Ich sag’s frei heraus: Ich HASSE umziehen. HASSE HASSE HASSE es. Die Erniedrigung bei der Wohnungssuche, das Blankziehen mit Schufa-Auskunft, Einkommensnachweisen und Jahreszeugnis der vorigen Vermieters. Das Kistenpacken. Das Ausfüllen von Nachsendeanträgen, das Verständigen von Versicherungen, Banken, Zeitschriften-Abos. Das Hausen in der alten Wohnung zwischen Kisten und abgebauten Möbelstücken. Das Abschiednehmen von einer Umgebung, die oft Jahrzehnte ein Zuhause, eine Heimat war. Ich hasse es. HASSE HASSE HASSE es. Vor allem München, dem mittlerweile teuersten Pflaster in Deutschland und dem zweitteuersten in Europa. Nur noch Paris erlaubt sich noch teurere Mieten. Nur ist Paris eine Weltmetropole. Und München ist halt… München. Weltstädtisch ist an uns wenig. Viele wären es gerne. Wir sind aber weit entfernt von weltmännischem Flair. Alfred Hitchcock nannte die Stadt mal ein wonderful Millionendorf . Und das trifft’s bis heute.
Wonderful, costly Millionendorf
Nur interessiert das die Investoren nicht, die uns seit zehn Jahren die Stadtarchitektur mit Luxuswohnungen vollstopfen, alteingesessene Mieter aus den Häusern ekeln und so die Gentrifizierung ebenso wie die Immobilienpreise in Höhen treiben, dass uns der Rest von Deutschland einen Vogel zeigt.
Deswegen ziehe ich so selten wie möglich um. Muss ich auch nicht. Ich fühle mich in meiner kleinen Maisonette-Wohnung in der Nähe des Westparks sehr wohl. Ich liebe das Fernsehen direkt unterm Dach. Meinen 2m²-Balkon mit Blick in die Baumwipfel des Gartens. Das Gackern der Hühner, die der Nachbar für seine Kinder als Haustiere angeschafft hat. Ich liebe es, wenn der Regen gegen die Dachfenster trommelt, der Wind hektisch nachts an den Jalousien rüttelt. Mein heißgeliebtes Arbeitszimmer. Und selbst an die Quirks in der Wohnung habe ich mich gewöhnt. Das Wasser in einer der Fensterscheiben, das regelmäßig kondensiert und mir ein Panorama nach draußen bietet wie eine alte Afri-Cola-Werbung. Die Küchenzeile mit der kaum nutzbaren Funzellampe. Der Kühlschrank unter der Treppe, weil der partout nicht in die Mini-Küche passt. Die unberechenbare Heizung. Die nette Hausgemeinschaft vor Ort. Ich mag es hier sehr. Und könnte es mir vorstellen, noch sehr lange hier zu wohnen. Doch dann kommt Jahr sieben in dieser Umgebung. Als sei es geplant, ändert sich was.
Noch (m)eine Heimat?
Es beginnt mit Kleinigkeiten: Erst verzieht der Nachbar nach Genf. Dann verstirbt die nette Dame, die uns immer Weihnachtsmänner vor die Türen gestellt hat, völlig unerwartet. Nachfolger ist ein Student, der ordentlich Leben in die Bude bringt – leider zu Schlafenszeiten. Und dann steht im Grundstück gegenüber plötzlich ein Makler mit zwei Anfangsdreißigern im Garten. Das Pärchen hat Grund geerbt und für vier Millionen Euro an die Stadt verkauft. Und so leistet man sich mal in Münchner Randgebiet ein schickes freistehendes Haus vom ererbten Geldsegen. Die ursprünglichen Eigentümer emigrieren. Nach Zypern. Die halbe Straße macht sich auf einmal auf und davon. Und man selbst beginnt nachzudenken. Und rechnet, was man sich denn leisten könnte. Oder leisten will. Möchte man für ein Arbeitszimmer auch künftig mächtig draufzahlen? Denn die 1200 Euronen, die man das jährlich steuerlich absetzen kann, decken bei Weitem nicht die Kosten für den Raum, den ich tatsächlich nur für die Arbeit brauche. Oder verkleinert man sich und integriert sein Büro in ein anderes Zimmer? Aber wohin dann mit der Bücherwand? Wohin mit diesem monströsen Schreibtisch? Und überhaupt: Umziehen in diesen Horrorzeiten, in denen sich Inflation, Immobilienpreise und Nebenkosten in ungekannten Höhen befinden? Was für eine Schnapsidee.
