• Allgemeines,  Technik

    Let there be chchchchchchch!

    Liebe Gemeinde,
    heute wird es mal nerdig. So richtig nerdy nerd. Noch dazu, wo das Thema vermeintlich überhaupt nichts mit den sonst behandelten Themen im Blog zu tun hat. Mit Betonung auf “vermeintlich”. Vielleicht habe ich aber auch noch das eine oder andere in der Hinterhand… wer weiß? Legen wir mal los!

    Es war einmal

    Wenn es einen Klang gibt, der meine Kindheit in den 90er Jahren am besten beschreibt, dann ist es wohl dieser hier:

    Ihr kennt ihn bestimmt. Es ist der Game Boy von Nintendo. Es ist jetzt genau 30 Jahre her, dass ich meinen zum ersten Mal in den Händen hielt. Mit zitternden Lettern eines Elfjährigen ist das Datum unseres Kennenlernens auf der Verpackung bis heute vermerkt.

    Der Schatz meines elfjährigen Ichs 🙂

    Über vier Jahre war der Kleine mein ständiger Begleiter. Zuhause, auf Autofahrten, im Bus, bei Freunden, am Strand, heimlich auf dem Schulhof. Überall. Als Kinder der 90er waren wir alle von dem neuen Konzept Portable Gaming, wie es der Game Boy verkörperte, völlig von den Socken. Permanent verschiedene Spiele unterwegs daddeln zu können, egal wo man sich befand – das war radikal neu! Und auch wenn man sich heute nur mit Mühe vorstellen kann, dass dieses klobige Ding tatsächlich in eine Hosentasche gepasst haben soll (ging gerade so!) – er war überall dabei. Und ich mit ihm. In unzähligen Königreichen und Fantasiewelten.

    Bild von mobygames.com

    Ich habe in Mystic Quest nach dem Mana-Baum gesucht und fand auf Cocolinth das Ei des legendären Windfisches. Mit Mega Man an meiner Seite befreite ich die Welt mehrmals von Dr. Wily, rettete mit den Turtles zwei Mal New York vor Shredders Foot Clan. Ich war Drache Firebrand. Ich war Batman. Ich war Kid Dracula. Ein Nachfahre von Simon Belmont, Scrooge McDuck, ein Battletoad, ein Motocross- Fahrer, Hulk Hogan, eine Murmel in Marble Madness, ein Blob, eine Tomate oder wahlweise Kartoffel in Kwirk… und im realen Leben irgendwann dann doch ein Teenager, der sein liebgewonnenes Spielzeug über hatte. Die Pubertät war angebrochen. Ich hatte andere Dinge im Kopf. Und mein Game Boy wanderte an einen Ehrenplatz im Schrank meines Jugendzimmers, wo er 25 Jahre im Dornröschenschlaf verbrachte.
    In all der Zeit habe ich ihn kein einziges Mal geweckt, um mich der Nostalgie hinzugeben, die das Gerät zweifellos in sich barg. Es aber zu verkaufen, brachte ich nie übers Herz. Kurzfristig flammte das Interesse wieder auf, als ich mit Keyboarding und Synthesizern gegen Ende der Schulzeit anfing und auf LSDJ aufmerksam wurde: Ein Programm auf einer handelsüblichen Spielekassette, mit der es tatsächlich möglich, den Game Boy in ein Musikinstrument zu verwandeln – das klang richtig interessant. Immerhin haben mir die quirligen Chips Sound des Game Boys immer imponiert. Viele Melodien der Spiele hatten sich in mein Gehirn gebrannt, einige hatte ich als Kind sogar auf Kassette überspielt, um sie auch über die heimische Stereoanlage hören zu können (ganz zum Leidwesen meiner Eltern). Aber ein Blick auf die Kosten für eine Plastikcartridge, für die auch noch Versandkosten anfielen, hätten mein Schüler-Budget schnell gesprengt. Und damit war das Vorhaben gestorben. Vorerst. Umso erfreuter war ich, als ich letztes Jahr durch Zufall bemerkte, dass sich nach 20 Jahren die Zeiten geändert hatten: Die Software gab es mittlerweile als kostenlosen Download, Game Boy Cartridges ließen sich mit Hilfe von SD-Karten unbegrenzt mit Daten befüllen. Und so wurde nach 30 Jahren wahr, was ich immer haben wollte: Ein Synthesizer, der wie ein Game Boy klingt. Also nicht lange gefackelt und den EZ Flash Junior samt SD Karte bestellt und mein heimisches Jugendzimmer aufgesucht, um das graue Schneewittchen aus seinem Styroporkarton zu befreien… Und erstmal bekam ich einen riesigen Schreck.

    Ich bin der Gilb…

    mein Game Boy links im Nikotin-Look im Vergleich zu einem Gerät in tadellosem Zustand

