Es ist keine drei Monate her, dass ordentlich Trubel in die Online-Lehrerschaft kam. Grund waren diverse Artikel, nach denen die social media Plattform Bluesky das neue El Dorado des virtuellen Kollegiums werden sollte. Mastodon als neues Reich für die Massen sei gescheitert, hieß es. See you in blue heaven!
Neu im Ring?
Jetzt geht seit Tagen der nächste Hype um. Threads ist da und der heiße Reis. Dabei ist er fast schon wieder ein alter Hut: Android-Besitzer konnten bereits im Sommer die App aus Google-fremden Stores herunterladen und nutzen. Zumindest passiv. Mehr als Lesen ging nicht. Aufgrund von EU-Richtlinien war Threads nämlich zu der Zeit noch nicht nutzbar. Early adopters sahen sich daher relativ schnell abgestoßen, weil es auf der Plattform schlichtweg nichts zu machen gab.
Seit Mitte Dezember ist das nun anders, und auch Europäer kommen in den Genuss eines weiteren social media-Giganten, der die Nachfolge um das zerschlagene Twitter-Imperium antreten will. Und die Chancen dazu stehen gar nicht mal so schlecht, wie man in einer Umfrage von Björn Nolte nachliest.
Für mich persönlich unbegreiflich, dass Leute schon wieder nach einem Quartal bereit sind einen Umzug auf die nächste Plattform zu erwägen. Digitales Nomadentum als Dauerzustand. Oh weh!
Threads ist da – alles neu?
Was macht Threads anders? Im ersten Moment gar nichts. Vielmehr vereint es Features von anderen Microblogging-Diensten, die man schon kennt: Die Plattform ist zentral organisiert wie Bluesky, erlaubt problemloses Einbinden von Medien aller Art wie Twitter, schluckt Nachrichten mit maximal 500 Zeichen wie Mastodon. Die volle Feature-Liste hat Bob Blume dankenswerterweise hier niedergeschrieben.
Aber wieder hockt ein Datenkrake dahinter. Der Mann hinter Facebook, dessen Plattform schon seit Jahren wegen mangelhafter Moderation und ruppigem Umgangston in der Kritik steht, wird als Innovator und Messias bejubelt, als sei nie etwas vorgefallen. Klar, die Möglichkeit seine Kontakte aus Instagram einfach mit in Threads umzuziehen klingt praktisch. Aber haben diese Leute diesem Schritt jemals zugestimmt? Ich bin in Threads automatisch mit Leuten aus Instagram befreundet, ob sie bzw. ich wollen oder nicht. Da ich noch den Account vom Sommer habe, gehen bei mir jetzt seit Tagen die Freundschaftsbestätigungen ein, ohne dass ich irgendwas getan habe. Ein bisschen schräg ist das schon.
Faden verloren? Ich: ja
Und ermüdend. Nicht nur für mich. Auch in den USA ist die Anfangshysterie verebbt. Threads verliert stetig aktive User. Wohin die schon wieder abgewandert sind, weiß der Himmel. Ich bin jedenfalls nicht bereit, schon wieder umzusteigen. Innerhalb eines Jahres bin ich von Twitter nach Mastodon und von dort irgendwann parallel auf Bluesky. Eine dritte Plattform für ein PLN find ich zuviel. Das bekomme ich kognitiv nicht mehr auf die Kette. Toll wäre irgendwann mal ein Programm, das mehrere Accounts auf unterschiedlichen Plattformen parallel handelt und zu einer Timeline vereint. So etwas gab es in den 2000ern mit den Messenger-Diensten. Trillian hieß das Ding damals, das ICQ, IRC und AOL Messenger vereint hat. Vielleicht wäre es mal an der Zeit, dass wir sowas auch für social media ersinnen. Ansonsten zerfasert das alles vollends.