Das Abitur. Vermeintlicher Höhepunkt im Leben eines gymnasialen Schülers (bis er merkt, dass das nur die Spitze des Eisberges war). Und ein Ereignis, das bereits Fünftklässler bewegt und mysteriös munkeln lässt. Ich weiß noch, als ich selbst in der fünften Klasse war und erzählt wurde, zur Erstellung eines Abiturs würde man nur die besten Lehrer Bayerns auswählen, die dann in ein Kloster eingeladen werden, wo sie in seclusio tagelang meditieren und beraten, bis ihnen eine Erleuchtung käme, um mit tollen Aufgaben daherzukommen, die der künftigen Bildungselite des Freistaates ebenbürtig sein würden. Diese verklärt-romantische Sicht mittlerweile ein bisschen relativiert. Aber ein gewisser Zauber bleibt bis heute noch erhalten. Daher möchte ich davon mal ein bisschen was verbreiten, damit auch Nicht-Lehrer und Schüler hinter die Kulissen eines so angeblichen Großereignisses blicken können. Denn ein Zauber wohnt dem ganzen Ereignis trotz allem inne.
Schon die Wochen vor dem Abitur sind von einer bemerkenswerten Ruhe vor dem Sturm gekennzeichnet. Die Kollegiaten sind auf einmal noch zutraulicher als sonst, sitzen in der Frühlingssonne auf den Treppen des Schulhauses, in das sie eigentlich gar nicht mehr gehen müssten. Sie bleiben freiwillig ganze Nachmittage, um in netter Atmosphäre mit dem Kursleiter Abiaufgaben durchzuarbeiten und dabei in Anekdoten ihrer Schulzeit schwelgen. Ich lass mich gerne von soviel Wehmut mitreißen – noch dazu, wenn ich die Damen und Herren schon seit der Unterstufe kenne, als sie mir noch bis zum Knie reichten – und gebe eine Runde Kaffee aus. Oder eine Pizza. Und jedes Jahr einen Glücksbringer, der auf einem der zahlreichen Insider-Witze basiert, die wir uns in den Jahren an den Kopf geworfen haben. In den letzten zwei Jahren war es der Bad Pun Dog, der uns regelmäßig zum Lachen brachte. Teilweise arg sparwitzig, aber die ausgedruckten Strips sorgen bei allen für Heiterkeit.
Und plötzlich ist er da, der große Tag. Die Eröffnung des jeweiligen Abis erfolgt, während die meisten unserer Schüler im Bettchen liegen und träumen. Deutlich früher. Um halb sechs müssen wir in der Regel raus, um eine Stunde später im Direktorat zu erscheinen, wo die heilige Abschlussprüfung feierlich aus dem Safe des Chefs entnommen und eröffnet wird. Der Oberstufenbetreuer wohnt dieser heiligen Handlung in der Regel bei und weiß um die Wichtigkeit dieser Prüfung und den Stress, den die Vorbereitung darauf gekostet hat: Die Beratungsgespräche, die Tränen und das verbissene Feilschen um die letzten Punkte, für das unsere Oberstufe seit Jahren berüchtigt ist. Er entlohnt uns deswegen wie jedes Jahr mit einem üppigen Mahl. Beinahe 40 Croissants und Butterbrezen lässt er jedes Mal springen, wenn wir uns in aller Herrgottsfrühe im Direktorat einfinden, um die Abiaufgaben Probe zu lesen. Den Geheften näherte man sich früher mit einem ziemlichen Respekt und einer gehörigen Portion Bammel: Sind die Schüler gut genug von mir vorbereitet worden? Habe ich alle Themenfelder ausgiebig genug behandelt? Sämtliche möglichen Fragen und Methoden abgedeckt? Ein erster Blick entspannt: Alles erwartbar und in irgendeiner Weise mal in den letzten zwei Jahren behandelt. Ein paar Überraschungen gibt es dann allerdings schon. Die diesjährige Listening Comprehension in Englisch handelt von der Erfindung des Rasentennis im 19 Jahrhundert. Wohl aus Vorsicht, keinen der Schüler mit einem lebensnahen Thema zu bevorteilen hat man sich für einen Bereich entschieden, der rein gar nichts mit