
Kaum Interesse

Teurer Spaß

Let’s talk Ausbildungsgeräte, meine Damen und Herren. Keine Lehrerdienstgeräte. Sie haben richtig gelesen. Wir reden von Ausbildungsgeräten. Dabei handelt es sich um eine Neuerung, die auf einer Änderung des Ausbildungsgesetzes in Bayern beruht. Nach diesem hat jede Person, die in Bayern in das Referendariat eintritt, ein Anrecht auf ein solches. Wahlweise ein Microsoft Surface oder ein Apple iPad mit allem drum und dran wird für das Seminar bestellt. So ist es in einem offiziellen KMS vorgestellt, nebst den nächsten Schritten, welche in naher Zukunft folgen sollen.
Das passiert in Form von diversen eMails, die über die Tage bei mir eintrudeln. Jede davon enthält Zugangscodes für verschiedene Portale, für die man sich als Systembetreuer registrieren muss, denn die ehrenvolle Aufgabe der Gerätewartung, die zusätzlich anfällt, ist auf uns übertragen (wir sind ja chronisch unterfordert, wie jedermann weiß). Und so erhält man eine Kennung für eine Schulungsplattform, wo man eine 40-seitige Anleitung findet, eine weitere für das sog. MDM, über das die Geräte mit Software bespielt werden, und eine Einladung zu einer vierteiligen insgesamt vierstündigen Fortbildungsreihe, in der man in das Thema eingeführt werden soll. Ebenso folgt die Ankündigung von zusätzlichen Mails, die im November auf uns hernieder prasseln, wenn es um die Bestellung der Geräte geht, denn auch das funktioniert ausschließlich online und mit Hilfe von digitalen Unterschriften durch die Schulleitung. Natürlich gibt es dafür auch wieder eine Kennung und ein Portal – ebenso wie für eine weitere, wenn es um das Melden von Fehlern geht. Die Codes hierfür folgen im November.
Ganz schön viel Tamtam. Noch dazu, wo wir diese Ausbildungsgeräte per se nicht benötigen. Denn seit diesem Jahr hat jeder im Kollegium ein Lehrerdienstgerät. Das bekommen ausnahmslos alle bei uns in der Schulfamilie an die Hand: Aushilfslehrkräfte, die Leute im Zweigschuleinsatz, im Seminar, Lehrende in Teil- wie auch Vollzeit. Absolut jeder. Die Gründe hierzu gibt’s hier zu lesen. Und daher ist ein Ausbildungsgerät nicht von Nöten. Ebenso wenig wie eine vierstündige Fortbildungsreihe und ein Zugang zu vier Portalen für Registrierung, Schulung und Einrichtung der Dinger. Genau das schreibe ich dem Kontakt aus dem Kultusministerium; in den besten Absichten, dem bayerischen Staat ein paar Tausend Euro sparen zu wollen. Die Antwort folgt prompt, knapp und präzise:
Lehrerdienstgeräte seien bezahlt aus dem Topf des Sachaufwandsträgers (in unserem Fall die Stadt München), Ausbildungsgeräte seien vom Freistaat Bayern bezahlt, und die Seminarlehrkräfte hätten laut Ausbildungsgesetz Anspruch darauf. Das ist mir alles klar, schreibe ich zurück, aber die Ausbildungsgeräte sind für den Unterricht nur bedingt einsetzbar, da das pädagogische Netz der Stadt München externen Geräten gegenüber extrem skeptisch ist: Fremd-PCs kommen ohne größeres Gefrickel durch den Systembetreuer weder ins Internet noch an die pädagogischen Drucker. Und sofern die neuen Geräte nicht über USB-C verfügen, können die Refis ihre schicken Ausbildungsgeräte nicht einmal an das Whiteboard hängen, da wir in den Klassenzimmern den Unterricht ausschließlich mit Docking Stations bestreiten (an die jeder sein Lehrerdienstgerät hängen kann). Meine wie ich finde doch recht plausiblen Einwände werden mit einem Einzeiler weggewischt: “Es tut mir leid, dass ich Ihnen in dieser Angelegenheit keine positiven Antworten vermelden kann.” Die Refis könnten die Ausbildungsgeräte ja dann zumindest zuhause zur häuslichen Vorbereitung nutzen.
