochgezogen. Einige meiner Artikel gingen zahlenmäßig total durch die Decke. Andere blieben wie Blei in den Leseregalen liegen. Aus welchen Gründen, kann ich nicht nachvollziehen. Meine Top 3 – Beiträge sind völlig unterschiedlich. Einer davon ist mein Testbericht zu Squid, den ich schon vor Jahren verfasst habe, aber ständig gelesen wird. Die anderen sind Rants – einmal über Lehrerdienstgeräte und dann über das letzte chaotische Schuljahr. Wäre Bloggen jetzt meine Haupteinnahmequelle müsste ich jetzt aus solchen Zahlen Analysen ziehen. Zum Beispiel, dass schlechte Stimmung im Netz gut Quote macht. Oder ob ich Besucherzahlen mit Suchmaschinenoptimierung vergrößern möchte. Oder wann ich in der Woche meine Blogartikel am Besten platziere, um möglichst viele Leute zu erreichen. Aber zum Glück ist das nicht mein Beruf. Mein Blog hat nach wie vor eine süße Reichweite. Aber auch nicht mehr. Ich mache, was ich für richtig halte und freue mich, wenn es angenommen wird. Und wenn nicht, dann ist das schade. Aber zum Glück auch nicht mehr. Meine Rechnungen werde ich trotzdem bezahlen können.

    Ich wünschte, ich könnte die anderen Baustellen des Jahres mit einem ähnlichen Schulterzucken abtun. Vielleicht lerne ich das 2023.

    Bis dahin rutscht mal gut!

     

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  • Allgemeines,  Alltag,  Technik

    In the works

    Ist ganz schön was los hier. Die Masto-Exodus ist in vollem Gange, seitdem auf Twitter eine Hiobsbotschaft nach der anderen eingeht. Mittlerweile sprechen einige davon, dass die Plattform innerhalb der laufenden Woche darnieder liegt. Irre, wie jemand es schafft ein Netzwerk, das mehr als eine Dekade echt gut lief und sich gut behaupten konnte,  mit fragwürdigen Entscheidungen in kürzester Zeit völlig kaputt zu sanieren, dass es bald regungslos am Boden liegt. Und die Geschwindigkeit, mit der die Leute aktuell die Plattform verlassen, ist echt unheimlich. Das sieht man auch im Twitterlehrerzimmer.

    Sag zum Abschied medienwirksam “servus”

    Die Abschiedstweets häufen sich, die Mastodon-Accounts werden gepostet, damit man sich auf der anderen Seite schnell wieder findet. Andere bleiben enttäuscht und allein auf Twitter zurück. Den einen ist Mastodon zu kompliziert, zu unsicher, zu langsam, zu nischig. Den anderen ist Twitter zu voll geworden, zu unübersichtlich, zu böse… oder auch zu langweilig. Ein paar Abgesänge, mit denen sich Leute von ihren Followern verabschieden, lesen sich ganz schön hart und lassen das Gefühl aufkommen, dass man da die letzten Jahre nur aus Bequemlichkeit ausgehalten hat. Ich persönlich tu mir mit dem Abschied ziemlich schwer. Twitter ist und war Dreh- und Angelpunkt von allem. Hier wurden Grundsteine gelegt für Tätigkeiten im Lehrberuf, die so gar nicht möglich gewesen wären. Kein Netzwerk hat bei mir mehr Stunden online geschluckt. Nirgendwo sonst wurde offtopic so viel rumgeblödelt. Aber ich ließ es gerne geschehen. Denn die Balance zwischen Sinnlosig- und Sinnhaftigkeit blieb immer bestehen. Natürlich lässt sich das alles auf Mastodon wieder herstellen. Aber das braucht Zeit. Und ob ich die aktuell investieren will, ist die Frage. So ist Mastodon im Moment aufs Wesentliche beschränkt und dreht sich ausschließlich um Bildung und Schule. Und Twitter ist das große Hintergrundrauschen mit all den süßen Verlockungen. Eventuell wird dieser Doppelspagat irgendwann so aufs Stundenkonto schlagen, dass man wirklich eine der Plattformen abstellen muss. Man will ja nicht ständig vor dem Smartphone sitzen (… und tut es ja dann doch).