Aber dann wird plötzlich doch alles gut.
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Oh Wunder. In diesem verrückten Jahr zeigt sich 2022 auf einmal, wie es sein sollte. Passend zur Weihnachtszeit hat sich der Winter in den letzten Tagen breit gemacht. Die Straßen sind mit einer dicken Lage Schnee bedeckt, vom Himmel rieselt unaufhörlich Nachschub herab. Die Christkindlmärkte in München sind gefüllt von Menschen, die nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder ein bisschen Weihnachtsstimmung spüren wollen. Der Geruch von Glühwein und Bratwürsten ist allgegenwärtig, ebenso wie die so vertrauten Klänge von beruhigender Weihnachtsmusik. Doch der Schein trügt. Man muss den Leuten nur ein bisschen zuhören um es zu merken. Das Gefühl der Ohnmacht ist auch in der staaden Zeit immer dabei. Krieg, Inflation, gestiegene Preise, Energiekrise, Strom. Man lächelt die Themen immer ein bisschen weg, um die Stimmung nicht zu versauen. Aber so richtig gelingt es nicht. Bei uns in der Schule sieht es ganz ähnlich aus.
Weihnachtsfrieden?
Zum ersten Mal nach drei Jahren gibt es wieder das volle Weihnachtsprogramm: Weihnachtsfeier, Weihnachtsbasar, Weihnachtskonzert. Der Nikolaus ging am 6. Dezember wieder durch die Klassen der Unterstufe. Der Lehrerchor übt nach Jahren wieder für den Auftritt vor einem großen Publikum. Es wird alles toll. Aber ebenso wie auf den Christkindlmärkten halten wir auch eine gewisse Fassade aufrecht, damit diese Scheinnormalität gelingt.
Wir haben echt zu ackern gehabt. Denn neben dem Alltagsgeschäft hatten wir gut mit unserem neuen alten Standort zu kämpfen, den wir im September noch voller Vorfreude bezogen hatten… bis die Realität zuschlug. Bei der Ausstattung fehlte es an allen Ecken und Enden: Kein Internet in den meisten Räumen, fehlendes Mobiliar, Docking Stations ohne Verbindung, ausfallende Telefone, Klassenzimmer ohne Heizkörper, Toiletten ohne Kabinen, ein EDV Raum ohne Rechner und Schränke. Kurz: Es war ein Desaster.
Mittlerweile hat sich einiges getan in unserem Hause. Das liegt vor allen an der Hartnäckigkeit, mit der Schulleitung, Systembetreuer, Hausmeister und Kollegium jeden Mangel permanent gemeldet und auch beanstandet haben. Auch hier gilt wieder: Der Unterricht per se ist gesichert. Aber wer hinter die Kulissen blickt, sieht noch immer die Defizite:
So wurde das Mobiliar im EDV-Raum bis heute nicht geliefert. Auf Nachfrage wurde uns erst erklärt, dass die Bestellung ohne Angabe von Gründen storniert wurde. Ein andermal hieß es, die Schule habe nie Mobiliar bestellt. Ein Hinweis auf die Online-Liste, in der die Schränke unter der restlichen Ausstattung der MINT-Räume zu finden sind, wurde mit pampigen Worten quittiert. Ausgeholfen wurde uns bis heute nicht. Nur mit Hilfe der Fachschaft Physik, die mir zwei große Schränke aus ihrem Fundus geschenkt hat, kann ich nun nach drei Monaten endlich anfangen, unser Equipment aus den 30 Kisten zu befreien.