Was für ein Szenario soll das bitte sein? Da sitzen Berufsanfänger mit Laptop 1 zuhause und bereiten vor – nur um die Stunden in der Schule mit Laptop 2 zu bestreiten? Dass ein Großteil der Seminarlehrkräfte ohnehin ein Arbeitsgerät aus dem Studium besitzen, lassen wir jetzt mal einfach beiseite…
Und so sitze ich in den Ferien in Teil 4 der insgesamt vierstündigen Online-Fortbildung zu Ausbildungsgeräten, die bei uns faktisch nutzlos sind (die Frage im Chat, ob es für diese zusätzliche Aufgabe irgendeine Art von Vergütung oder Anrechnungsstunden gibt, wird in der Veranstaltung geflissentlich ignoriert). Ich lerne etwas über die Registrierung und Einrichtung, über das MDM und den Bestellprozess zu Hardware, die bei uns keine Verwendung finden wird… und bekomme dazu am Ende sogar noch ein zusätzliches Gerät geschickt, über das all diese Prozesse stattfinden sollen. Warum ich dazu mein Lehrerdienstgerät nicht benutzen kann? Ich weiß es nicht. Oder meinen Privat-PC, wie bei allen anderen Schulbelangen auch? Ich weiß es nicht.
Was ich aber weiß, ist das: Ich habe nun ein Lehrerdienstgerät für die Arbeit im Unterricht, einen Verwaltungsrechner für die Arbeit als Systemadministrator, ein Surface für die Verwaltung der Ausbildungsgeräte – und aus eigenen Mitteln ein Tablet sowie einen Desktop-PC zuhause. Fünf Geräte für meine Arbeit. Fünf! Dazu noch die Menge an den Ausbildungsgeräten, die hier praktisch verstauben werden, weil kein Mensch mit zwei Rechnern unter dem Arm durch den Schulalltag gehen wird. Mir wird ganz schlecht bei dem Gedanken, wie viel Geld da verheizt wird, einfach weil es in irgendwelchen Töpfen vorhanden ist. Die Hardware wird einfach über uns ausgeschüttet, ohne dass man tatsächlich den Bedarf der Schulen abfragt.
Das geht auch anders.
Bob Blume hat zu einer Blogparade aufgerufen, die es dieses Mal in sich hat. Denn sie führt uns Kollegen zur Quelle unseres professionellen Schaffens zurück. Auf eine Reise in unsere beruflichen, mittlerweile von Nostalgie verklärten Anfänge, als wir voll waren von Idealismus und gleichzeitig von Selbstzweifeln geplagt. Kurz und gut: Es geht unter dem Hashtag #refisbelike ums Referendariat *insertdramaticdrumrolls* . Für uns alle eine prägende Zeit, eine Erfahrung irgendwo auf der Skala zwischen Traum und Trauma. Ich persönlich bewege mich eher in positiven Gefühlsgefilden, weil ich dank meiner Ausbilder und Seminaristen tolle Leute um mich hatte, die einander unterstützten, statt sich in Ränkekämpfen zu erschöpfen. Auch mit den Schülern klappte es in der Regel ganz gut. Auch wenn es nicht immer danach aussah – und gelegentlich einer vermeintlichen Katastrophe glich. Genau davon soll meine heutige Episode handeln. Sie ist all den Referendarinnen und Referendaren gewidmet, die kurz vor ihrer praktischen Ausbildung stehen – oder sich schon mittendrin befinden und eventuell am Hadern sind. Vielleicht erkennt ihr euch ja wieder…
Ich befand mich damals im letzten Ausbildungsabschnitt und erbte nach der Rückkehr an meine Seminarschule eine zehnte Klasse, die es in sich hatte. Es war eine der Klassen, die von Anfang an austestet. Die gleich in der ersten Stunde abklopft, wie sie sich zum Lehrer draußen am Pult positionieren wollte. Und das geschah in der Regel durch offensive Provokation. So wurde meine Mitreferendarin bei ihnen gleich in der ersten Stunde nach ihrer Körbchengröße gefragt. Meiner Vorgängerin aus dem letzten Jahr erging es sogar noch schlimmer. Sie hatte nach monatelangen Demütigungen und permanenten Entgleisungen von Schülerseite regelmäßig den Unterricht unter Tränen verlassen. Tja, und nun stand ich da. Mit all den Geschichten im Kopf, die mir im Vorfeld über die Klasse erzählt wurden. Die Übeltäter, die ich bis dahin nur vom Namen her kannte, bekamen beim Studieren des Sitzplans nun erstmalig ein Gesicht. Und das selbstgefällige Grinsen einiger Herrschaften in der Klasse ließ schon in den ersten Minuten nichts Gutes erahnen. Und so war es dann auch. Gleich nach meiner Vorstellung bekam ich vom Ryanädelsführer laut erklärt, dass ich von der Klasse nichts zu erwarten hätte. In Englisch seien sie grottenschlecht, da sie seit 3 Jahren nur Referendare gehabt hätten. Wie nett, dass ich auch einer davon war. Würde mir das heute passieren, hätte ich irgendeinen flapsigen Spruch drauf. Aber im Referendariat sollte über allem der Schein der Professionalität schweben. Deswegen tat ich das, was man uns beigebracht hatte: Nicht reagieren und weitermachen. So wie es halt alle anderen Refis tun. Und damit war ich so wie alle anderen. Und das ließen sie mich spüren.