    Mein Fels in der Brandung

    Bei so viel Unbeständigkeit ist mein Blog mir dann doch sehr lieb. Der bleibt einfach ein Fels in der Brandung. Auch wenn der auch mal wieder ein kleines Facelifting braucht. Ein Anfang ist schon mal gemacht: Nach neun Jahren der Existenz hat er jetzt endlich mal Social Media Buttons bekommen sowie ein kleines Namensbanner, damit die Leute auch wissen, auf wessen Seite sie sich gerade rumtreiben. Allerdings bin ich noch nicht ganz glücklich damit. Vermutlich muss der Apollo früher oder später aus dem Banner weichen. Aber das entscheide ich selbst zu gegebener Zeit. Im Gegensatz zu Mr Musk lass ich mir für meine Entscheidungen nämlich Zeit.

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  • Allgemeines,  Alltag

    Herbstferien

    Die Herbstferien in Bayern sind vorbei. Wie immer haben wir Ende Oktober eine Woche Zeit durchzuschnaufen, bevor es im November wieder Richtung Jahresende weitergeht. Die wenigen Tage zur Erholung sollen weise genutzt werden, damit sich man vor lauter Aktionismus die Woche nicht so zuklatscht, dass man gar nicht mehr zur Ruhe kommt.

    TOPs

    Nach dem turbulenten Rückumzug in unser neues Gebäude war Durchschnaufen erste Priorität. An zweiter stand dann aber dann doch gleich wieder die Schule mit Ausbildungsgeräten und Korrekturen. An Platz 3 dann das Thema Digitales. Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat bei uns im Twitterlehrerzimmer große Wellen geschlagen. Einige sind zu Mastodon gewechselt. Andere bleiben hartnäckig bis zum Ende – egal wie es ausgeht. Wieder andere so wie ich schauen sich erstmal beides an, bevor sie sich final entscheiden – und schwupps ist man selbst Teil vom Fediversum und hat damit schon wieder einen digitalen Kanal mehr zu bedienen. Sowas versetzt mich immer in einen ganz seltsamen Zwischenzustand von Neugier und Stress.

    Zwei Seelen

    Einerseits wieder mal eine Möglichkeit sich neu zu vernetzen, neue Leute kennenzulernen, Neues zu entdecken. Dann aber wieder das zeitraubende Sondieren: Welches Netzwerk nutze ich wozu? Poste ich überall dasselbe? Nutze ich die Netzwerke gezielt für unterschiedliche Zwecke? Oder werf ich eins raus? Und wieviel von meiner Zeit kann ich in die Gestaltung investieren? Wie ist denn da euer Vorgehen? Läuft da bei euch derselbe Film ab? Oder seht ihr das gelassener? Um ein paar Kommentare wäre ich sehr dankbar. So wie auf Twitter.

    Um mich auch selbst zu besinnen und mir einen Überblick zu verschaffen, was ich digital so alles auf dem Kerbholz habe, habe ich mir mal eine Landing Page bei linktr.ee angelegt, die man immer wieder bei Instagram sieht. Schnell gemacht, sieht schick aus und nützt mir und der geneigten Leserschaft.

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  • Allgemeines,  Pädagogik,  Unterricht

    Man lernt nie aus

    Das neue Schuljahr hat neben dem Anfangsärger auch eine bunte Tüte von Neuerungen im Gepäck: Mit einem etwas größeren Stundendeputat beim ISB diversifiziert sich mein Tätigungsfeld ein bisschen mehr, sodass ich einmal die Woche der alma mater fernbleibe, um big daddy bei der Arbeit zu unterstützen. Die Abwechslung bringt spürbar Wind in den Wochenablauf. Und das mag ich. In der Schule selbst habe ich bis auf wenige Ausnahmen viele Kurse und Klassen, mit denen ich in den Vorjahren gearbeitet habe. Die Wiedersehensfreude ist groß: Aus den Mittelstüflern, die man noch vor ein paar Jahren anschieben (vorischtig formuliert) musste, sind motivierte Kollegiaten geworden, die sich voller Tatendrang ins Abenteuer Oberstufe stürzen und meinen Kurs in Englisch besuchen. Dort fühle ich mich sehr wohl. Und auch sicher: Die Themen sind vorgegeben, die Highlights von mir über Jahre erprobt und für gut befunden. Ich weiß, welche Video Comprehension super zieht, welchen Text ich im Buch lieber auslasse, oder an welchen Stellen ich neues Material nachschießen muss, weil das Englischbuch beispielsweise das Thema Brexit überhaupt nicht kennt. Das Ziel ist ebenso klar wie die Meilensteine dorthin.