    Denn das Plastik des Gehäuses war über die Jahre völlig vergilbt. Weiß der Geier, was da passiert war, aber es sah aus, als hätte das Gerät mehrere Jahre mit bzw. in einem Kettenraucher verbracht. So etwas in die Hand zu nehmen um Musik zu machen… nein danke. Noch verstörter war ich, als ich das Gerät einschaltete. Zwar sprang der Game Boy nach 25 Jahren sofort an, als sei nie etwas gewesen. Aber die nostalgische Verklärung hatte mich völlig vergessen lassen, wie unterirdisch dieser Bildschirm gewesen war. Ohne Hintergrundbeleuchtung war man ständig gezwungen sich auf den viel zu winzigen Bildschirm zu konzentrieren. Noch schlimmer wird’s, wenn sich dann auch noch etwas darauf bewegt. Dann zieht das Bild deutliche Schlieren, die meinen nicht mehr ganz so jungen Augen auf Dauer echt Kopfschmerzen verpassen. Es war relativ schnell klar: Mit diesem Gerät im Jahre 2021 noch irgendetwas anfangen zu wollen, ging in dieser Form nicht. Es musste ein Facelift her. Und so bestellte ich für meinen Game Boy aus dem Jahre 1991 bei einem deutschen Modding-Vertrieb ein rundum neues Gewand.
    Das Paket war in Windeseile da. Nach gerade mal drei Tagen waren alle Komponenten beieinander. Mit einer Vorfreude wie zu Weihnachten barg ich des Kaisers neue Kleider aus den Kartons: Von Steuerkreuz.net gab es ein neues blaues Gehäuse, samt neuer Knöpfe in Gelb, ein neues Batteriefach, das nun mit Akku betrieben wird statt einmal die Woche ein Quartett der berühmten AA-Batterien zu verheizen. Und dann noch von ebay ein neues Display, das mit Hintergrundbeleuchtung und Technologie aus dem 21. Jahrhundert meinen Augen ein bisschen Erholung verschafft. Das Equipment war da. Nun galt es Hand anzulegen.

    Des Kaisers neue Kleider

    Face-Lifting

    Zunächst wurde der Gameboy aufgeschraubt und in zwei Hälften zerlegt. Ein Datenband, das die beiden Teile zusammenhält, musste beim Öffnen vorsichtig abgezogen werden, damit nichts von der Platine abreißt:

    Das Innenleben eines Gameboy Classic mit dem alten LCD-Bildschirm oben)
    Einsetzen des Displays mit Klebeband

    Die vordere Platine, die den alten Bildschirm beinhaltet, wurde komplett gegen den neuen ersetzt und im neuen Gehäuse millimetergenau mit Hilfe eines doppelseitigen Klebebandes in der neuen Schale fixiert. In Ermangelung eines Rahmens, der beim Positionieren hilft, war das eine recht fummelige Angelegenheit. Darunter fanden die neuen Knöpfe und das Steuerkreuz in der Verschalung Platz. Die alten hatten über die vergangenen drei Jahrzehnte einen gewissen unappetitlichen Film angesetzt, der vom Aussehen her irgendwo zwischen Batteriesäure und Ohrenschmalz lag. Also weg damit. Die Rückseite der neuen blauen Schale durfte die alte Hardware behalten und ließ sich ganz unproblematisch festschrauben. Dann noch beide Hälften wieder mit dem neuen Kabelband verbinden und einen ersten Testvorgang mit Batterien starten. Es klappt!

    It’s alive!

    Gut gebrüllt, Kätzchen!

    Links am Eck findet sich Platz für die Audio-Buchse

    Als nächstes stand ein neuer Audioausgang auf dem Programm. Über den integrierten Kopfhörerausgang klangen die Original Game Boys nämlich immer etwas leise und vor allem verrauscht, daher war dieser kosmetische Kniff für ein sinnvolles Arbeiten unabdingbar – der Kleine soll ja in ein Musik-Setup integriert werden. Dank einiger Modding-Videos lässt sich schnell lokalisieren, wo in dem kleinen Gehäuse noch ein paar Millimeter für einen zusätzlichen Ausgang zu finden sind. Dann einfach ausmessen und mit dem Bohrer vorsichtig an der entsprechenden Stelle ein Loch von 6mm Durchmesser ins Gehäuse knüppeln. Im Gehäuse wird von innen durch die neue Öffnung eine handelsübliche 3,5mm Klinkenbuchse geschoben (der Hals der Buchse sollte mehr als 40mm haben, sonst passt er nicht durch die dicke Gehäusewand der Verschalung) und mit der mitgelieferten Schraube fixiert. Abschließend werden nun drei Kabel – Masse, linker und rechter Kanal – am Mainboard an entsprechender Stelle angelötet (wir haben uns für die Pre-Poti-Variante entschieden, weil ich die Lautstärke des Game Boys ohnehin über den Mixer steuern werden) und mit der neuen Buchse verbunden.

    Zum Glück gibt’s Youtube. Video von Joe Bleeps

    Fertig ist der kleine Schreihals!

    Das Ohr zur Welt

    Finishing Touches

    Als letztes wird mit vorsichtigen Händen das Gehäuse wieder verschraubt, der neue Akku eingebaut, nachdem man ein paar der Batteriefedern aus dem Gehäuse gezogen hat, und vorne eine Displayscheibe an der Vorderfront angebracht, um den neuen Bildschirm vor Staub zu schützen. Nun mit klopfenden Herzen den neuen Anschalter ausprobieren und hoffen, dass alles klappt…

    Es kann losgehen

    Und es klappt! Er quäkt! Und wie!

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    5
  • Allgemeines,  Pädagogik,  Unterricht