ihnen zu tun hat. Beim ersten Hören fand ich das Hörstück reichlich absurd, mittlerweile aber eigentlich ganz charmant. Vor allem die sexistischen Ansichten, über die mit entsprechenden Augenzwinkern typisch britisch-nüchtern berichtet wird. Auch die Mediation gefällt mir: Dieses Jahr dreht sie sich um die Revolution des Mickey Mouse-Heftchens, die Anfang der 60er Jahre zu einer Revolution in deutschen Kinderzimmern geführt hat. Durchaus lesenswert – im Gegensatz zu den gestellten Themen in der Composition, die bestenfalls Mittelstufen-Niveau erreichen: Sowohl Cartoons als auch die meisten der Comment-Themen (Should zoos be abolished) sind von der Substanz für eine Reifeprüfung nach acht Jahren Gymnasium doch etwas dürftig. Kein Wunder, dass Jochen Lüders auf seinem Blog die Prüfung gebührend auseinander nimmt. Streckenweise fragt man sich schon, warum man die Schüler über Jahre mit so komplexen Texten in der Qualifikationsphase bombadiert hat. Diese Themen wären auch in der neunten oder zehnten Klasse zu bearbeiten gewesen. Die Schüler wird’s am Ende freuen, denn bei so einer Abiturprüfung richtig ins Klo zu greifen, halte ich für ausgesprochen schwer.
Ob die Schüler das genauso sehen? Die meisten werden das in der Aufregung wohl gar nicht registrieren, wenn sie an ihrem Tischchen in der Turnhalle sitzen, das mit Platzziffer jedem Abiturienten einen eigenen anonymen Arbeitsplatz zuweist. Die Tische sind schon zu Beginn der Prüfung garniert mit haufenweise Proviant und Süßigkeiten. Aber nicht von den Schülern, sondern den Kursleitern, die ihre Schützlinge mit kleinen süßen Aufheiterungen für den folgenden 4-Stunden-Marathon wappnen wollen. Immerhin ist dies die einzige Prüfung im Leben der Schüler, wo sie das Gefühl haben gemeinsam an einer Prüfung zu arbeiten. Aus der jahrelangen Antagonie Schüler – Lehrer wird im Abitur auf einmal eine Allianz. Zu zweit gegen das Zentralabitur. Daher schleichen sich die Kursleiter (also ich) während des Abiturs gerne heimlich in die Turnhalle, um sich zu überzeugen, wie gut die Abiturienten mit den Anforderungen der Aufgaben zurechtkommen. Man sieht ihnen über die Schulter, nimmt Augenkontakt auf, nickt ihnen aufmunternd zu oder steht einfach zuversichtlich in der Gegend rum und repräsentiert (meine Lieblingstätigkeit). Oder hört dem angestrengten Gekritzel von 120 Individuen zu, die in angespannter Ruhe schreiben, unterstreichen, nachrechnen, blättern oder notieren. Gelegentlich steht ein Schüler auf, um auf die Toilette zu gehen. Dafür wird das Prüfungsgeheft abgegeben, die Zeit des “Austritts” darauf vermerkt und auch in einer weiteren Liste eingetragen, bevor eine eigens abgestellte Lehrkraft die Leute den Gang zum WC begleitet. Regelmäßig. Immer wieder. Es ist wie eine kleine Choreographie, die sich im Minutentakt abspielt. Bürokratisch streng geregelt wie alles an diesem Tag: Anfang der Prüfung, Ende der Prüfung. Wer vorher abgibt, muss das Schulgelände sofort verlassen, um keine Informationen zum Abi auszuplappern. Gefeiert werden darf nur in einem eigens dafür ausgewiesenem Bereich – weit von den Augen von Passanten, die beim Anblick von Bierflaschen in Ohnmacht fallen könnten. Aber erst nachdem jedes Abitur abgegeben und einzeln durchgezählt wurde: Die Anzahl der Angaben, die Anzahl der Notizblätter, die Anzahl der Schülerbögen, die Anzahl an leeren Blättern. Alles. Erst dann bekommt man als Kursleiter feierlich seinen Stapel mit Arbeiten überreicht, auf dass die nächsten 16 Arbeitsstunden damit gesegnet seien.