Die ersten Stunden verliefen sehr schleppend. Ein Teil war sehr willig, aber die Alpha-Wölfe waren permanent damit beschäftigt ihr Revier zu behaupten. Hausaufgaben wurden nicht gemacht, Arbeitsphasen im Unterricht boykottiert oder mit Zwischenrufen lahmgelegt. Immer wieder wurden aus Mäusen Elefanten gemacht und sinnlose Diskussionen vom Zaun gebrochen, um absichtlich Unterrichtszeit zu vergeuden. Ich kam mit meinem Stoff nicht durch. Und das setzte mich zunehmend unter Druck. Immerhin sollte ich in dieser Klasse meine letzte Lehrprobe abhalten. Dafür musste die Chemie zwischen mir und den Kindern einfach stimmen. Danach sah es aber zusehends nicht aus. Die Situation verschärfte sich von Stunde zu Stunde nur noch mehr. Die Alphawölfe forderten in jeder Stunde hartnäckig ihr Recht auf Rede- und Narrenfreiheit ein. Und ich konterte mit der typischen Beamtenkonsequenz eines Junglehrers: Ich schrieb – wie man’s halt so macht – Briefe an die Eltern, lud mir meine frechen Früchtchen zum Einzelgespräch nach der Stunde, formulierte meine Forderungen pädagogisch korrekt in Ich-Botschaften, die wir auf Seminartagen fleißig geübt hatten. Es nützte alles nichts. Auch Hinweise brachten nichts. Zu Nacharbeiten erschienen sie nicht. Verweise, die ich wegen groben Disziplinverstößen verschickte, kamen nie zurück, weil sie wohl in der Post “verloren gegangen” seien. Es sah nicht gut aus. Und meine Laune, mich für so eine Lerngruppe weiter zu verausgaben, die sowieso alles doof fand und hinterfragte, ging spürbar zurück.
Und dann kam die Stunde, die auf einmal alles herumriss. Eigentlich war es eine Stunde wie jede andere auch: Thematisch nett, aber unaufregend: Unser Englischbuch hatte zum Thema Castingshows eine Doppelseite auf Lager und befasste sich mit der Frage, wie kurzlebig Stardom in Zeiten von DSDS und Popstars tatsächlich sein konnte – wie üblich aufgemacht mit dem stereotypischen Zeitungsartikel aus einer britischen Zeitung, zwei Bildchen aus American Idol und auf der rechten Seite zur Auflockerung des Themas dem Songtext von Money for Nothing der Dire Straits; ein Song, der Leuten, die außerhalb der 80er groß geworden sind, überhaupt nichts sagt. Also entschied ich mich, an das Thema anders heranzugehen. Ich wollte mir ältere Bilder von Stars zusammen suchen. Zum Einstieg ein paar, die den Kindern etwas sagen könnten, und auch ein paar unbekannte, um die Schüler ein bisschen in neue Gefilde zu führen und sie anhand des Bildes auf deren Vita schließen zu lassen. Eine kleine nette Übung, um die Schüler ein bisschen zum Reden zu bringen. Immerhin stand eine mündliche Schulaufgabe in ein paar Monaten auf dem Plan. Da kann man nicht früh genug mit dem Üben anfangen. Aber, oh Graus: Richtig gute Bilder fand ich online einfach nicht. Deswegen kramte ich meine gut sortierte 80er-Jahre-Schallplatten-Sammlung durch und packte vier Plattencover ein, auf denen die Sternchen meiner vergangenen Jugend in Großaufnahme zu sehen waren. Ich erinnere mich noch genau an das Quartett, das die Klasse in helle Aufregung versetzen sollte: Das Debütalbum von Kylie Minogue, Actually von den Pet Shop Boys, Das Best of von Wham! und dann – einfach weil es so furchtbar 80s war – You spin me round von Dead or Alive.