    Ein Käfig voller Narren

    Da hab ich nicht schlecht gestaunt, als ich am Faschingsdienstag in die Online-Lateinstunde meiner Klasse trat. Die Kinder hatten – anders als sonst – die Sitzung von sich aus gestartet und sämtliche Kameras eingeschaltet, um sich vor dem Bildschirm zu zeigen. Und jeder einzelne war verkleidet! Alle waren sie da: Die Prinzessin. Der Indianer. Der Punk. Ein Tina-Turner-Imitat mit explodierter Glitzer-Fönfrisur. Ein Papagei, eine Hexe, ein Einhorn. Selbst der Quoten-Proll war anwesend, mit Unterhose auf dem Kopf. Und alle waren sie bestens gelaunt und ohne Reue, dass am Faschingsdienstag dieses Jahr Unterricht stattfinden muss.
    Wir gehen es hochmotiviert an, üben ein bisschen, besprechen die Hausaufgabe – und nutzen die restliche Zeit, um einfach mal wieder Schmarrn zu machen. Wir spielen über den Bildschirm “Alles, was Flügel hat, fliegt”, versuchen uns im Galeriemodus an einem Klassen-Macarena und freuen uns, dass wir einfach mal wieder kurz durchatmen können – selbst wenn es uns offiziell verboten ist. Denn eine konkrete Ansage, wie die Faschingswoche angesichts der neuen Umstände nun konkret aussehen sollte und die ich am Freitag so erwartet hatte, kam erst in den Medien am Montag Nachmittag – und da hatten wir im Klassenteam und mit dem einhelligen Placet der Eltern schon alles beschlossen. Denn wir waren uns in einer Sache absolut einig:  Die Kinder brauchen die Pause. Und sei es nur, um einfach mal wieder ein bisschen rumzublödeln. Denn was in den Monaten eindeutig zu kurz kam, war die Beziehungspflege. Und die kann ein Videounterricht nur ansatzweise ersetzen. Zum Beispiel mit einem Gruppenmacarena 🙂

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    5
  • Allgemeines,  Technik,  Unterricht

    Lockdown 3

    Es ist nicht zu fassen, aber nun beenden wir wirklich Woche fünf des Schullockdowns bei uns in Bayern. Man möchte ja glauben, dass sich die Zeit wie Kaugummi zieht, da jeder Tag dem anderen gleicht: Ohne Schulweg fehlt die räumliche Trennung zwischen Arbeit und Privatleben, die in unserer Profession ohnehin als schwierig gilt, vollends. Der Blick aus dem heimischen Arbeitszimmer ist mein Fenster in die Winterwelt da draußen. Hübsch anzusehen ja. Aber ich sehe sie tagtäglich und rund um die Uhr.

    Der Münchner Westpark im (F)lockdown 2021

    Ein bisschen Abwechslung kommt sporadisch im Schulhaus auf, in das ich mich einmal in der Woche begebe, um als Systembetreuer nach dem Rechten zu sehen. Aber viel ist da auch nicht los. Zwar ist die Oberstufe zur Hälfte wieder vor Ort, doch so richtig belebt wird ein Schulhaus durch eine Handvoll Menschen nicht wirklich. Fast gespenstisch liegen die Gänge in der Frühe teilweise unbeleuchtet da (Bewegungsmelder an der Beleuchtung schieben dieser Tage eine echt ruhige Kugel). Einmal in der Minute klickt irgendwo auf dem Gang ein Uhrenzeiger vor sich hin. Irgendwo rauscht die Januarluft in ein versehentlich offen gelassenes Fenster. Mehr ist nicht. Aber langweilig wird es nie. Dafür haben wir gar keine Zeit. Wie in einem Schnellzug rauschen die Tage an uns vorüber. Es gibt so viel zu tun. Mit der Öffnung für die Oberstufe sind einige von uns gezwungen einen Teil ihres Unterrichts vor Ort in der Schule, den anderen zu Hause vor dem Rechner zu abzuhalten. Um das ständige Hin und Herpendeln zu minimieren, habe ich in der Schule mehrere Klassenzimmer online-fähig für Videounterricht gemacht. Doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und der Computer zu Hause fühlt sich schlichtweg vertrauter an als irgendein Klassenzimmer-Laptop, an dem jeder seine Finger hat. Eine gewisse Skepsis gegenüber der Schultechnik bleibt bestehen. Ich kann’s aber verstehen, liegt es doch zu einem Teil auch an der seltsamen Gesamtsituation, in der einfach ein großes Maß Unsicherheit im Ganzen herrscht

    Quo vadimus?

    Quelle: muenchen.de

    Nächste Woche sollte die zweite Jahreshälfte losgehen – eingeleitet wie immer durch die Faschingsferien, die uns in einer Pressekonferenz Anfang Januar gestrichen wurden. Begründet wurde der Ausfall mit dem Hinweis auf die entstehenden Lücken im Lehrplan, die durch den Lockdown verursacht sind. Daher sollen in dieser zusätzlich geschaffenen Arbeitswoche im Präsenzunterricht die Inhalte nachgeholt werden, die aufgrund des weitreichenden Unterrichtausfalles nicht zu schaffen waren. Das war der Plan. Jetzt sind fünf Wochen vergangen, und Präsenzunterricht nächste Woche wird definitiv nicht passieren. München weist aktuell zwar einen erfreulichen Inzidenz-Wert von unter 50 auf. Dieser positive Trend gilt aber definitiv nicht für ganz Bayern. Auch das Aufholen von Unterricht dürfte in meinen Klassen schwer werden. Denn es gibt nichts zum Nachholen. In sämtlichen Klassen haben wir es hinbekommen, unser Tempo zu halten. Es wird regelmäßig geübt, gelernt, wiederholt. Die Schüler laden ihre Arbeiten bei Mebis hoch, die ich ihnen korrigiere und zurückschicke. Es läuft einfach. Was mache ich also jetzt nächste Woche? Darf ich meine Klassen in die Ferien schicken, weil sie aktuell auf dem Stand sind, auf dem sie sein sollten? Eine tatsächliche Antwort steht noch aus. Stattdessen kam aus dem Kultusministerium am Dienstag ein Schreiben, das die Lehrer auffordert, weiterhin flexibel zu bleiben. Mit einer tatsächlichen Entscheidung wird man wohl bis Freitag warten müssen – zwei Tage, bevor es losgeht. Es bleibt also spannend.