Tja, und da liegt er nun der Stapel. Ich bin mit der Erstkorrektur durch und eigentlich ganz zufrieden. Die Guten haben ihr Niveau gut gehalten und eigentlich genau die Note, die ich erwartet habe. Überraschung gab’s bei den Leuten, die im Schuljahr bei mir immer im Viererbereich waren. Durch die doch recht einfachen Themen war es ihnen in der Regel immer möglich, trotz sprachlicher Fehler inhaltlich immer so viel rauszuholen, dass sie sich in die Dreierriege katapultiert haben. Auch wenn es sich vom Lesen her nicht wie ein Dreier anfühlt. Aber who am I to judge? I’m just a teacher…
Bad pun dog
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Webtipp: Break your own news dot com
In meiner Oberstufe sind in Englisch News of the Week üblich. Jede Woche muss ein Schüler entweder aus den UK oder den USA ein Minimum an drei Nachrichten an den Kurs weitergeben, die in den vergangenen sieben Tagen passiert sind. Wie sie das tun, ist ihnen überlassen: Manche behelfen sich mit OHP-Folien, andere machen eine ganze Power Point Präsentation. Wieder andere beten minutenlang ihr Skript runter, ohne Augenkontakt zur Klasse zu halten. Furchtbar. Um die News of the Week aus diesem Grund ein bisschen mehr wie Nachrichten und nicht wie der Lokalsender von nebenan wirken zu lassen, bin ich ein bisschen auf die Suche gegangen und dabei auf breakyourownnews.com gestoßen.
Das Prinzip ist schnell erklärt: Auf der Seite lädt man ein aussagekräftiges Bild hoch, das man für die Präsentation mit einer Headline (hier grau unterlegt) und einem Ticket (gelb) unterlegen kann, und schwupps – hat man schon einen Eye Catcher im CNN-Look. Die Spielerei hat durchaus auch Sinn, weil die Schüler für die Be- und Untertitelung gezwungen sind, die vorliegende Nachricht in nur ein paar Zeichen auf ihren Kern zu reduzieren. Gar nicht so einfach. Und deshalb lohnenswert!
Wenn ihr ähnliche Seiten gefunden habt, würde ich mich über eure Tipps in den Kommentaren freuen!Hast du eine Meinung dazu? Dann hinterlasse einen Kommentar oder eine Wertung.0 -
Buchtipp: Kritzel dich durch die Geschichte
Zur Abwechslung hab ich auch mal einen kleinen Literaturtipp für euch: Ein Schatzkästchen für die Unterstufe in Buchform. Antiquarisch und in Topzustand. Und viel zu schade, um das gute Stück unerwähnt in die Wellen der Vergessenheit abtreiben zu lassen. Andrew Pinders Kritzel dich durch die Geschichte ist für die kreative Vertiefung des Sachwissens für die kleinen Lateinschützen ideal. Das Buch stellt chonologisch wichtige Episoden der Weltgeschichte dar und bietet ab 200.000 v. Chr. bis in die früheste Zeitgeschichte verschiedene angefangene Szenarien in Bildform, die der Besitzer vervollständigen muss. Pyramidenschmuck, viktorianische Haartracht, die chinesische Mauer oder der Sturm auf die Bastille – jedes der Szenarien ist mit einem kurzen Infotext versehen und einer kleinen Anweisung, die dem Maler erklärt, was zu tun ist. Das ist mal bezaubernd, öfter makaber (abgeschlagene Köpfe auf Speere malen; genau das Richtige für Jungs), aber immer unterhaltsam.