Es war vor allem dieses Cover mit Frontmann Pete Burns und seiner Pailetten-Augenklappe, das die Klasse in hellste Aufregung versetzte. Die Jungs waren völlig entsetzt ob der offensiven Androgynität seiner Person, die Mädels sichtlich
beeindruckt von Frisur und Outfit. Und so entsponn sich in der Klasse während meiner geplanten Sprechübung eine riesige Debatte darüber, was für eine Vita so ein Mensch hinter sich haben muss, um sich für seine Debutplatte derartig ablichten zu lassen. Die einen vermuteten eine alien abduction, andere eine langjährige Karriere bei der Motorradgang der gay pirates. Andere dichteten ihm einen tragischen Unfall in seinem früheren Beruf als Torero an, bei der er sein rechtes Augenlicht verlor. Das Entsetzen steigerte sich, als ich zum Abschluss der Stunde noch das dazugehörige Musikvideo vorspielte, in dem Pete Burns mit Tanzmoves verstörte, die in jeder Disco zu wüsten Schlägereien führen würden. Er klapperte mit imaginären Kastagnetten, schüttelte einen Tadelfinger im Takt auf die verwunderten Zuschauer und kreiste lasziv mit seinen Hüften – komplett in einen fliederfarbenen Bademantel gehüllt. Die Klasse war… begeistert. Und wollte das Video nochmal sehen. Und nochmal. Sie verließen die Stunde mit den ersten Songzeilen auf den Lippen, googelten beim Herausgehen das Video mit ihren damals noch kaum internetfähigen iPhones 3S. Zurück blieb ich. Etwas erstaunt, wie gut das heute geklappt hatte. Ich hatte mit rein gar nichts gerechnet. Und das komplette Gegenteil bekommen. Das Eis war bestimmt noch nicht gebrochen. Aber es war geschmolzen. Und Pete Burns hatte den Anfang gemacht.
Daher baute ich ihn in den nächsten Stunden immer wieder in den Unterricht ein. Wir recherchierten, was aus ihm und seiner Band geworden war (eine entsetzte 10A: Er hatte sich in eine Frau umoperieren lassen), ich erwähnte ihn in Übungen zu indirekter Rede und if clauses. Beim Lehrervortrag kopierte ich seine Moves, tadelte geschwätzige Schüler mit der Burnschen Discohand, verdeutlichte wichtige Regeln mit den imaginären Kastagnetten aus dem Video. Als die mündliche Schulaufgabe heranrückte und wir mit Mock Exams begannen, schmückte sein Konterfei die imaginäre Schuluniform, die die Schüler in einem Rollenspiel dem Direktor als offizielles Outfit der Schule anpreisen sollten. Es lief auf einmal wie am Schnürchen. Die Zwischenrufe waren verschwunden, Hausaufgaben wurden gemacht. In der Lehrprobe explodierten sie mit guten Einfällen und erarbeiteten meine Tafelbilder quasi im Alleingang. Als die Stunde vorbei, rief einer der Alpha-Jungs deutlich hörbar in Richtung Prüfungskommission: “Also wenn das keine Eins war, dann haben die Leute dahinten keine Ahnung, was geiler Unterricht ist.” Die Kommission verließ sichtbar verdattert das Klassenzimmer in Richtung Direktorat, um sich zu besprechen – und drei der Jungs folgten ihnen, um ihnen zu erklären, wie toll die Stunde für sie gewesen sei. Als ich dann tatsächlich die Eins in der nächsten Stunde verkündete, erhielt ich die ersten Standing Ovations meiner Lehrerlaufbahn. Ich war wirklich zu Tränen gerührt. Vor allem, da nun langsam das Ende meines Referendariats angekommen war und ich von der Klasse Abschied nehmen musste. Dabei hatten die Chancen so gut gestanden, dass ich von meiner Seminarschule ins Stammpersonal übernommen werde. Der Bedarf für meine Fächer hatte eine Planstelle nötig gemacht, ich war namentlich von meiner Schulleiterin angefordert worden. Aber es half nichts. Man schickte der Schule zwei Referendare – und ich war raus. Leider. So läuft nun mal das System. Und