    Ganz anders sieht das bei zwei anderen Kursen aus, zu denen ich dieses Jahr gekommen bin. Zum ersten Mal habe ich einen Konversationskurs in der Oberstufe sowie einen Brückenkurs in der fünften Klasse in Englisch. Zum ersten Mal an unserer Schule überhaupt. Auch hier ist bei beiden Kursen das Ziel klar: Verbessere die Sprechfertigkeiten bei den Großen. Rette das Grundschulenglisch in die sechste Klasse bei den Kleinen. Aber wie? Das darf ich mir selbst überlegen. Und das ist gar nicht so einfach. Natürlich hat man vieles über die Jahre ausprobiert und verfügt über ein entsprechendes Repertoire, auf das man zurückgreifen kann. Aber wenn ein Kurs sich wirklich nur auf einen einzigen Aspekt konzentriert, den man sonst als Teil einer Progression in den Unterricht eingebaut hat, muss man schon ein bisschen umdenken.

    In beiden Kursen ändere ich daher meine persönlichen Highlights ein bisschen auf die neue Zielsetzung ab und probiere aus. Mit unterschiedlichem Erfolg. Der Konversationskurs ist Bombe. Die Lerngruppe ist motiviert und nimmt alles begeistert auf. Wir werfen uns in abstrusen Rollenspielen in die seltsamsten Settings, erstellen mit Dokukamera und Smartphones improvisierte Fakenews, reflektieren in Zumpad und Mentimeter unsere Defizite und Schwierigkeiten beim Reden und erarbeiten Kompensationsstrategien, um für die nächste ungewollte Sprechpause gewappnet zu sein.

    Ganz anders ist das beim Brückenkurs in der fünften Klasse. Da meinte ich einfach meine Einstiegsstunde recyclen zu können, mit denen ich immer in der Sechsten beginne: Da lasse ich die Kinder immer die Wichtigkeit von Englisch erfahren, indem wir gemeinsam auf einer Karte die Länder einfärben, in welchen Deutsch gesprochen wird. Und in welchen Englisch. Anschließend führe ich mit Hilfe von Loriots berühmter Fernsehansagerin an das Problem der englischen Aussprache hin, erarbeite mit ihnen ein paar einfache Ausspracheregeln, übe das mit Hilfe von ersten Vorstellungssätzen ein, und gut ist. Dachte ich. Aber die erste Stunde läuft überhaupt nicht. Man merkt es schon am Beginn: Der Kurs ist schon einmal doppelt so groß wie er sein sollte. Statt der erwarteten 15 Leute stehen auf einmal 31 Kinder in der Tür. Manche finden überhaupt keinen Stuhl und nehmen frustriert auf dem Boden Platz. Geht schon mal gut los. Im weiteren Verlauf wird es nicht besser. Die Aufgabe mit den deutsch- und englischsprachigen Ländern überfordert einen Großteil der Kinder. Ich hatte völlig vergessen, dass die wenigsten je eine Weltkarte vor sich hatten. Erdkunde steht ja erst seit drei Wochen auf dem Stundenplan. Auch der Loriotsketch gerät zum Fiasko und geht völlig an den Kindern vorbei. Die meisten verstehen den Audioton als Hörspiel und versuchen krampfhaft den von Loriot absichtlich völlig abstrus verschachtelten Inhalt der imaginären Serie Die zwei Cousinen nachzuvollziehen anstatt sich einfach an den zahlreichen Aussprachefehlern zu erfreuen. Die anderen finden den Sketch schlichtweg nicht lustig, bedauern stattdessen die arme Fernsehsprecherin, die am Ende in Tränen ausbricht. Ich merke, wie ich nervös werde, weil das alles leider gar nicht ankommt. Und die Kinder werden nervös. Es wird laut. Ich werde laut. Und ich merke, dass die Qual der Wahl oft gar nicht so einfach ist, wie ich dachte. Eine Sechstklass-Stunde in einer Gruppe abzuhalten, die eigentlich noch in der Grundschule ist, erfordert deutlich mehr Reduktion. Und deutlich mehr Aktivität. Aber das pack ich. Wär doch gelacht.