Für die Altphilologen unter uns finden sich knapp 15 nette Anlässe, in denen die Schülerinnen und Schüler Sachwissen und Kreativität zusammenbringen können. Die sieben antiken Weltwunder sind hierbei ebenso Kritzelanlass wie der trojanische Krieg, antike Mythologie, Römerfeinde oder römisches Leben. Mal muss man das trojanische Pferd erschaffen, mal Soldaten einkleiden, dann römische Wandmalereien weiterführen, Hannibals Elefanterie (pun intended) auffüllen, Kerberus furchteinflößender machen oder ein Gladiatorenszenario vervollständigen. Ein sehr putzige Abwechslung, mit der man die berüchtigten Unterrichtsstunden nach Schulaufgaben oder vor Ferien nutzen kann.
Erschienen ist Andrew Pinders “Kritzel dich durch die Geschichte” im Knesebeck Verlag. Das allerdings schon 2011. Deswegen wird man das eine oder andere Antiquariat bedienen müssen. Vielleicht ist das altbekannte zvab.com eine erste Anlaufstelle, wo man fündig werden könnte…Hast du eine Meinung dazu? Dann hinterlasse einen Kommentar oder eine Wertung.0 -
Schulaufgabenyoga
Für einige meiner Kollegen ist das Abhalten von Schulaufgaben eine Wohltat in einem hektischen Schultag. 45, bestenfalls sogar 90 Minuten kann man die Schüler ungestört arbeiten lassen, während man selber ein bisschen zur Ruhe kommt und durchschnauft. Ich hasse diese Zeiten. Ich würde so gerne in dieser Zeit etwas Produktives machen, vielleicht etwas wegarbeiten, aber das kann man sich vollkommen abschminken. Immerhin hockt man vor 30 Herren und Damen, von denen einige nur allzu gerne einen Blick zum Nachbarn riskieren möchten. Hilft also nix, man muss mit Argusaugen über seine Schäfchen wachen. Oder zumindest so tun. Denn früher oder später packt mich dann doch der Lagerkoller und meine Professionalität verabschiedet sich ins Wochenende. Hier mal eine beispielhafte Aufstellung von Aktivitäten während 90 Minuten Oberstufenklausur, die irgendwann eskalieren:
- Schülerbögen austeilen und beschriften lassen
- Angabe der Schulaufgabe ausgeben
- Mít Schülern eventuelle Fragen klären
- um absolute Ruhe bitten
- Arbeitszeit verkünden
- Viel Erfolg wünschen
- Hinsetzen
- Schülerschaft scannen
- aus dem Fenster blicken
- Schülerschaft scannen
- Weihnachtsgeschenke überdenken
- Schülerschaft scannen
- Nachmittag mit Korrekturen im Kopf vorskizzieren
- Laut aufseufzen
- Schülerschaft scannen
- Auf und ab gehen
- Schülerschaft scannen
- Schüler 1 wegen Spickversuchs ermahnen
- Der Schnuffelnase in der 3. Reihe mit väterlich-sorgenvollem Blick ein Taschentuch reichen
- Restzeit durchsagen
- Auf und ab gehen
- Schülerin 2 wegen Spickversuchs ermahnen
- Hinsetzen
- Schülerschaft scannen
- Schüler 3 wegen raschelnden Pausenbrotpapiers genervt mit den Augen fixieren
- Blickduell mit Schüler 3 initiieren
- Blickduell gewinnen: Schüler 3 packt mit hängenden Schultern sein Essen weg
- Schülerschaft scannen
- Aufseufzen
- Gelangweilt die Tafel nass wischen
- Hinsetzen
- Aufstehen
- Schülerschaft scannen
- Schüler 4 von der Seite anreden, weil er absichtlich seinen Nachbarn stört und ihm ständig mit der Hand über das Gesicht fährt
- Zusatzblätter austeilen
- Restblätter durchzählen
- Schüler 4 erneut blöd anreden, weil er den Nachbarn stört
- Blickduell mit Schüler 4 beginnen
- Blickduell gewinnen
- Schülerschaft scannen
- Arbeitszeit durchgeben
- Durch die Klasse gehen
- Schüler 4 durch das Werfen des Tafelschwammes von erneutem Störversuch abhalten
- Blickduell mit Schüler 4 gewinnen
- Zur Tafel drehen und merken, wie Schüler 4 wieder ärgern möchte.