so konnten wir nichts weiter tun, als uns Mitte Februar zu verabschieden. Bei einer riesigen Karaoke-Party, für die ich mein komplettes XBox 360-Equipment in die Schule schleppte. Inklusive zweier Plastikgitarren, Mikro und Schlagzeug, mit denen wir bei selbst gemachtem Kuchen sangen, schrammelten und trommelten. Der Höhepunkt der Zeremonie war allerdings mein Abschiedsgeschenk, für das die Klasse komplett zusammengelegt hatte. Sie hatte die imaginäre “Schuluniform” aus dem Rollenspiel von vor ein paar Monaten kurzerhand in Eigenregie nachdesigned und in einem Laden
nachdrucken lassen. Das T-Shirt habe ich heute noch. Einfach nur, um es gelegentlich hervorzuholen und mich noch einmal an diese Klasse und unseren Werdegang zu erinnern. Hinter das Geheimnis das Erfolgs in dieser Klasse bin ich bis heute nicht gekommen. Vielleicht habt ihr ja eine Idee. Am besten in den Kommentaren 🙂
Wenn es auf diesem Blog einen Award für den oberflächlichsten Artikel überhaupt geben sollte, dann wäre dieser hier ein heißer Anwärter. Denn dieses Mal geht es ausschließlich ums Aussehen. Nämlich dem von Arbeitsblättern. Ich weiß, ich weiß, never judge a book by its cover, aber wie soll man ein Arbeitsblatt ernst nehmen, das vom Layout aussieht wie aus Krusty’s Playhouse?
Wenn man so all die Arbeitsblätter in der Schule vor seinem geistigen Auge Revue passieren lässt, muss ich schon eingestehen, dass es doch einige Kreationen gab, mit denen das Lernen nicht wirklich leichter wurde bzw. völlig unmöglich war; zum Beispiel die guten alten Blaupausen, mit denen ich noch bis Mitte der 90er als Schüler gequält wurde. Die Dinger waren auf mausgraues, seltsam glatt-glibberiges Papier gefertigt, auf das die Schreibmaschinenseite in blauen Buchstaben aufgedruckt wurde. Und das in der Regel entweder schief oder so verrückt, dass Buchstaben, Sätze, ja teilweise ganze Absätze fehlten. Oder die orgiastischen Schriftart-Experimente, als die PCs auf Lehrerschreibtischen Einzug hielten. Jede Überschrift in einem neuen Font oder gar Wordart in Bögen, Schlangenlinien, mehrfarbig, gespiegelt, geschraubt und darunter am besten ein Fließtext in Comic Sans. Das Worst Case Scenario, das wir sogar von Dozenten im Studium noch so präsentiert bekommen haben.
Zum Glück hatte ich im Referendariat einen ganz wunderbaren Seminarlehrer, der uns in dieser Hinsicht schnell den Kopf zurecht gerückt hat: Das Arbeitsblatt ist die Visitenkarte eines Lehrers. Das Layout sollte in sich stimmig, schlicht und erkennbar sein. Ein Blick darauf und es ist klar: Das ist von Herrn/Frau Sowieso. Und darauf habe ich spätestens ab dem Zweigschuleinsatz geachtet. Mein Layout für Arbeitsblätter ist seitdem immer dasselbe. Und das erleichtert auch das Erstellen von neuen Arbeitsblättern ungemein.
Das Auffinden von geeigneten Schriftarten ist eine sehr individuelle Sache, in die man auch Unmenge an Zeit versenken kann. Es geht ja nicht nur darum, schöne Fonts zu finden, sondern auch um das Zusammenspiel. Bilden die Schriftarten im Layout eine Einheit oder nicht? Zum Glück gibt es mittlerweile eine große Menge an Seiten im Netz, die bei der Suche entweder wertvolle Tipps geben oder sogar in ihren Augen gelungene Font-Ensembles vorstellen, von denen man sich inspirieren und im besten Fall sogar klauen kann, um sie für sich zu nutzen. Ich persönlich kann die Ensembles von canva sehr empfehlen, mit dem ich schon seit langer Zeit arbeite, wenn es um das Gestalten von Plakaten oder Flyern geht. Unter Layout und Text findet man dort verschiedene Zusammenstellungen von Schriftarten, die gut zusammenpassen.