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  • Allgemeines,  Alltag,  Technik,  Unterricht

    Holpriger Start

    Das neue Schuljahr beginnt in Griechenland am Strand. Bei 32 Grad Außentemperatur. In einer Taverne an der Bucht von Paleokatritsa. Die Sekretärin aus der Schule meldet sich verschämt und bittet um Rückruf, weil die Stadt München in der Videokonferenz hängt und sprechen möchte. Es gebe Probleme mit den angeforderten Geräten, mit denen unsere frisch renovierte Schule ausgestattet werden soll. Wir erinnern uns, die Ausstattung war in knapp 30h Onlinekonferenz geplant worden: Lehrerdienstgeräte für alle im Kollegium. Dafür kein einziger PC in Klassenzimmern und Fachräumen. Aus Gründen. Aber die Bestellung ist eine große logistische Angelegenheit. Mehrfach wurden wir darauf hingewiesen, aufgrund der Größe der Bestellung die Deadlines einzuhalten. Haben wir gemacht. Aber dennoch nun den Salat: Die Rechner, die wir in stundenlangen Vorbereitungskonferenzen über Monate mit der Stadt diskutiert und angefordert haben, sind nicht lieferbar. Das erfahren wir zehn Tage vor Schulbeginn. Will heißen: Wir starten aktuell in unserem modernisierten Gebäude mit sage und schreibe 0 PCs ins neue Schuljahr. Von der Stadt hieß es schlicht, wir müssten nun improvisieren. Seufz. Folgende Optionen blieben uns nun:

    Wir warten ab, bis unsere angeforderten Lehrerdienstgeräte eintreffen, und behelfen uns solange mit den Geräten, die ich aus dem alten Standort noch auf Halde haben. Als Liefertermin wurde uns vage der März nächsten Jahres genannt.

    Die Stadt versucht auf eigene Faust Lehrerdienstgeräte, die von anderen Schulen nicht gebraucht oder zurückgegeben wurden, aufzutreiben und uns zur Verfügung zu stellen. Allerdings kann sie hierfür noch keinen Termin nennen, bis wann die für uns erforderliche Menge (knapp 90 Geräte) aufgetrieben ist. Auch hierfür benötigen wir für die Überbrückung Ersatzgeräte.

    Die Stadt bietet uns an, die Schule komplett mit Geräten eines anderen Herstellers auszustatten, die deutlich schneller verfügbar (Oktober) und von der Leistung sogar stärker sind als die ursprünglichen Geräte. Allerdings sind diese aktuell nur als Geräte in der Schule nutzbar. Zu Quasi-Lehrerdienstgeräten für das Arbeiten zuhause könne man sie laut Stadt über Software aufrüsten, das sei aber wohl noch nicht bei Auslieferung Anfang Oktober möglich, würde aber so schnell wie möglich passieren. Bis zur deren Auslieferung müssten wir uns ebenso mit Ersatzgeräten behelfen.

    Weitere Informationen zu den neuen Geräten hätten mir die Mitarbeiter schon auf meine Dienstmail-Adresse geschickt, heißt es. Nur findet sich da nichts. Mein eMail-Postfach ist seit drei Wochen verwaist. Keine einzige Nachricht ist eingegangen. Wie sich später herausstellt, weil vergessen wurde, die Adressen des gesamten Kollegiums auf den neuen Standort umzustellen. Und nicht nur die. Das gesamte pädagogische Netz hängt softwaremäßig am alten Standort. Alle Rechner, alle Drucker, Multifunktionsgeräte. Einfach alles. Der Laie denkt, naja, soll man das Netz einfach per Mausklick auf den neuen Standort ummünzen. Aber falsch gedacht. Wie wir gesagt bekommen, müssen wir für jeden Account das Passwort erneuern. Jeder der Rechner muss neu aufgesetzt werden, jedes Lehrerdienstgerät, jeder Schülerlaptop. Die Geräte müssen vom Field Service alle eingesammelt, gelöscht, neu aufgesetzt werden und werden dann wieder ans Kollegium ausgehändigt.