- Hinsetzen
- Racheplan an Schüler 4 planen
- Aufstehen
- Schüler 4 mit dem Klassenbesen traktieren
- Schüler 4 mit dem Klassenbesen über die Angabe wischen
- Zwischenfrage beantworten
- Arbeitszeit durchgeben
- Schülerschaft scannen
- Aufstehen
- Zusatzblätter austeilen
- Schüler 4 mit dem Klassenbesen über die Kleidung streichen
- Arbeitszeit durchgeben
- Schüler 4 wortlos das Lexikon zuklappen, damit er nicht mehr nachschlagen kann.
- Arbeitszeit durchgeben
- Neben Schüler 4 wortlos stehen bleiben und ihn durchdringend anblicken.
- Letzte Arbeitsminuten durchgeben
- Blickduell mit Schüler 4 beginnen und gewinnen
- Arbeiten einsammeln
- Schüler 4 die Arbeit als erstes aus den Fingern reißen
- Klasse entlassen
Disclaimer: Im Verlauf der Schulaufgabe ist kein Schüler 4 zu Schaden gekommen. Ich kenne ihn seit der fünften Klasse und er ist genau wie in der Oberstufe das, was man früher einen kleinen Unhold nannte. Eine solche Behandlung wird ihn nicht von der Top-Leistung abbringen, die er trotz seiner Streiche über die Jahre gebracht hat.
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Spiel und Spaß mit der Dokumentenkamera in Evernote
Bisher schlummerte bei mir in Evernote eine kleine pfiffige Funktion tief in kuschligen Menüs versteckt: Die Kamera. Schade eigentlich, denn ist das Feature übers Widget erstmal erwacht (siehe Bild), stehen damit ein paar ziemlich coole Möglichkeiten zur Verfügung, die ich auch im Schulalltag mit einem einzigen Knopfdruck aktivieren kann. Ich habe jetzt schon einige Monate mit der Kamera durchfotografiert und präsentiere die ersten stolzen Ergebnisse, die in Sachen Qualität allerdings deutlich denen von Evernotes Scannable nachstehen sollen. Leider gibt’s dieses Programm derzeit nur für iOS, daher kann ich dazu leider nichts sagen.
Tafelbilder: Mist! Die Stunde ist vorbei, das Tafelbild noch in Entstehung – in einer Lehrprobe der Tod einer Stunde, im regulären Lehrerleben oftmals die bittere Realität. Normalerweise würde man sich nun merken, wo man aufgehört hat, in der nächsten Stunde alles soweit erneut abpinseln und mit den Schülern fertigstellen. Mit der Dokumentenkamera geht das viel besser: Man fotografiert das Bild einfach ab, projiziert es in der nächsten Stunde mit dem Beamer an die Wand und schreibt es einfach am Tablet fertig. Die Bilder lassen sich nämlich direkt aus Evernote heraus mit den üblichen Notizprogrammen öffnen und dort bearbeiten.