Diese Schriftarten lassen sich in der Regel auch im Netz als Font-Datei finden, installieren und künftig auch in eigenen Schriftdokumenten verwenden. Dass diese Zusammenstellungen selten mehr als drei Fonts beinhalten, ist gewollt. Denn zu viele Schriftstile zerschlagen den optischen Eindruck in Windeseile. Ich persönlich habe mir angewöhnt, für meine Arbeitsblätter immer ein Ensemble aus drei Schriften zu nutzen. Für die Kopfzeile, für die Überschrift und schließlich für den Fließtext mit der eigentlichen Information.
Diese Schriftarten speichere ich mir als Formatvorlage in einem Template, die Grundlage eines jeden Arbeitsblattes ist. In einem Fenster (Standardmäßig an der rechten Seite des Bildschirms oder unter “Eigenschaften” auf dem Icon oben rechts abrufbar) ist dort genau festgelegt, welche Schriftart, Größe, Farbe und Zeilenabstand genutzt werden soll, wenn ich im Dokument einen Text als Titel, als Fließtext oder Zwischenüberschrift definiere. Diese Vorlagen kann man sowohl bei Word als auch bei Open Office entweder neu definieren oder bestehende anpassen. Ich habe mich irgendwann für letzteres entschieden, damit die Anzahl der Formatvorlagen innerhalb eines Dokumentes übersichtlich bleibt.
Formatvorlagen, die ich nicht benötige, wie zum Beispiel verschiedene Entwürfe für Überschriften (Open Office hat in der Standard-Vorlage bis zu zehn Formate für Überschriften) lösche ich oder verberge ich, soweit es die Textverarbeitung zulässt.
Mein Template ist im Vergleich zu dem Standard-Template deutlich verschlankt und beinhaltet lediglich Formatvorlagen für Kopfzeile, Fußzeile, Fußnote, Überschrift, Zwischenüberschrift und schließlich den Fließtext. Wer viel mit Abbildungen arbeitet, kann ebenso auch Vorlagen für Bildunterschriften hinzufügen. Ist man mit der fertigen Vorlage zufrieden, wird das Dokument einfach als Vorlage abgespeichert und ist ab jetzt jeder Zeit unter Vorlagen abrufbar (in Libre Office unter “Datei > Neu > Vorlage…”). Voilà!
Wenn jemand hier noch ein paar nützliche Tipps zur Erstellung von Arbeitsblättern mit Hilfe von Formatvorlagen hat – seien es praktische Erfahrungen oder Literaturtipps in Form von Webseiten oder Büchern -, darf er/sie sich gerne in den Kommentaren verewigen.
Früher oder später erwischt jeden von uns Lehrern dieser seltsame Moment – Der Tag, an dem uns zum ersten Mal unsere alten Lehrproben in die Hände fallen – oft aus Zufall, noch öfter tatsächlich, weil viele dieser Stunden für den Unterricht immer noch gut nutzbar sind. Irgendwie sind uns diese Lehrproben noch immer wunderbar vertraut und gleichzeitig so fremd. Kein Wunder, immerhin hat man damals im Referendariat drei Wochen auf diese eine Stunde hingearbeitet, das Material stundenlang korrekturgelesen und mit allem, was man damals drauf hatte, verschönert. Andererseits: Wieviel Zeit ist mittlerweile ins Land gezogen, wie sehr hat sich seitdem die eigene Perspektive geändert! Viele der Materialien und Arbeitsaufträge sind zwar kunstvoll in Szene gesetzt, haben aber stets etwas künstlich Überbordendes, das sich an Maßstäben eines Vollzeitlehrers gemessen völlig überzogen anfühlt. Meine zweite Lehrprobe war in dieser Hinsicht der absolute Overkill.
Mein Thema lautete damals schlicht und ergreifend “Kreative Texterschließung im Englischunterricht der sechsten Klasse”. Dreh- und Ausgangspunkt dieser Stunde war ein Lektionstext über den Schulalltag eines kleinen kenianischen Jungen im damaligen Englischbuch. Um den einigermaßen in Szene zu setzen, zog ich alle Register, die mir damals zur Verfügung standen. Zur Hinführung an den Text erfand ich für meine 12-jährigen Schüler einen riesigen narrativen Rahmen, den ich über die gesamte Woche vorher kunstvoll über die vorangehenden Stunden gespannt hatte. Ich erfand einen Schüleraustausch zwischen der Schule unserer Englischbuch-Klasse und der fiktiven Schule aus Kenia, der in der Lehrprobenstunde gipfeln sollte. Ich erfand eine Rede des kenianischen Schuldirektors, der extra unsere Schulbuchklasse besuchte, sprach sie für eine Listening Comprehension-Aufgabe mit einem Mikrofon ein und verfremdete mit Plug-ins meine Stimme so, dass mich keines der Kinder erkannte – komplett mit Hintergrundgeräuschen, klatschendem Publikum und eingespielter Blaskapelle.