    Die kleinen Helden

    Die Kinder selbst sind nach wie vor im Unterricht mit Feuereifer dabei. So langsam stellen sich aber echte Ermüdungserscheinungen ein. Regelmäßig bekomme ich als Klassleiter von den Eltern zu hören, dass die Kinder vom ständigen Starren auf dem Bildschirm schlichtweg groggy werden und für den restlichen Tag zu nichts mehr zu gebrauchen sind. Des Weiteren kommt über die Wochen immer mehr und mehr der Wunsch nach Feedback der Kinder herein. Hier spielt mebis immer mehr seine Stärken aus. Da ich jede Stunde eine kleine Übung über h5p oder als große Feuerprobe einen mebis-Test mit Zeitrahmen erstelle (muharhar), können die Eltern, die Kinder und ich ganz bequem einsehen, welche Aufgaben erledigt sind und welche noch nicht; bei welchen eventuell etwas nachgebessert werden soll,  und welcher Stoff sitzt. In dieser Hinsicht geht einem Distanzunterricht, der rein über Vidoeunterricht läuft, dann doch spürbar die Luft aus. So wie bei uns allen. Ganz erstaunlich, wenn man bedenkt, dass in diesen Wochen ja angeblich nur ein bisschen Schule stattgefunden hat…

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    4.5
  • Allgemeines

    Jahresrückblick 2020

    Auch wenn in diesem Jahr so einiges anders war als sonst, wollen wir uns doch ein letztes Mal um so etwas wie Normalität bemühen und Traditionen aufrecht erhalten: Zum Beispiel den Jahresrückblick kurz vor Silvester.  Wie Corona alles durcheinander gebracht hat, merkt man erst, wenn man sich mal die Retrospektive von letztem Jahr ansieht.

    Als Systembetreuer war ich dieses Jahr – das kann man mit Fug und Recht behaupten – der begehrteste Mann in der Schule. Was ab Mitte März bei mir los war, hätte ich vor zwölf Monaten nie für möglich gehalten. Über vier Wochen standen die Leitungen täglich über 12 Stunden am Tag nicht still. Egal, ob Telefon, eMail, Info-Portal, Mebis, Telegram, Whatsapp, Eltern-Portal oder Webex Teams. Permanent gingen Nachrichten ein. Von Kollegen, von befreundeten Lehrern, von Eltern, von Schülern, vom Direktorat. Jeder mit einer eigenen Anfrage: Wo ist das Mebis-Passwort? Wie komme ich in Webex-Teams? Bei mir wird das digitale Klassenzimmer nicht angezeigt. Warum? Warum können wir nicht Zoom nutzen? Warum nicht Discord? Oder Microsoft Teams? Wer setzt die Nachrichten zu Corona auf die Homepage? Kann man aus dem Klassenzimmer streamen? Darf man aus dem Klassenzimmer streamen? Wer setzt ein Schreiben auf zu den Online-Verhaltensregeln während einer Videostunde? Du? Wo bekomme ich Webcams her? Hat die Schule noch Mikrofone übrig?
    Das Bombardement hielt über Wochen an. Und es gab wirklich ein paar Tage, an denen ich erst nach 12 Stunden vom Rechner aufgestanden bin – mit einem riesigen Schädel und einem seltsamen Klopfen im Ohr, das gewaltig nach sich anbahnenden Hörsturz klang. Aber es lief. Insgesamt erstaunlich gut sogar.
    Was wir als Kollegium in dem letzten halben Jahr auf die Beine gestellt haben, ist schlichtweg beeindruckend. Vor allem mit dem Wechsel zu Microsoft Teams hat es so einen richtigen Ruck gemacht. Die Software läuft ohne nervende Installation auf jedem Rechner der Schule direkt im Browser, kommuniziert problemlos mit Mikrofonen und Webcams, sodass selbst Technophobe gut damit zurecht kommen. Die Freizeit wurde flächendeckend und bereitwillig für Fortbildungen zu digitalen Tools genutzt. MS Teams, H5P, LearningApps, LearningSnacks, Mebis, PowerPoint. In alles wurde hineingeschnuppert und im Anschluss mit Interessierten geteilt. So eine Mentalität wäre vor einem Jahr noch kaum denkbar gewesen.
    Mit dem Blog selbst geht’s in Jahr zwei der Wiedergeburt eigentlich ganz gut. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Besucherzahlen mehr als verdoppelt, liegen aber natürlich weit entfernt von den fabulösen Werten vom Halbtagsblog, aber immerhin wurde ich vor ein paar Monaten als “berühmtester Lateinlehrer auf Twitter” betitelt (Quelle leider verlegt). Daran kann man aufbauen 😉
    Zusätzlich Mini-Fame gab’s dieses Jahr auch bei meiner ersten Online-Fortbildung zusammen mit Christian Mayr zum Thema H5P. Aufbauend darauf steht im kommenden Januar meine erste RLFB in unserem schönen Regierungsbezirk Oberbayern Ost auf dem Plan. Ich bin gespannt und hoffe, all das, was ich die letzten Monate gelernt habe, an interessierte Kollegen weitergeben kann. Weitergeben, was ich mal wieder im Twitterlehrerzimmer gelernt habe, dem dieses Jahr ein ganz besonderer Dank gilt. In der Lockdown-Zeit, wo viele Schulen wegen Corona noch in Schockstarre gefangen waren, fand man dort nichts als tätige magistri magistraeque, die unzählige Tipps für sinnvollen digitalen Unterricht auf Lager hatten. Dazu noch permanent Empfehlungen zu im Distanzunterricht erprobten Tools und Plattformen, die man alle dankbar annahm und gewinnbringend an sein eigenes Kollegium weitergeben konnte. Vielen Dank dafür nochmal! Ohne euch wäre ich (und viele andere) damals echt aufgeschmissen gewesen.
    Aber genug davon! Das Fondue brodelt, das Baguette ist aufgeschnitten und in der Schublade wartet von letztem Jahr noch ein unterwältigendes Tischfeuerwerk, das gegen Mitternacht enttäuschen möchte.
    Rutscht gut rüber und bis bald im neuen Jahr!