Mein Arbeitsplatz als Systemadministrator wurde Anfang Oktober über Nacht einfach abgebaut. Grund hierfür war eine Raumvertauschung der Arbeiter, die mir irrtümlich den Arbeitstisch aus einem anderen Büro zugewiesen haben. Eine Bestellung für einen neuen Tisch wurde vor meinen Augen notiert. Erhalten habe ich bis heute… nichts. So steht nun mein Verwaltungsdrucker mitsamt Rechner einfach auf dem Boden. Arbeiten kann ich somit im Schneidersitz… oder auf allen Vieren.
Der dritte Stock hat bis heute keine funktionierende Sprechanlage. Durchsagen oder Schulgong am Ende der Stunde lassen sich bei offenem Fenster nur erahnen… wenn diese sich öffnen ließen…
… denn direkt unter dem Dach hält ein Regensensor die Fenster eisern geschlossen, damit durch die Dachschrägen kein Wasser in die Klassenzimmer tropft. Soweit alles ok. Aber die Fenster bleiben auch zu, wenn Schnee darauf liegt. Das bedeutet, dass sich nach dem aktuellen Wintereinbruch letzte Woche die Oberstufenräume seit knapp 10 Tagen nicht lüften lassen. Infektologisch ebenso wie olfaktorisch etwas… nun ja… suboptimal.
Eine Zeitlang war die Sprechanlage im Rest des Hauses zu leise. Oder fiel aus. Oder sie gab für 30 Minuten konstantes Rauschen aus. Wie die alten analogen Fernseher nach Sendeschluss. Höhepunkt war, dass durch irgendeine Rückkopplung die Sekundenzeiger der elektrischen Uhren in einigen Räumen über die Sprechanlage zu hören waren. Zu jeder Sekunde klopfte es im Lautsprecher. Das Ende vom Lied war, dass sämtliche Uhren im Gebäude ausgeschaltet werden mussten, damit die Klassen in aller Ruhe arbeiten konnten. Und seitdem ist bei uns im Gebäude die Zeit buchstäblich stehen geblieben.
Eins unserer Lehrerzimmer hat bis heute weder Strom noch Internet. Eine Nachfrage bei der Stadt ergab, dass nichts verlegt wurde, weil der Raum noch nicht fertig möbiliert war. Das hat uns dann schon ein bisschen überrascht. Denn da oben stehen Tische, Stühle, Schränke, Fächer. Wir arbeiten da oben schon seit Monaten – nur halt ohne Elektrik. Problem waren – nicht lachen – die Garderobenhaken. Diese sind seit September geliefert, aber bis Ende November nicht aufgehängt worden. Als die endlich hingen, wurde uns nach einem Wochenende stolz rückgemeldet, dass die Verkabelung von der Stadt vorgenommen wurde. Nur ist das halt nicht wahr. Was passiert ist, ist, dass Techniker im Raum waren und uns alles in Kisten auf ein Regal gestellt haben… Danach sind sie abgezischt. So etwas als “erledigt” zu betrachten ist frech.
Die Liste ließe sich noch ein bisschen weiterführen. Aber im Sinne des Weihnachtsfriedens erspare ich das der geneigten Leserschaft. In der Woche vor Weihnachten die Zeit zum Lesen von Blogposts erfahrungsgemäß äußerst rar. Und ich muss mir ja noch ein bisschen Blog-Material in der Hinterhalt halten.
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Das neue Schuljahr beginnt in Griechenland am Strand. Bei 32 Grad Außentemperatur. In einer Taverne an der Bucht von Paleokatritsa. Die Sekretärin aus der Schule meldet sich verschämt und bittet um Rückruf, weil die Stadt München in der Videokonferenz hängt und sprechen möchte. Es gebe Probleme mit den angeforderten Geräten, mit denen unsere frisch renovierte Schule ausgestattet werden soll. Wir erinnern uns, die Ausstattung war in knapp 30h Onlinekonferenz geplant worden: Lehrerdienstgeräte für alle im Kollegium. Dafür kein einziger PC in Klassenzimmern und Fachräumen. Aus Gründen. Aber die Bestellung ist eine große logistische Angelegenheit. Mehrfach wurden wir darauf hingewiesen, aufgrund der Größe der Bestellung die Deadlines einzuhalten. Haben wir gemacht. Aber dennoch nun den Salat: Die Rechner, die wir in stundenlangen Vorbereitungskonferenzen über Monate mit der Stadt diskutiert und angefordert haben, sind nicht lieferbar. Das erfahren wir zehn Tage vor Schulbeginn. Will heißen: Wir starten aktuell in unserem modernisierten Gebäude mit sage und schreibe 0 PCs ins neue Schuljahr. Von der Stadt hieß es schlicht, wir müssten nun improvisieren. Seufz. Folgende Optionen blieben uns nun:
Wir warten ab, bis unsere angeforderten Lehrerdienstgeräte eintreffen, und behelfen uns solange mit den Geräten, die ich aus dem alten Standort noch auf Halde haben. Als Liefertermin wurde uns vage der März nächsten Jahres genannt.