Aus der Rede sollten die Schüler meiner Klasse die wichtigsten Informationen über Kenia herausfinden und zusammentragen, bevor der Direktor einen Brief eines seiner Schüler übergab, der von seinem Schulalltag aus Kenia berichtete – nämlich eben den Lektionstext aus dem Buch. Zum Festhalten der wichtigsten Erkenntnisse bekamen die Schüler den Auftrag, einen Steckbrief der wichtigsten Aussagen aus dem Text zu filtern, um sie für die nächste Ausgabe der aktuellen Schülerzeitung zusammenzustellen. Diese hatte ich über Wochen als reales Magazin vorbereitet. Meine Schülerzeitung hatte einfach alles. Ich hatte ein Logo entworfen, ein Emblem, Fotos, Banner, ein komplett in sich stringentes Layout – alles auf DinA3-Bögen doppelseitig, gefalzt und getackert in einem Copyshop in Hochglanz ausdrucken lassen. Für eine Summe, die damals einen Großteil meines kargen Refi-Gehaltes verschlang.
Gipfeln sollte die Lehrprobe damals in einer Postkarte, die die Schüler dem imaginären Schüler auf seinen Text schreiben sollten. Reale Postkarten natürlich. Diese wurden dann am Ende der Lehrprobenstunde bei mir abgegeben, damit ich sie symbolisch an den Jungen (den es natürlich nie gab) abschicken konnte. In der nächsten Stunde wäre ich mit einem Antwortbrief angekommen, in dem sich der Junge für die Fanpost bedankt und der Klasse ein echtes afrikanisches Gericht mitgeschickt hatte – das natürlich ich zuhause gekocht hatte.
Wer spätestens an dieser Stelle ungläubig den Kopf schüttelt: Ja, ihr tut das zurecht. Auch ich bin etwas verstört, während ich diese Zeilen schreibe, wieviel Arbeit in dieser einen Stunde steckt. Aber Mitleidende werden es verstehen: Es ist eine Lehrprobe. Die Note, die auf diese Stunde gegeben wurde, bestimmte maßgeblich den Schnitt des zweiten Staatsexamens mit. Und in den mageren Zeiten, wo die Planstellen nicht an den Bäumen wuchsen, entschieden Lehrprobenstunden über eine direkte Anstellung nach dem Referendariat oder eben Arbeitslosigkeit.
Bevor die Frage nach der Note auch bei dieser Wahnsinnsstunde aufkommt, kann ich sie gleich beantworten: Ich bekam eine Zwei. Denn irgendwas hatte der Stunde letztendlich gefehlt. Nämlich die Schüler. Die kamen nämlich geschlagene 10 Minuten zu spät in den Unterricht, weil sie der Lehrer der Vorstunde nicht früher gehen lassen wollte (!!!). Als Reaktion darauf musste ich viele Phasen der Lehrprobenstunde quasi on the fly umwerfen und während der Stunde im Hinterkopf umstrukturieren, um genug Zeit für das Ziel der Stunde – nämlich die Postkarten – zu haben, das unbedingt erreicht werden musste. Ich hab in dieser Stunde echt Blut und Wasser geschwitzt. Und mit dem sauberen Kollegen, der mir 10 Minuten gestohlen hat, habe ich hinterher nie mehr ein Wort geredet.
Uff, war das eine Woche. So kurz vor Notenschluss zieht das System noch mal alle Register, um einen das Fürchten zu lehren. Hätte ich nicht schon meine krankheitsbedingte Auszeit gehabt – ich schwöre, ich wäre nach dieser Woche flachgelegen. Was war also los? Eigentlich alles! In meiner achten Klasse habe ich eine Lateinschulaufgabe (25 Arbeiten) geschrieben (mit Leichen, aber dieses Mal nur eine!), eine weitere in Englisch (28 Arbeiten) korrigiert und rausgegeben. Dann bekam ich die Kurzarbeit meines Zweigschulreferendars zur Durchsicht (27 Arbeiten), dann die Schulaufgabe meiner Referendarin aus dem Unterseminar (29 Arbeiten) (Junglehrern kann man schon mal zwei Refis geben, die sind ja belastungsfähig), zwischendrin ein abschließender Besuch beim Arzt wegen Blutabnahme und Überprüfung der Lungenfunktion, heute morgen dann auch noch ein Unterrichtsbesuch vom Chef. Und als wäre das nicht genug, hatte ich heute auch noch eine Lehrprobe zu besuchen. Zum ersten Mal in meiner Karriere. Furchtbar.