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    5
  • Allgemeines,  Alltag,  Technik,  Unterricht

    Advent und Appventskalender 2020

    Tote Hose am Black Friday

    Machen wir uns nichts vor: Auch die kommenden Wochen werden so völlig anders ablaufen als wir uns das noch vor einem Jahr vorgestellt haben. Vor allem jetzt in der staadn Zeit, in der die Tage kürzer und deutlich kälter werden, würde es einen geradezu magisch zu Weihnachtsmärkten und Glühwein locken, um dort in lockerer Runde ein bisschen Christmas-Flair einzuatmen und vom Vorweihnachtsstress eine kleine Auszeit zu nehmen. Aber nichts ist dieses Jahr. Die großen Plätze in der Münchner Innenstadt sind hell erleuchtet von Weihnachtsdeko, aber heuer ohne Buden und menschenleer. Der riesige Christbaum, der jedes Jahr auf dem Marienplatz vor dem Rathaus aufgestellt wird, ist wie immer fulminant prachtvoll, doch ohne das gewohnte Brimborium drum herum irgendwie traurig anzusehen. Ganz klar: Weihnachten passiert dieses Jahr drinnen, nicht draußen. Die Leute sind gezwungen, sich selbst in Weihnachtsstimmung zu bringen. Und sei es mit Hilfe von Technik. Das merkt man auch in der Schule.
    Unsere Schule veranstaltet in der Vorweihnachtszeit normalerweise kleine Adventsandachten, um ein bisschen Besinnlichkeit in den stressigen Schulalltag zu bringen. Hierfür ist für die Zeit bis zu den Ferien immer ein Raum vorgesehen und weihnachtlich geschmückt: Ein bisschen Tannengrün, andächtige Musik, Kerzenlicht und eine Lehrkraft, die eine kleine Geschichte vorliest, während die Schüler*innen andächtig lauschen und ein bisschen an Plätzchen und Stollen knabbern. Dieses Jahr geht das alles nicht.
    Deswegen haben sich die Fachschaften kurzerhand zusammen geschlossen und ein kleines Projekt gestartet und die Weihnachtsandachten kurzerhand ins Netz verlegt. Und zwar als digitales Kollaborationsprojekt. Das erste, an das ich mich überhaupt erinnern kann, seit ich an der Schule bin.

    Süßer die Glocken nie klingen in unserem Schulprojekt

    Interessierte Kolleg*innen aus allen Fachschaften haben hierfür kleine Weihnachtsgeschichten eingesprochen. Der stellvertretende Schulleiter hat separat dazu in die Saiten gehauen und knapp 2 Stunden Zithermusik eingespielt. Der Systembetreuer (meine Wenigkeit) hat daraus 24 Beiträge abgemischt, geschnitten und in Oliver Tackes fantastischen H5P-Adventskalender verfrachtet, der anschließend vom Homepage-Team auf die Seite der Schule hochgeladen wurde. So öffnet sich ab dem 1. Dezember jeden Tag ein Türchen mit einem kleinen Audiobeitrag, in dem die Schulfamilie für 2-3 Minuten bei ruhiger Zithermusik zu einer kleiner Lesung eingeladen wird. Natürlich ist nicht alles perfekt daran. Vor allem die Audioaufnahmen der Sprechbeiträge sind mitunter verhallt oder strotzen nur so vor Hintergrundgeräuschen, die ich notdürftig herausgefiltert habe. Aber das ist egal. Das Projekt zählt. Und es zeigt, wie viel tatsächlich innerhalb von nur ein paar Tagen digital auf die Beine gestellt wird, wenn jeder mit anpackt. Ich bin da richtig stolz drauf auf das Kollegium, das dieses Jahr ein bisschen die Technik für sich entdeckt hat.
    Und damit das so bleibt, gibt es auch dieses Jahr im Lehrerzimmer des Appventskalender, mit dem ich schon letztes Jahr für Interesse bzw. Kopfschütteln gesorgt habe. Die Vorlage ebenso wie die Beiträge, die täglich darin zu finden sind, werde ich sukzessive unter diesen Beitrag hochladen, für den Fall, dass jemand die Idee auch für das eigene Lehrerzimmer umsetzen möchte. Vielen Dank in diesem Zusammenhang nochmal an Marc-Andree Hennekes, von dem sowohl Original-Idee als auch die ursprünglichen Beiträge für den Appventskalender stammen.