Die Stadt versucht auf eigene Faust Lehrerdienstgeräte, die von anderen Schulen nicht gebraucht oder zurückgegeben wurden, aufzutreiben und uns zur Verfügung zu stellen. Allerdings kann sie hierfür noch keinen Termin nennen, bis wann die für uns erforderliche Menge (knapp 90 Geräte) aufgetrieben ist. Auch hierfür benötigen wir für die Überbrückung Ersatzgeräte.
Die Stadt bietet uns an, die Schule komplett mit Geräten eines anderen Herstellers auszustatten, die deutlich schneller verfügbar (Oktober) und von der Leistung sogar stärker sind als die ursprünglichen Geräte. Allerdings sind diese aktuell nur als Geräte in der Schule nutzbar. Zu Quasi-Lehrerdienstgeräten für das Arbeiten zuhause könne man sie laut Stadt über Software aufrüsten, das sei aber wohl noch nicht bei Auslieferung Anfang Oktober möglich, würde aber so schnell wie möglich passieren. Bis zur deren Auslieferung müssten wir uns ebenso mit Ersatzgeräten behelfen.
Weitere Informationen zu den neuen Geräten hätten mir die Mitarbeiter schon auf meine Dienstmail-Adresse geschickt, heißt es. Nur findet sich da nichts. Mein eMail-Postfach ist seit drei Wochen verwaist. Keine einzige Nachricht ist eingegangen. Wie sich später herausstellt, weil vergessen wurde, die Adressen des gesamten Kollegiums auf den neuen Standort umzustellen. Und nicht nur die. Das gesamte pädagogische Netz hängt softwaremäßig am alten Standort. Alle Rechner, alle Drucker, Multifunktionsgeräte. Einfach alles. Der Laie denkt, naja, soll man das Netz einfach per Mausklick auf den neuen Standort ummünzen. Aber falsch gedacht. Wie wir gesagt bekommen, müssen wir für jeden Account das Passwort erneuern. Jeder der Rechner muss neu aufgesetzt werden, jedes Lehrerdienstgerät, jeder Schülerlaptop. Die Geräte müssen vom Field Service alle eingesammelt, gelöscht, neu aufgesetzt werden und werden dann wieder ans Kollegium ausgehändigt.
Geht schon gut los, das neue Schuljahr. Das eigentlich noch gar nicht begonnen hat.
Der PC-Raum. Vier Tage vor Schulbeginn.