    Geht schon gut los, das neue Schuljahr. Das eigentlich noch gar nicht begonnen hat.

    Der PC-Raum. Vier Tage vor Schulbeginn.
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  • Allgemeines,  Alltag

    Sommer 1991

    In einem Schrank meines Jugendzimmers fiel mir beim Ausmisten eine kleine Überraschung in die Hände: Eine Kassette, die ich mir ziemlich genau vor 30 Jahren zusammengestellt habe. Das Cover ist verloren gegangen, aber allein die künstlerische Ausgestaltung des Titels lässt erkennen, dass das Ding für mich etwas Besonderes war. Es entstand in den Sommerferien 1991, als ich mit meinem Mini-Kassettenrekorder und einem Cinch-Kabel bewaffnet alles vom Fernsehen aufnahm, was ich im Kinderzimmer mangels eines eigenen TVs nachhören wollte. Und so lausche ich gerade wieder einer verrauschten Titelmusik von Night Rider, der Theme von der Zeichentrick-Serie Karate Kid, den besten Tunes von Super Mario Bros. 3 oder kommentierten Wrestlingmatches von Tele5 – und lasse die Woge der Nostalgie gnadenlos über mich hinwegrollen. Die ganzen Melodien bringen sofort Erinnerungen an diese Sommerferien zurück.

    Ich hab das Spiel immer noch…

    Es sind nur Momentaufnahmen, kleine Schnipsel: Tage im Freibad mit meinem Bruder. Das endlose Anstehen an der Wasserrutsche. Der vertrocknete Rasen unter den Füßen. Der Geruch von billigen Fritösenpommes. Unser Trip nach München, wo ich mir im WOM (World of Music) in der Kaufinger Straße eine LP gekauft habe. Ich entschied mich für den Soundtrack zu Gremlins 2 – und bereute den Kauf. Unser erster Besuch in einer Videothek, um besagten Film auszuleihen  – auch das bereute ich. Tennisspielen mit den Nachbarskindern in der Straße auf einem Feld, das wir mit Straßenkreide gemalt hatten. Regelmäßig Eis für 50 Pfennig in der Dorfgaststätte. Endlose Sessions mit meinem heißgeliebten Gameboy und den Teenage Mutant Ninja (!) Turtles, das ich zum Jahreszeugnis geschenkt bekam und überall dabei hatte. Im Zimmer, im Auto. Unter dem großen Busch im Garten, den wir in Anlehnung an die Turtles mit den Nachbarskindern zum Hauptquartier deklariert hatten und ebenso coole Stirnbänder trugen wie Leonardo, Michelangelo, Raphael und Donatello. Sehr zum Leidwesen unserer Eltern, denn wir hatten dafür kurzerhand sämtliche Gürtel aus deren Bademänteln entwendet. Die damals brandaktuellen Folgen der 3??? (die Musikpiraten/die Automafia) und deren neue Art mit “hippen” 90s-Tunes, Freundinnen, wüsten Schlägereien und Stories, die so langsam gar nicht mehr mein Fall waren. Langeweile, die auch mal sein musste. Grillabende auf der Terrasse. Selbst abgehaltene Bundesjugendspiele mit den Kindern in der Straße. Jeden Tag war etwas los. Und trotzdem hatte man ab September immer das Gefühl, die Tage nicht genug ausgenutzt zu haben.

    Ein besonderes Schmankerl hatte die Kassette am Ende der ersten Seite dann auch noch zu bieten: Zusammen mit meinem Bruder fing ich in dieser Zeit an, die guten alten Telefonstreiche zu veranstalten… und auf Band aufzunehmen. Und so höre ich uns mehr als 30 Jahre später mit quäkenden vorpubertären Kinderstimmchen bei Hinz und Kunz anrufen, irgendeinen Mist erzählen und uns diebisch an der Reaktion der perplexen Empfänger erfreuen. Es ist alles so wunderbar dämlich. Und gleichzeitig so zauberhaft.

    Irre, wie so ein kleiner Kassettenfund sofort so ein Erinnerungsfeuerwerk lostreten kann.