    Appventskalender 2020 – Woche 1

    Appventskalender 2020 – Woche 2

    Appventskalender 2020 – Woche 3

    Kann losgehen… 🙂
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    0
  • Allgemeines,  Uncategorized

    Anekdote à la Herr Mess

    Es ist ein Tag, wie jeder andere, als mich der Wecker in der Früh aus dem Schlaf reißt. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir das Unausweichliche an: 6.20 Uhr. Zeit aufzustehen. Wie immer läuft meine Morgenroutine wie ein Film mit festgeschriebenen Drehbuch ab. Es ist seit 15 Jahren auf Effizienz getrimmt. Jeder Handgriff sitzt. Jede Bewegung geht wie im (Halb-)Schlaf. Zähne putzen, duschen, anziehen, Kaffeemaschine an, Espresso rauslassen, kurz im Sessel genießen und den Tag vor dem inneren Auge ablaufen lassen, anziehen, Wohnungsschlüssel einpacken, Schultasche unter den Arm und dann raus aus der Wohnung. Los geht’s in den Tag, der sich im November noch wie tiefste Nacht anfühlt.
    Die Luft ist klar, als ich nach draußen trete. Die Laternen der Straße leuchten hell in der Dunkelheit und weisen mir den Weg Richtung Busstation, die an einer viel befahrenen Hauptstraße liegt und mich zur U-Bahn bringen soll. Im Halbschlaf merke ich gar nicht, wie wenig dort heute los ist. Alle 20 Sekunden passiert mich mal ein Auto. Busse sind gar nicht zu sehen. Und kommen auch wohl nicht in der nächsten Zeit. Das merke ich erst, als ich vor dem Bushäuschen stehe und den digitalen Plan studiere, der die Ankunftszeiten des nächsten öffentlichen Verkehrsmittels anzeigt. Knapp 2,5 Stunden soll ich warten. Ich stutze. Ist heute Streik? Ich hatte gar nichts davon mitbekommen. Aber bei dem Arbeitspensum der letzten Tage kann es gut sein, dass ich solche unwesentlichen Details einfach nicht mitbekommen habe. Alles kein Problem, die U-Bahn-Station geht zur Not auch zu Fuß. Also los.
    Erst jetzt fällt mir auf, wie leer die Straßen tatsächlich sind. Nicht nur Autos sind kaum zu sehen. Auch Menschen. Ab sieben Uhr sollten Leute mit Aktentaschen auf dem Bürgersteig warten, vereinzelte Schulkinder zwischen den Mengen umherwuseln. Stattdessen gähnende Leere. Nur ein einsamer Herr schlurft bei Rot mitten über die Kreuzung auf die andere Straßenseite. Er fühlt sich sicher bei dem wenigen Verkehr und schlürft genüsslich aus seiner Bierflasche, die er lässig in einer Hand umherschlenkert. Sein Ziel ist die Tankstelle, die direkt an der Hauptstraße steht. Dort hat sich eine nicht minder alkoholisierte Menschenmenge versammelt, um genüsslich zu lauter Musik mitzugröhlen. Jetzt stutze ich wirklich. Wie spät ist es eigentlich? Ich schalte erst jetzt mein Handy ein und traue meinen Augen nicht. Die Anzeige leuchtet mir grell eine Uhrzeit entgegen, was ich nicht verstehe: 3:10.
    Wie kann das sein? Ich habe doch die Anzeige auf meinem Wecker gesehen. Jetzt will ich Gewissheit. Ich breche das Unternehmen “auf zur U-Bahn” jäh ab und begebe mich auf den Heimweg, um zu schauen, ob mein Handy kaputt ist. Oder mein Wecker. Oder ich. Die verlorene Zeit kann ich schon irgendwie reinholen. Notfalls fahre ich mit dem Auto in die Schule. Also wieder zurück nach Hause…
    Im Schlafzimmer sehe ich schon von weitem die Digitalanzeige meines Weckers leuchten. Ich muss nicht direkt herantreten, um zu sehen, was die Stunde geschlagen hat: 3.20. Es ist mitten in der Nacht. Ich habe offensichtlich die frühmorgendliche Weckeranzeige geträumt und bin aus dem Schlaf in den Dämmerzustand gewandert – und von dort wie ein Zombie ins Bad, ohne dabei einen Blick auf die tatsächliche Uhr zu werfen. Die Geschichte kann ich eigentlich niemandem erzählen… Oops!

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    2.3
  • Allgemeines,  Alltag,  Unterricht

    Herbstferien

    Mann, werden das Ferien werden! Ich hab mir nämlich nichts vorgenommen. Rein gar nichts. Hier liegen zwei Schulaufgaben, die korrigiert werden müssen, ein Blog, der endlich mal wieder ein bisschen Futter braucht. Aber mehr wird in diesen Ferien nicht passieren. Dank einer Inzidenz von mittlerweile über 130 bleiben ab Montag auch Möglichkeiten zur Zerstreuung außerhalb der heimischen vier Wände begrenzt: Lokale machen wieder zu, Fitnessstudios ebenfalls.

    Daten von muenchen.de
    Ob die Taktik zum Erfolg führen wird, ist fraglich, weil sich die Leute dann einfach woanders treffen. Abends geht es in den öffentlichen Anlagen in München zu wie im Taubenschlag. Englischer Garten, Hofgarten, Königsplatz, Friedensengel. Überall stehen Horden von Leuten beieinander mit Feierabendbier und Prosecco-Fläschchen in der Hand und einem “Was kümmert’s mich?” im Gesicht. Dass ich für bzw. wegen solcher Herr- und Frauschaften zu Hause bleiben soll, ist streckenweise schwer zu ertragen. Aber Hauptsache heulen, wenn Weihnachten dieses Jahr getrennt stattfinden muss und Christkindlmärkte geschlossen bleiben. Dass manche Leute echt keine 2 Meter weiter denken können…

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    0
  • Allgemeines,  Alltag,  Technik,  Unterricht