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Nicht nur auf dieses Schuljahr. Sondern auf weiße Pappkartons. Hundertfach. Denn mit Ende diesen Schuljahres steht der Umzug in unser frisch renoviertes Gebäude an – zumindest teilrenoviert, denn gewisse Bereiche sind aus diversen Gründen noch Baustelle. Aber am alten Standort bleiben und auf Fertigstellung warten ist keine Option. Eine neue Schule wird in unserer Containeranlage Mitte September Zuflucht suchen – und da sind wir fehl am Platz. Wir MÜSSEN umziehen. Also haben wir in den letzten Schulwochen neben Zeugnissen, Konferenzen, Wandertagen, Museumstagen, Unterricht und Bücherausgaben auch noch unser gesamtes Inventar in Kisten verpackt. Deckel drauf im Minutentakt. Aktuell würde ich von knapp 600 Kisten ausgehen, die wir befüllt haben. Jetzt liegen die Räume öd und leer. Und von den letzten vier Jahren gut verlebt. Es ist gut was passiert, seit wir hier sind. In diesem Gebäude bin ich Systembetreuer geworden, bin befördert worden, habe meinen ersten eigenen PC-Raum ausgestattet, meine ersten Fortbildungen fürs Kollegium und später für die Medienwarte gehalten. Und natürlich ist Corona für immer mit diesem Ort verbunden. Und das ganze Chaos, das danach folgte. Ob selbiges im September weitergehen wird, wissen nur die Götter. Ein Blick in die Medien und die diversen Hilferufe von Lehrer- und Elternverbänden zu Lehrermangel, nicht existenten Sicherheitskonzepten für eine neue Coronawelle oder die Befüchtungen, Klassenzimmer wegen der Energiekrise nicht zu beheizen, lassen schon mal alles andere als Optimismus zu. Winter is coming. Daher zieht euch warm an. Und genießt die Sommerferien in ganzen Zügen. Ich denke, wir werden einen langen Atem brauchen…
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Als Topping zu diesem ohnehin schon wirren Schuljahr gibt’s zum Ende noch ein ganz besonderes Sahnehäubchen: Nach vier Jahren Umbau ziehen wir Anfang September in unser rundum erneuertes Schulgebäude zurück: Neue Fassade, neue Räume und vor allem neue Technik sollen dort auf uns warten. Für mich als Systembetreuer ist vor allem Letzteres bemerkenswert, weil wir in den letzten Monaten in stundenlangen Onlinekonferenzen mit den Verantwortlichen bei der Stadt unsere geplante Ausstattung besprochen haben. Und die ist beachtlich. Die Stadt München verspricht uns nicht mehr als eine wirklich vollwertige, digitale Ausstattung:
Interactive Whiteboards in jedem Zimmer, Dokumentenkameras überall, Beamer mit integriertem Miracast. HDMI-Weichen zum Anschluss externer Geräte, um den Kabelraubbau einzudämmen, der unsere Schule seit Jahren quält. Einen ganz besonderen Kniff haben wir mit den Laptops in den Klassenzimmern ausgeklügelt. Statt jeden Raum mit einem separaten Klassenlaptop auszustatten, geben wir einfach jeder Lehrkraft eins zum Arbeiten in die Hand. Als verkapptes Lehrerdienstgerät sozusagen. Die Vorteile liegen auf der Hand:
Da unser Kollegium relativ überschaubar ist, ist die Ausstattung pro Lehrkraft per se günstiger als die Ausstattung pro Zimmer.
Vandalismus an den Geräten, die unbeaufsichtigt im Klassenzimmer zu Unfug einladen, ist (hoffentlich) ausgeschlossen.
Kollegen gehen mit der Technik sorgsamer um, weil das Gerät ihnen gehört.
Die langen Anmeldezeiten beim Login sind passé, da jeder mit seinem eigenen Gerät in der Gegend herumläuft, in das er sich zu Schulbeginn einloggt. Zum Stundenwechsel wird das Gerät einfach abgesteckt und im nächsten Klassenzimmer ans Netz gehängt. Einfach Passwort eingeben und das Gerät ist wieder online.
Sounds perfect on paper, right?
Schauen wir mal, wie es im September in der Praxis aussieht.