Abfotografieren von Dokumenten: Das klappt vor allem bei Dokumenten, die sich bei Lehrern ja tonnenweise im Fach stapeln können. Vor allem gegen Ende des Schuljahres türmt sich der Berg an Hinweisen zu Exkursionen, Mitteilungen und extrakurrikularen Aktivitäten. Viele dieser Termine vergesse ich gerne schon allein aufgrund ihrer auftretenden Masse, zum anderen, weil ich sie exakt einmal am schwarzen Brett registriere und dann im Geiste ad acta lege. Sind die Dokumente allerdings abfotografiert, stehen sie in Evernote immer zur Verfügung. Dort habe ich ein Notizbuch “Termine” angelegt, in die ich sämtliche dieser Dokumente speichere. Dank der Dokumentkamera sogar recht akkurat, da sie die geschossene Vorlage perspektivisch korrekt zurechtstutzt, sodass am Ende alles gerade aussieht. Das funktioniert erstaunlich akkurat. Hier mal ein Test: Ein Blatt Papier bei wirklich unvorteilhaften Lichtverhältnissen aufgenommen und anschließend das, was Evernote und die Dokumentenkamera daraus macht:
Schulaufgaben: Für größere Klassenarbeiten greifen viele Kollegien gerne auf einen gewissen Pool an Tests zurück, die sich so über die Jahre angesammelt haben, um sich für ihre eigenen Leistungsnachweise etwas inspirieren zu lassen. In der Regel sind diese Dinger schön in einem Ordner in irgendeinem Schrank des Lehrers archiviert… und damit meistens nicht greifbar, wenn man sie tatsächlich braucht. Ich zum Beispiel bereite meine Tests tendenziell immer zuhause vor. Wie gerne würde ich da einen Blick in dieses Archiv werfen. So muss ich immer bis zum nächsten Tag warten, um den Test fertig zu machen. Es sei denn…
… man hat Tests mit der Dokumentenkamera abfotografiert und in Evernote in einem eigenen Notizbuch abgelegt, in dem sie schön nach Jahrgangsstufe archiviert sind. Das Tollste daran: Wenn man das Notizbuch mit Kollegen teilt, kann jeder seinen Beitrag leisten und entsprechende Schulaufgaben als JPG, PDF oder Doc-Format ablegen. So häuft sich in ganz kurzer Zeit ein riesiger Fundus an Prüfungen an, auf den man immer und überall zugreifen kann.
Nifty!Hast du eine Meinung dazu? Dann hinterlasse einen Kommentar oder eine Wertung.5 -
Wörterlernen 2.0
Katastrophe bei meinen Sechsten. Die Schulaufgabe ist – mal wieder – unterirdisch ausgefallen. Die 4-Minus-Mentalität meiner Schützlinge macht sich in allen Fächern bemerkbar, aber nirgendwo haut sie unbarmherziger zu als in Latein. Ich habe gepredigt, geübt, mit Eltern Kontakt aufgenommen, vorentlastet, wo’s nur geht. Aber es hat nichts geholfen.
Nach dem jüngsten Debakel musste ein Erste-Hilfe-Paket geschnürt werden. Deswegen habe ich den Schülern zuerst einmal eine Fehleranalyse verordnet, damit ich wusste, wo der Schuh genau drückt. “Ihr müsst mehr lernen” ist ein bisschen arg generisch. Aber wenn man sagt “Ihr müsst mehr Kasuslehre aufgeschaufelt bekommen” ist die Anweisung konkret und damit schaffbar. Also galt es Fehler zu zählen, zu kategorisieren und aufzuschreiben. Für viele sichtlich das erste Mal, dass sie sich mit ihren Fehlern beschäftigt haben (ich schreib nur jedem einen Dreizeiler unter die Schulaufgabe, aber wer liest das schon? Gut zu wissen…). Das Ergebnis war eindeutig.
Die Lücken im Wortschatz sind immens. Trotz ständiger Wiederholung sitzt vor allem das alte Vokabular hinten und vorne nicht. Wer die unregelmäßigen Verben halt nur “so ein bisschen” (O-Ton!) lernt, muss sich nicht wundern, wenn er sie alle durcheinander bringt. Egal ob concedere, condere, conspicere, contendere oder consuescere. Für die Sechsten ist das einerlei. Heißt alles dasselbe… Deswegen bin ich neue Wege gegangen. Neue digitale Wege.