    Corona-Wochen 3-7

    Am Anfang dachte ich noch, ich könnte das Corona-Schuljahr – wie man es mittlerweile ja nennt – hier regelmäßig im wöchentlichen Rhythmus festhalten. Aber die Ereignisse nehmen so an Fahrt auf, dass man überhaupt nicht mehr richtig mit dem Verarbeiten hinterher kommt:
    Mittlerweile ist München trotz aller allgemeinen Anstrengungen auf einem Inzidenzwert von knapp über 72 (Stand 19.10) angelangt. Während Landkreise um uns rum bei ähnlichen Werten schon längst auf geteilte Klassen setzen (siehe beim Kollegen Herrn Rau), arbeiten wir nach wie in voller Klassenbesetzung. Mund-Nasenschutz müssen alle Mitglieder der Schulgemeinde zu jeder Zeit tragen (Pausenhof, Klassenzimmer, Lehrerzimmer, Gänge etc.). Immer noch. Seit mittlerweile sieben Wochen. Durch regelmäßiges Stoßlüften, für das uns der Guardian in den UK (augenzwinkernd ?) Respekt zollt, versuchen wir, dem Infektionsrisiko Einhalt zu gebieten. In der goldenen Oktobersonne ist das noch ganz nett, aber warten wir mal ab, wenn der November mit Dauerregen losschlägt und in der Oberstufe 90 Minuten lang Klausuren geschrieben werden müssen – im Zwiebellook und Dekcen auf dem Beinen. Aber no more of that. Wir können es nicht ändern – ganz im Gegensatz zu unserem Mindset.

    Bild von https://www.muenchen.de

    Das gefällt mir nämlich in diesem Jahr deutlich besser als im letzten, wo man vielleicht doch ein bisschen zu lange vorsichtig darauf gewartet hat, dass der Sturm vorbei zieht. Dieses Jahr machen wir Nägel mit Köpfen: Microsoft Teams ist aufgesetzt und mit einem Großteil der Klassen schon einmal durchgetestet worden. Die Stadt München ist regelmäßig mit uns in Verbindung und schickt uns zuverlässig für unsere Bedürfnisse die entsprechende Technik wie USB-Kameras und Headsets, die ich als Systembetreuer mit flinken Händen an die entsprechenden Kollegen weitergebe. Leih-iPads trudeln ein und werden an Familien ohne entsprechende Geräte schon einmal vorsichtshalber mit Hilfe eines Leihvertrages weitergegeben. Elternabende und Plenumsdiskussionen für Klassen und die Oberstufe werden online abgehalten. Im Kollegium bildet man sich online fort und opfert freiwillig die knapp gewordene Freizeit am Nachmittag oder Abend. Manche Kolleg*innen machen das pro Woche 2-3. Zu mebis, zu MS Teams, zu kollaborativem Arbeiten, zu H5P (zum Beispiel auch in meiner ersten eigenen Fortbildung, die ich mit Christian Mayr abhalten durfte). Es sind alles kleine Handgriffe, die man außerhalb der Schulfamilie vielleicht nicht sieht. Aber sie greifen wie winzige Zahnräder ineinander. Langsam und immer mehr. Hoffen wir nur, dass unsere Maschinerie auf kleinen Hebeln und Rädchen auch dem Sturm standhält, wenn er loslegt. Denn er wird kommen. Früher oder später wird er kommen. Es geht gerade erst los.

    Passt auf euch auf!

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    5
  • Allgemeines,  Alltag,  Unterricht

    Corona-Woche 2


    Tja, da ist sie ja. Die Wiesn. Oder viel besser: Da ist sie nicht. In Zeiten von Corona fällt dieses Jahr die fünfte Jahreszeit in München aus. Stattdessen hat man sich die Wirtshauswiesn ausgedacht, um ein bisschen Oktoberfest-Flair zu verbreiten. “Wiesn ist ein Lebensgefühl”. Damit werben 50 Lokale in der Stadt, um mit Blasmusik und Tracht den Münchnern und Touristen zumindest ein bisschen Stimmung zu bieten. Die Idee scheint ganz gut anzukommen. Bei dem Wetter auch kein Wunder. Unter strahlend blauen Himmel tönen Blechbläser am Samstag  quer durch die Fußgängerzonen. Die Restaurants sind gut gefüllt (Tische brav mit Plexiglas voneinander abgetrennt), die Außenbereiche mit Erntegirlanden geschmückt, die Leute mit Lederhosen und Dirndl entsprechend aufgehübscht. Die Stadt ist nicht brechend voll. Aber es brummt. Und zwar gewaltig – nicht gut…

    Infektionszahlen in München, Stand 20.09.