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Es ist schon erstaunlich, wie sehr die Landschaft der Lehrerblogger und im Twitterlehrerzimmer ändert, wenn man erst einmal ein paar Monate draußen ist. Dank DSGVO hatte sich einiges geändert. Viele der bloggenden KollegInnen waren plötzlich verschwunden (RIP Frau Henner). Andere hatten ihre heiligen Hallen auf privat gestellt. Die, die geblieben waren, hatten ihren Blog oft zur Unkenntlichkeit verändert: Widgets waren verschwunden, Videos durch selbstgehostete Screenshots ersetzt, die Kommentarfunktion oftmals komplett entfernt. Vor allem Letzteres war für mich traurig zu sehen, da ich die Kommunikation zwischen Lesern und Autor immer als tolle Möglichkeit der Partzipation bewunderte, die Twitter nur in sehr komprimierter Form erlaubt (deswegen immer mein Zusatz bei Blog-Tweets Kommentare bitte im Blog zu posten und nicht bei Twitter, wo sie im Walhalla der Billionen Tweets irgendwann verloren gehen). Die ganz Radikalen hatten den alten Blog komplett gelöscht und durch einen neuen ersetzt, der komplett bei 0 anfing: Frei von Widgets, frei von alten Beiträgen, frei von Kommentaren, frei von Gravataren, Emojis, Embedded Content, Google Fonts – oft leider auf Kosten der Optik, but that’s the price to pay…
Ich wollte keine dieser Möglichkeiten. Und entschied mich damit wohl für den schwersten Weg, das Alte zu einem Großteil zu bewahren und in den neuen Blog überzuführen. Schwer, weil man nicht nur sein bloggendes Ich der Zukunft künftig neubewertet, sondern auch das der Vergangenheit. Schwer aber auch, weil man sich erstmal wieder einfinden muss. Dass man nach eineinhalb Jahren so flockig weiter machen kann wie vor dem Cut, war ein Trugschluss. Auch in der Version 2.0 fängt man wieder mit einigem von vorne an. Zum Beispiel bei den Followern, die man wieder einfangen muss. Im Twitterlehrerzimmer, wo der Ton gerne mal etwas rauer geworden ist. Aber auch bei sich selber, da das selbstgehostete Heim viele Freiheiten bietet, in denen man sich gerne mal verliert. Es kann daher sein, dass der Blog in Details immer mal wieder etwas anders aussehen wird, weil ich etwas herumexperimentiere. Wird spannend. Ich hoffe, für beide Seiten.
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Der heimische Arbeitsplatz ist für uns Lehrer ja ein ganz besonderesr Fluch: Paradies: Hier köcheln die kreativen Säfte, hier werden neueste Konzepte ausgetüftelt, Tests erstellt, korrigiert, Präsentationen erschaffen, Noten eingetragen, eingescannt, recherchiert, diskutiert, explodiert. Kurzum: Hier laufen die Fäden unserer täglichen Arbeit zusammen. Und so sieht’s leider oft auch aus. Zu Hochzeiten gleicht der Arbeitsplatz einer papiergestaltigen Manhattan Skyline: Stapel über Stapel türmen sich munter neben-, über- und durcheinander, dazwischen tummeln sich Stifte jedweder Art, ein paar Büroklammern, Post-Its oder die hübschen Mantelbögen in Mintgrün. Es ist ein Chaos, in dem alles herrscht, nur nicht Ordnung. So war es auch über Jahre bei mir. Bis ich meinen Arbeitsplatz entschlankt und von allem Unnötigen befreit habe. Nach einem philologischen Studium und einem Referendariat, in dem man zwecks Geldnot alles für den heimischen Schreibtisch einsackt, was nicht niet- und nagelfest ist, eine ganz schöne Umstellung. Aber sie hat sich gelohnt. Und das Gefühl, langsam aber sicher von altem Kram Abschied zu nehmen und letztlich auch nehmen zu können, hat gut getan. Und der Arbeitsplatz blieb über lange Zeit bei mir erfreulich leer. Zu leer. Viel zu leer. Fast etwas trist 🙁
Daher wollte ich in diesem Jahr mein Schreibtischlein mit ein bisschen Exklusivität aufhübschen. Wenn ich schon mehrere Stunden täglich in Monitor, Bücher oder Arbeiten starre, um meine Augen zu ruinieren, dann doch bitte mit Stil. Und so stieß ich eines Tages auf das Schreibtischmobiliar der Pfeiffer Collection, die seit ein paar Monaten exklusiv von Evernote vertrieben wird. Das schlichte Design, gepaart mit ein paar pfiffigen Features für mehr Ordnung auf dem Schreibtisch, fand ich wirklich reizvoll… bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich das Zeugs bestellen wollte. Die Preise für die Komponenten an sich waren zwar nicht gerade billig, aber angesichts der gebotenen Qualität echt in Ordnung. Umgehauen hat es mich dann eher bei den Shipping Kosten. Für meine Lieferung von knapp 120€ wären fast 200€ zusätzlich angefallen! Allein für Verpackung und Zoll! Keine Chance, Monsieurs, da knausert der Schwabe in mir dann doch etwas zu sehr.