Es ist schon verwunderlich, wie mich solche Situationen wieder aufwühlen – selbst wenn ich eigentlich nur unbeteiligt hinten in der Kommission rumsitzen musste. Aber es genügen schon ein paar kleine Details, und ich durchlebe wieder mein eigenes Referendariat. Das hat gestern angefangen, als ich von meiner Referendarin den Entwurf für die Lehrprobe ins Fach bekam. 22 Seiten, schön gelayoutet, ordentlich abgeheftet, dazu unzählige Anlagen und Tafelbilder, wie sie in der Stunde vorkommen sollen. Dann aber die Ernüchterung, als ich den Entwurf las. Rechtschreibfehler überall, teilweise fehlte den Sätzen ein Verb, oder es gab krasse Inkonsequenzen in den Formalia, die Unterrichtsphasen waren teilweise mit Methoden vollgekleistert, die man nach dem Ref nie wieder anrührt, fachliche Fehler… und dann sitzt man 12 Stunden später in eben jener Stunde. Man merkt, wie sich mein Schützling da draußen abmüht, um ihr Bestes zu geben. Poster an den Wänden, riesige Formplakate, Realien noch und nöcher, liebevoll gelayoutete Folien. Auf der anderen Seite aber diese durch und durch spürbare Künstlichkeit der Stunde, derer sich jeder im Raum bewusst ist: Die Schüler, die Referendarin, wir. Dieser immense Aufwand, für ein Grammatikphänomen im Lateinischen, das die Hälfte der Schüler wohl ohnehin instinktiv richtig machen würde, der ständig spürbare Zeitdruck, der das Einhalten der Unterrichtsphasen gnadenlos einfordert. Dann ein Standbild, szenisches Darstellen. Die Schüler sollen einen Ausdruck gestisch und mimisch vor der Klasse an der Tafel darstellen. Das Spektakel ist allen Beteiligten irgendwie peinlich. Vor allem mir. Ich kenne das, diese schüleraktivierenden Methoden, mit denen man den emotionalen Zugang zur Materie ermöglichen will. Aber emotional ist in dieser Situation nichts. Die Schüler stehen unmotiviert draußen, wissen nicht so wirklich, was sie darstellen sollen. Wie mir mein Schützling hinterher erzählt, hatte sie diese Methode mit den Kindern nie einstudiert. Kapitalfehler. Ich leide mit. Vor allem als gegen Ende noch die Zeit ausgeht. Aber anstatt sich kurz zu fassen, wird das Tempo immer schneller. In den letzten zwei Minuten werden die Kinder mit Bildern und Texten geradezu bombardiert, damit sie alles unterbringt. Nützt aber alles nichts. Der Gong ertönt. Die Stunde ist noch nicht vorbei. Keine Hausaufgabe gestellt. In meiner Seminarschule wäre das ein absolutes K.O.-Kriterium gewesen. Alles, was nach dem Gong passiert, wäre nicht mehr in die Bewertung eingegangen. Zum Glück ist das hier offensichtlich anders. Brav wird noch fertig gearbeitet, die Hausaufgabe an der Tafel fixiert, verabschiedet. Schluss.
Machen wir’s kurz: Am Ende wurde es gerade noch eine Drei. Die Referendarin ist sichtlich erleichtert, hatte wohl auch – ebenso wie ich übrigens – mit durchaus anderen Zensuren gerechnet. Hinterher nehme ich sie zur Seite, frage sie, warum sie den Prüfungsentwurf nicht gegenlesen hat lassen, warum sie die Stunde mit mir nicht mal vorbesprochen hat. So hätte man wirklich ein paar Probleme aus der Welt schaffen können. Ihre Begründung: Sie wollte Stärke beweisen und zeigen, dass sie das alles alleine bewerkstelligen könne. Schlimm eigentlich… Das Fräulein ist gerade mal seit Februar in dem System drin und hat bereits die Einzelkämpfer-Mentalität angenommen, die 20 Jahre später geradewegs ins Burn-Out treibt. Lehrer aller Fächer, vereinigt euch!