    Denn gerade hat München die drastische Marke von 50 Infektionen auf 100.000 Einwohner überschritten, die für uns Schulen so schicksalsträchtig ist. Denn sie entscheidet darüber, wie wir für die nächste Zeit unterrichten werden. Ob wir ab Dienstag in einer regulären besetzten Klasse stehen oder wieder nur vor einer Hälfte wie letztes Jahr nach Corona, wissen wir nicht. Auf jeden Fall bleibt die Maske für alle Münchner Schulen im Unterricht vorerst auf. Soviel ist sicher. Als Schule haben wir damit eigentlich schon damit gerechnet. Und man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles. Nach Woche zwei bin ich schon ganz geübt darin, wann ich welche Maske auf dem Gelände zu benutze. Auch das Erkennen von Schülerinnen und Schülern allein anhand der Augen geht mittlerweile erstaunlich gut. Ganz im Gegensatz zu gewissen Automatismen, die sich über die Jahre bei mir eingebürgert haben. Kaffeetrinken zwischen Unterrichtsstunden zum Beispiel. Ein Ritual, das mir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wenn es stressig wird, ist der Gang zur Maschine fast schon ein unbewusster Vorgang, den ich gar nicht mehr so richtig wahrnehme. Leider. Denn im Stressflow habe ich schon mehrmals vergessen beim Trinken den Mundschutz abzunehmen. Das Ergebnis könnt ihr euch vorstellen.
    Noch schlimmer macht sich dieser Tage allerdings meine Angewohnheit bemerkbar, die ich seit Jahren bei einem trockenen Hals verfolge. In diesem Fall greife ich gerne zu meinen bewährten Fisherman’s Friends. Nur muss dieses Jahr danach gleich wieder der Mund-Nasenschutz drauf; ein Schritt, den ich nach der Durchführung sofort bereue. Denn durch das Textil vor dem Mund ist man seiner eigenen minzigen Atemluft ausgeliefert, die man gleich wieder in sich aufnimmt. Schlimmer noch: Ein Teil der ätherischen Düfte entweicht über den Rand des Mund-Nasenschutzes direkt in Richtung Augen. Das Ergebnis bekommt meine siebte Klasse zu sehen, als ich das Zimmer betrete: Die Augen sind komplett gerötet und aufgequollen. Ich sehe aus, als hätte ich die komplette Nacht durchgeheult. Die Klasse reagiert leicht beunruhigt, lässt sich aber mit ein paar Erklärungen entsprechend beschwichtigen.
    Viel bestürtzter reagiert meine sechste Klasse, die ich aus dem letzten Jahr geerbt habe, als ich so vor ihnen stehe. Sofort bin ich von einer Runde besorgter Ersatzmamis umringt, die bestürzt wissen wollen, was passiert sei.  “Ist Ihre Frau gestorben?” ,”Ist unsere Ex so schlecht ausgefallen?” , “Ziehen Sie weg?” sind nur einige der zahlreichen Nachfragen der Kinder. Am besorgtesten ist allerdings die kleine Franzi. Und am lösungsorientiertesten: “Ich tippe auf eine Bindehautentzündung”, meint sie mit kündigem Blick in meine Augen. “Reiben Sie mal, und schauen Sie, ob es weiter weh tut. Dann könnte ich Ihnen morgen eine Salbe mitbringen. Meine Mama ist Augenärztin.”
    Hach!

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    4.5
  • Allgemeines,  Alltag,  Unterricht

    Schuljahr 1.5

    So komisch wie die Ferien waren, ging auch gleich das neue Schuljahr los. Und schon am ersten Tag der Konferenz ist klar: Das wird kein Jahr wie jedes andere: Jede Kollegin und jeder Kollege sitzt in gebührendem Abstand voneinander entfernt. Alle brav mit Mund-Nasenschutz. Einige von uns sind mittlerweile sogar auf eine Form des Plastiksichtschutzes umgestiegen, der entweder an der Stirn oder am Kinn fixiert wird. Wie Pädagogik-Transformer sitzen wir in gespannter Erwartung und lauschen den Einleitungsworten unseres Chefs.

    Nach außen sieht das Schuljahr aus wie sonst. Es gibt die üblichen Termine: Wandertage, Elternsprechabende, Klassenelternabende. Ein Kollegenausflug ist geplant. Aber hinter allem steht ein großes Fragezeichen: Was, wenn Corona uns einen Strich durch die Rechnung macht? Wandertag ja, aber nur bei schönem Wetter. Kollegenausflug ja, vorausgesetzt, die Größe der Gruppe bleibt überschaubar. Klassenelternabende ja, aber wenn wir zu sind, am besten über Teams. Dasselbe gilt auch für den Unterricht selbst: Für die ersten zwei Wochen schickt Bayern seine ABC-Schützen mitsamt Lehrerschaft in Vollbesetzung in den Unterricht. Allerdings mit einer Maskenpflicht für alle und überall auf dem Schulgelände. Ausnahmslos. In den Gängen, auf dem Pausenhof, im Lehrerzimmer, im Unterricht selbst haben alle einen Mundschutz zu tragen. Sollte in entsprechenden Regionen Bayerns die 7-Tage-Inzidenz von 35 überschritten sein, bleibt die MNS-Pflicht bestehen. Und die ist in München ist schon nach Schultag 2 bei 43. Die Schulgemeinschaften der Landeshauptstadt dürften also ziemlich sicher diese kleidsamen Gesichtsschleier weiterhin (er-)tragen.
    Wie unangenehm das ist, merke ich spätestens am Tag darauf in meinem  Oberkurs am eigenen Leibe. Durch den Mundschutz verstehen wir einander deutlich schlechter als sonst. Die Hälfte der Schülerbeiträge bin ich beschäftigt nachzufragen, was gesagt wurde oder zu mutmaßen, wer sich hinter dem Mundschutz verbirgt. Man erkennt die Leute kaum, sondern starrt stattdessen in 25 Augenpaare, die wie im Tatort-Opener stummt in alle Himmelsrichtungen schielen. Geredet wird deutlich weniger als sonst. Ich kann es gut nachvollziehen, mich selbst strengt das Reden ordentlich an. Schlimmer noch: bei dem ständigen CO2-Nachschub, den man durch die ausgestoßene Atemluft zu sich nimmt, merke ich mich schon nach einer halben Stunde eine bleiernde Müdigkeit befallen. Alles, was mich vom Einschlafen abhält, sind die Fussel, die sich durch meinen Bart vom Innenfutter der Mundschutzes lösen, und das tropisch-feuchte Klima, das dort herrscht. Disgust keeps me awake.

    Nach dem Wochenende dürfte in München die Infektionszahl die 50 gesprengt haben. Ab dann können die Klassen wieder geteilt werden, müssen aber nicht. Der Bürgermeister Dieter Reiter ließ noch am Freitag verlautbaren, dass, egal wie die Zahlen aussehen, die Schulen noch am Montag Regelunterricht hätten. Und danach?

    Let’s wait and see…

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