Seit drei Wochen wird für jede Stunde ein Protokollant bestimmt, der jedes Wort, das nicht gewusst, verwechselt oder von mir genauer nachgefragt wird, in seiner Grundform mitgeschrieben und online in eine Liste eingetragen. Das lässt sich mit Etherpad oder das noch viel flinkere zum-pad ebenso bewerkstelligen wie mit GoogleDocs. Ich habe letzteres gewählt, weil sich die Sechste seit diesem Jahr in Informatik mit Word auseinandersetzt und viele ihrer Kenntnisse aufgrund des ähnlichen Layouts leicht umsetzen können. Das Eintragen der Wörter macht den Schülern großen Spaß. Viel zu großen. Einige ergehen sich in wahren Layout-Höhenflügen und markieren, färben ein, bauen mit dem Zeichentool Klassenlogos oder fügen wahllos Tabellen ein – alles im selben Dokument. Die Datei sah daher nach nur zwei Tagen aus, als hätte man eine Bande Vierjähriger darauf losgelassen. So richtig verübeln kann ich’s ihnen aber nicht, solange die Schüler ihren Job tun und die Liste erstellen. Denn damit lassen sich einige Dinge anstellen, die das Wörterlernen sinnvoll unterstützen und sich deutlich vom üblichen Wortschatzlernen im Schulbuch abheben.- Da die Schüler auf den Listen lediglich die Grundformen vorfinden, müssen sie die restlichen Formen selbständig ergänzen. Für motorische Lerner perfekt, um nachzuprüfen, ob man schon alles drauf hat oder sich was vorspielt. Papier kann man nicht anlügen. Steht hinterher beim Nachprüfen ein Fehler, ist das halt so. So sehen die Schüler sofort, wo der Schuh drückt.
- Mit einem Mausklick lässt sich die Wortliste umarrangieren – letztlich wie beim Durchmischen eines Zettelkastens. Vor allem die Kandidaten, die gerne ähnlich anlautende Wörter durcheinander bringen, profitieren davon, denn mit einem Mausklick auf alphabetisches Ordnen stehen die Übeltäter schwarz auf weiß untereinander. Zwar ist das bei alphabetischen Wiederholungswortschätzen im Buch ganz genauso. Hier ist der Schüler allerdings wieder durch das schriftliche Ergänzen zu viel mehr Aktivität angehalten als beim Wiederholen eines bereits abgedruckten Wortschatzes, wo man nur lesen und vorsagen kann. Auch für eventuelle Merkhilfen und Eselsbrücken ist auf den Schülerlisten Platz. Was ähnliches in ein Schulbuch zu kritzeln, dürfte wohl den Drachen der Schulbibliothek zur Folge haben.
- Die Listen lassen sich ganz hervorragend in einige Apps 2.0 einspeisen und für Lernzwecke verwenden. Ich habe mal das Experiment gewagt und aus der Liste für die Schüler eine Word Cloud gebastelt. Online stehen dafür viele hübsche Seiten zur Verfügung, ich habe mich aber letztendlich fürs recht schnöde gehaltene Wordle entschieden. Wieso? Die anderen Lösungen sind grafisch zu verspielt und schummeln bei der Darstellung zugunsten der Ästhetik. So werden viele der Wörter aus den Listen vervielfältigt, um die gewünschte Form zu erreichen, ganz egal, wie häufig sie auf der Liste stehen. Das möchte ich aber nicht. Ich will eine exakte Darstellung, die genau nur die Wörter in der Anzahl darstellt, wie sie auch von den Schülern eingetragen worden ist. Der Clou ist nämlich der: Wordle stellt die Wörter, die mehrmals genannt werden entsprechend größer dar als die, die nur einmal eingetragen wurden. Für die Wörterliste bedeutet das: Wörter, mit denen mehrere Schüler Probleme hatten, sind deutlich größer und damit auffälliger. Das kann ich mir beim Lernen prima zunutze machen.
Die Schüler sind angehalten, bei der Wiederholung mit den größten Wörtern anzufangen. Dadurch, dass wir beim Wiederholung die großen Problemfälle an den Beginn der Wiederholungssequenz stellen, wo die Konzentration bekanntermaßen noch am höchsten ist, und auch entsprechend groß darstellen lassen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Schüler diese Vokabeln behalten, entsprechend hoch. Noch besser: Die Schüler sollen jede der Grundformen farbig nachfahren, sobald sie sie richtig haben. Damit fördern wir einerseits noch einmal die motorische Repräsentation, gleichzeitig sehen die Schüler so ganz deutlich, welche Formen sie schon können und welche noch nicht (diese sind ja noch grau). Vor allem letzteres Verfahren hat bei den Kleinen ganz super gefruchtet. Das Wörterlernen und -wiederholen ist für sie zu einem riesigen Highlight geworden. Jede Stunde gehen dafür fast 10 Minuten drauf, was die Progression im Unterricht schon immens nach unten schraubt. Aber in diesen zehn Minuten habe ich sie alle fokussiert bei einer Unterrichtsphase, in der jeder sein Erfolgserlebnis hat – vorausgesetzt er oder sie lernt dafür auch entsprechend. Um da auch eine entsprechende Konsequenz reinzubringen, teste ich alle zwei Wochen die Vokabeln aus zwei Word Clouds in einem angesagten Wortschatztest. Das ist überschaubar, das ist transparent. Erste Erfolgsergebnisse zeigen sich schon. Hoffen wir mal, dass sich das auch in der nächsten Schulaufgabe niederschlägt. Da werden die Word Clouds nämlich neben dem aktuellen Lernvokabular für den Übersetzungstext verbraten. Muss doch mit dem Teufel zugehen, wenn die Anzahl der Wortschatzfehler dieses Mal nicht zurückgeht!