    Eine Truhe voller Erinnerungen
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  • Allgemeines,  Alltag

    Erstes Drittel

    Die ersten beiden Wochen der Sommerferien sind in Bayern vorbei. Und mit Bilderbuchwetter und Temperaturen unter 30 Grad lassen die sich in süddeutschen Breiten hervorragend aushalten. Wenn man gesund ist. Ich selbst bin immer noch mit Regenerieren beschäftigt. Die Erschöpfungszustände kurz vor Ende des Schuljahres waren wohl Vorboten von dem, was da noch so kommen möge. Halsschmerzen, Husten und – da nicht auskuriert, sondern aufgrund des hohen Krankenstandes brav in die Schule gegangen – plötzlich Bronchitis, an der ich bis heute knabbere. Langsam löst sich der ganze Spaß, aber einschränkend ist das Mitte August schon: Sport oder Fitnessstudio kann ich mit Schnüffelnase und Druck auf der Brust vergessen. Aber auch kleine Aktivitäten wie eine Mini-Radtour schlagen mir spürbar auf den Kreislauf. Sowas wäre mir vermutlich vor ein paar Jahren nicht passiert. Es scheint, als würden mit zunehmenden Jahren bei mir kleine Wehwehchen langwieriger. Im Referendariat, in dem ich alle sechs Wochen krank darnieder lag, steckte ich Erkältungen nach zehn Tagen problemlos weg. Heute dauert es doppelt so lang. Oder entwickelt sich zu etwas anderem. Mal Bronchitis, vor drei Jahren eine kurzfristige Fazialisparese. Es wird immer wichtiger auf seinen Körper zu hören. Kuriert euch aus, wenn ihr siech darnieder liegt. Hoher Krankenstand hin oder her! Letztlich dankt es euch niemand. Vor allem nicht die eigene Gesundheit.

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    4.3
  • Allgemeines,  Alltag,  Latein,  Unterricht

    Saxa Monacensia – Latein in München Pasing

    Man muss schon mit offenen Augen durch den Münchner Stadtteil Pasing laufen, um dieses lateinische Zitat auch wirklich zu finden. Aber da hängt es, knapp vier Meter über dem Boden in schimmernden Lettern am hiesigen Rathaus: Ein Überbleibsel des Kunstprojektes Pasing by aus dem Jahr 2015, das schon damals in vielerlei Hinsicht für Ärger gesorgt hat. Insofern ist der Spruch geradezu prophetisch. Hier ist er auch schon:
    Oportet, ut scandala eveniant
    Wer hätte es gedacht? Latein am Pasinger Rathaus…
    Oportet ut scandala eveniant.
    Die Süddeutsche Zeitung übersetzt den Spruch mit “Es muss ja Ärgernis kommen”.

    Dem Ursprung auf der Spur

    Aber was soll das Ganze? Ein Blick ins Neue Testament, dem der Spruch vermeintlich entnommen ist (dazu später mehr), möge helfen. In Matthäus 18 kommen die Jünger zusammen, um Jesus danach zu fragen, wer der Größte im Himmelreich sei. Dessen Antwort fällt klar aus: Die, die wie Kinder sind.
    (18.6) Qui autem scandalizaverit unum de pusillis istis, qui in me credunt, expedit ei, ut suspendatur mola asinaria in collo eius et demergatur in profundum maris (18.7) Vae mundo ab scandalis! Necesse est enim ut veniant scandala. Verumtamen vae homini, per quem scandalum venit. (18.8) Si autem manus tua vel pes tuus scandalizat te abscide eum et proice abs te. Bonum tibi est ad vitam ingredi debilem vel clodum quam duas manus vel duos pedes habentem mitti in ignem aeternum.
    (18.6) Wer sich aber einen dieser Kleinen die an mich glauben, verführt, dem nützt es, dass man ihm einen Mühlstein an den Hals hängt und ihn in der Tiefe der Meeres versenkt. (18.7) Wehe der Welt wegen der Verlockungen! Dass sie kommen, ist nämlich notwendig. Aber wehe dem Menschen, durch den eine (solche) Verlockung passiert. (18.8) Wenn aber deine Hand oder dein Fuß verführt, so schneide sie ab und wirf sie weg von dir! Für dich ist es gut, schwach oder verkrüppelt zum Leben zu schreiten, als im Besitz von zwei Händen oder zwei Füßen ins ewige Feuer geschickt zu werden.
    Man sieht allein an diesen paar Zeilen, wie unangenehm moderne Übersetzungen von lateinischen Texten ins Deutsche sind, wenn man den Kontext nicht kennt. Noch dazu, wenn der lateinische Text per se schon eine Übersetzung aus dem Griechischen ist – und obendrein auch noch griechische Lehnwörter enthält. Das Wörtchen skandalon kann nämlich vom Kontext abhängig in unterschiedlichen Facetten wiedergegeben werden. Laut Gemoll wird der Ausdruck im Neuen Testament gerne moralisch gedeutet und als “Lockung” oder “Lust” übersetzt. In anderen Texten hingegen passt “Falle”, “Anstoß” oder “Ärgernis” besser. Diese Unterscheidung funktioniert hier ganz gut: Im Bibeltext ist der Ausdruck definitiv moralisch gemeint.
    Es geht also um die Verlockung und die Verführung in der Welt, die entweder von sich aus oder durch Menschen geschehen. Letzteres ist vermeidbar und zu verurteilen. Ersteres passiert. Nun gut, aber was hat dieser Spruch am Pasinger Rathaus zu suchen? Dass ein öffentliches Gebäude die Unabdingbarkeit von Verführungen eingesteht, und damit der moralischen Bedeutung von skandalon folgt, die im Bibelvers absolut nachvollziehbar ist, ist fraglich. Sinnvoller scheint da die zweite Bedeutung des Wortes zu sein, das in der Lutherbibel immer gerne mit ergernis übersetzt wird. Insofern passt die Übersetzung “Es gehört sich, dass Aufreger passieren” ganz gut. Denn die entstehen tatsächlich ohne Zutun. Reibungsfläche gibt es mehr als genug, wie man ja auch an Pasing By gesehen hat.