Update 2017: Wie ich mit Ärger feststellen musste, funktioniert Wordle unter Windows 10 nur noch bedingt, bzw. gar nicht, wenn man mit dem Chrome-Browser arbeitet. Dank Martina Grosty habe ich den Tipp bekommen, das ganze noch einmal über den Internet Explorer zu versuchen, der sich in Windows 10 nach wie vor im Hintergrund schüchtern versteckt (Achtung, das vom Internet Explorer bekannte “e” in der Taskleiste verlinkt nicht auf selbigen, sondern den Nachfolger Edge). Für den Internet Explorer muss man in der Suchleiste danach forschen.
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Prüfungsangst?
Bei einer so lernintensiven Sprache wie Latein halte ich es wie beim Bau eines Gebäudes: Am Anfang steht das Fundament. Und das muss tadellos sein. Um sicherzugehen, dass das bei einem Haus der Fall ist, schicken die Behörden öfter mal ein paar Leute vorbei, die nach dem Rechten sehen und das eine oder andere Mal meckern, wenn dem nicht der Fall ist. Bei meinen Fünftklässlern tue ich das auch. Nämlich mit einer Flut an schriftlichen Abfragen. Über das Jahr verteilt kommen so alles in allem mehr als 20 Extemporalen zustande. Zusammen mit den Schulaufgaben und den Ausfragen habe ich damit am Ende des Jahres mit knapp 30 Einzelnoten von jedem Schüler ein sehr repräsentatives Bild über seine Leistungen. Jetzt kann man dies bezüglich auf zweierlei Arten meckern:
- 20 Exen, das ist ja ein riesiger Mehraufwand! Das muss man alles korrigieren. Ja, muss man. Aber ich tue das in der Gewissheit, dass mir keiner nachsagen kann, der akademische Fortschritt der Kleinen würde mir nicht am Herzen liegen.
- 20 Exen, das ist ja übelster Nazi-Drill! Das ist für die Kinder ja purer Horror! Au contraire, mon frère: Durch die ständige Abfrage nehmen die Schüler die Ex am Ende jeder Lateinlektion als festen Bestandteil der Unterrichtssequenz wahr, der ebenso wie Hausaufgabenverbesserung, Neudurchnahme oder Abfrage in den Verlauf der Lateinstunde integriert ist. Zudem haben sie auf diese Weise die Gewissheit, dass eine Ex, die sie verhauen haben, kein Grund für Tränen ist. Es folgen ja noch 19 weitere, in denen man den Karren sofort wieder aus dem Dreck holen kann.
Sehen wir uns mal die Schülersicht an. Die Kleinen wissen von Beginn an, was da auf sie zukommt. Und je besser und schneller eine Klasse durch die ständige Erkenntnissicherung wird, umso mehr beflügelt man sich gegenseitig zu Höchstleistungen, um die Leistungen der letztjährigen fünften Klasse zu übertrumpfen. Als ich meiner Fünften letztes Jahr eröffnete, dass ich mit ihnen zum ersten Mal die 25er-Grenze geknackt hatte, brach ein riesiges Jubelkonzert aus. Ein paar gaben ihren Emotionen sogar in der Ex selber nach. Das Ergebnis sieht man hier:
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