    Mehr müssen müssen

    ABer auch der Altphilologe ist ganz aus dem Häuschen – allerdings aus einem gänzlich anderen Grund. Denn wie man schon an der Originalstelle erkennt, ist der Spruch hier – wenn überhaupt – eine Annäherung an die Bibelstelle aus dem Matthäus-Testament. Der Spruch kommt in diesem Wortlaut nämlich überhaupt nicht vor.  Dort findet sich lediglich der Satz Necesse est enim ut veniant scandala, der hier synonym zu dem in Pasing hängenden Oportet ut scandala eveniant gebraucht wird. Die Ausdrücke oportet und necesse est werden folglich beide Male mit müssen übersetzt (so wie es ja auch die SZ tut). Aber so richtig passen will das aber nicht.
    Zwar können die Ausdrücke oportet und necesse est müssen bedeuten. Aber dieses Müssen geht semantisch jeweils in unterschiedliche Richtungen: Während ein necesse est für mich eher eine logische Notwendigkeit beschreibt, die aus einer Situation heraus entsteht, ist das im Spruch gewählte oportet eher ein Müssen aus der gesellschaftlichen Notwendigkeit oder Gepflogenheiten heraus zu begründen. Daher wären für mich die Sätze necesse est cives parere und oportet cives parere definitiv nicht dasselbe. Zwar könnte man beide Male “Die Bürger müssen gehorchen” übersetzen. Aber in beiden Sätzen wäre dieses Müssen anders begründet.
    Necesse est cives parere wäre ein Satz, der angesichts einer Gefahrensituation höchste Aufmerksamkeit der Bürger einfodert. Oportet cives parere hingegen wäre für mich eher eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Das Gehorchen als etwas, das man von den Bürgern erwartet, nicht etwas, das die Situation bedingt. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied.
    Das ist ähnlich wie im Englischen mit must und have to. Beide haben Übereinstimmungspunkte, sie sind aber definitiv nicht deckungsgleich.
    Vielleicht schießt der Altphilologe allerdings da aber auch  über das Ziel etwas hinaus. Denn bei Bibellatein haben wir es nicht mehr mit dem zu tun, was wir als klassisches Latein bezeichnen, auf dem sämtliche unserer Grammatiken und Schulbücher aufbauen. Die lateinische Version, die wir hier vom neuen Testament vorliegen haben, stammt aus der Vulgata, die auf das 3. Jahrhundert nach Christus datiert ist. Da war Latein schon längst lingua franca und von Muttersprachlern wie auch barbari genutzt, sodass die Grenzen zwischen dem, was sprachlich sagbar ist und was nicht, zunehmend verschwammen. Man merkt das alleine schon, an dem ut-Satz, der in beiden Zitaten nach dem Hauptsatz folgt. Denn klassisch würde an diese beiden unpersönlichen Ausdrücke ein AcI folgen. Wer hier schon schludert, dem ist es auch egal, dass ein Müssen ein anderes Müssen sein muss.
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    Vom alten Schlag

    In einem seiner aktuellen Posts beklagt Hokeys das Aussterben von Lehrerblogs. Der Trend gehe seit Langem schon klar in die Social Media-Richtung, wo mit ein paar Handgriffen deutlich mehr Klicks und Likes zu erhalten sind als in einem separaten Blog. Ich beobachte das Phänomen schon seit geraumer Zeit. Und bin streckenweise auch sehr am Hadern, weil alleine das Organisieren von Blogs und das Lesen der Artikel einfach deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein News Feed in einem sozialen Netzwerk, wo sich neue Postings von Kollegen mit anderen von meinen Followern nahtlos aneinanderreihen. Wozu sich also den Stress machen?

    • Das Schreiben ist für mich in Blogform deutlich angenehmer als in einem Netzwerk, wo ich mich oft so kurz fassen muss, dass der Spirit eines Artikels im Diktat der Zeichenbeschränkung und des Hashtag-Overkill einfach verloren geht. 280 Zeichen bei Twitter reichen höchstens für Anekdoten. Threads, die über mehrere Posts gehen, empfinde ich als sehr umständlich und meide sie als aktiver Leser, wo es geht. Instagram kapiere ich bis heute nicht so wirklich. Die Bildlastigkeit der Plattform macht es schwer, tatsächlich etwas Schriftlich zu hinterlassen, was Bedeutung hat. Da jeder Post ein Bild oder Video/Reel als Ausgangspunkt hat, wäre ich einen Großteil der Zeit damit beschäftigt, ein passendes Motiv für mein Geschreibsel zu finden, das dann traurig darunter in der Beschreibung eingepfercht darunter ein Schattendasein führt. Text ist hier einfach eine Fußnote. Und das lässt die Plattform einen permanent spüren.
    • Bloggen ist zeitraubend. Aber es entspannt mich ungemein. Es hilft mir beim Ordnen der Gedanken, bringt mich am Ende eines langen Tages runter. Und mit etwas Glück kommt ein Artikel raus, den ich und andere gut finden. Bei den sozialen Netzwerken fühlt sich das Posten hingegen ganz anders an. Viele Accounts setzen viel mehr auf den Spur-of-a-moment. Posten um gesehen zu werden. Denn Masse erhöht die Sichtbarkeit, generiert Follower, generiert Likes. Ich sehe dort endlos Leute, die gedankenverloren in einen imaginären Horizont blicken, sich von Filtern verbiegen lassen, brutzelnde Pfannen filmen oder random durch Bücher oder Comics blättern. Für solche Netzwerke Standard, fürs Bloggen aber zu seicht. Blogging bedeutet auch Selektion. Und konzentrieren auf das, was man als relevant erachtet.
    • Ein Blog ist noch deutlich mehr Handarbeit. Aber er bietet riesige Möglichkeiten zur Individualisierung: Vom Theme, zum Header, den Fonts, dem Layout der Beiträge, der Plugins, bis hin zur Gestaltung und Organisation der Menüs ist alles möglich. Diese gestalterische Freiheit habe ich noch nirgendwo anders gesehen.

    Das soll jetzt nicht ein Rant gegen soziale Netzwerke sein. Auch sie haben ihre Daseinsberechtigung und sind für viele Kolleg*innen unverzichtbar geworden. Aber ich nutze sie persönlich maximal als Inspirationsquelle beim Durchscrollen, aber auch nicht mehr. Wie eine Werbeanzeige, die man beim Einkaufen passiert. Registriert, vielleicht mal stehen geblieben, aber dann auch gleich weiter gegangen. Tiefgängigeres würde ich mir ungern in Form eines Posts auf Instagram anschauen. Das will ich in einer ruhigen Umgebung nachlesen. Frei von Posts aus einem Feed von anderen Nutzern. Nur der Text und ich. Und das klappte bei mir alten Mann schon immer am besten. 😎

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