Und so begrub ich die Hoffnung auf ein bisschen Wow im Arbeitszimmer und arbeitete weiter an meinem unschmucken Tischlein in den neuen vier Wänden vor mich hin. Nur durch Zufall stieß ich ein paar Wochen später auf eine Collection, die zumindest in eine ähnliche Richtung wie die Pfeiffer Collection ging, preislich aber deutlich attraktiver war – vor allem wegen minimaler Versandkosten. Der asiatische Hersteller Samdi fertigt aus Bambusholz schöne funktionale Schreibtischapplikationen, die sich mit ihren geschwungenen Formen sehen lassen können. Nicht ganz so pfiffig wie die Evernote-Möbel, aber was hermachen tun die Dinger allemal. Allein schon der Monitorständer ist eine Wucht. Aus geleimten Bambus gefertigt ist er robust genug, um einen regulären Monitor auszuhalten und den Bildschirm so auszurichten, dass man beim Arbeiten gerade drauf schauen kann. Die Wirbelsäule wird’s freuen 😉 Der Freiraum, der durch die Erhöhung entsteht, lässt sich prima nutzen, um zum Beispiel die Tastatur nach getaner Arbeit darin verschwinden zu lassen. Bei PCs sollte dafür allerdings eine Slim Tastatur am Tower hängen wie z. B. die von Gmyle, die ich mir extra dafür gekauft habe. Eine reguläre Tastatur passt mit ihren üblichen Ausnahmen um ein paar Millimeter nicht unter den Monitorständer. Das ist kein Fabrikationsfehler, sondern gewollt. Denn dieser Ständer ist ursprünglich für Macs gefertigt. Als ob PC-Recken nicht auch ein bisschen Style verdient hätten…
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Es ist Zeit. Zeit zu gehen. Aus den vier Wänden, die mir über viele Jahre ein Zuhause boten. Ich habe lange überlegt, ging mit dem Gedanken schon fast zwei Jahre schwanger. Aber vor allem in den letzten Monaten wurde mir klar: Die Zeiten haben sich geändert. Du hast dich geändert. Und deine Wohnung ist die alte geblieben. Genauso hellhörig, genauso windig isoliert, wie sie beim Einzug gewesen war. Und Dinge, die man damals noch als charmant abgetan hatte, begannen irgendwann schrecklich zu nerven.
Eww
Der Mieter unter mir zum Beispiel, dessen kompletten Tagesverlauf ich problemlos mithören konnte, weil die Decken so dünn sind wie Pappe. Die Nachbarin von nebenan, die ihr Kind Tag und Nacht anbrüllt, bis es heult. Und dann sie. Oder der bescheidene Single aus dem ersten Stock, der sein Revier mit leckeren Schmierflecken am Türrahmen markiert. Der seit 4 Jahren immer noch seine Fenster mit dunklen Tüchern verhängt, statt sich Vorhänge zu kaufen wie jeder normale Mensch auch.
Der in der Küche bis heute nur eine Glühbirne in die Fassung geschraubt hat. Und dessen Balkon seit 3 Jahren von einem Rest Pizza geschmückt wird, der sich dort munter durch die Gezeiten gammelt. Früher fanden wir diese Freakshow witzig. Früher, als wir noch Studenten/Referendare waren. Aber jetzt nervt es einfach. Und so habe ich nach langem, langem, laaaangem Hin und Her mit der Wohnungssuche angefangen – und bin für Münchner Verhältnisse rasend schnell fündig geworden. So schnell, dass der Umzug innerhalb von ein paar Tagen vonstatten gehen muss. Daher erstmal die Wohnung kündigen…
Der Gang zur Hausverwaltung ist mir etwas unangenehm. Immerhin wohne ich hier schon seit Jahren. Mit der Kündigung ist ein Stück Lebensgeschichte abgeschlossen. Selbst das Referendariat habe ich in diesen bescheidenen vier Wänden durchlebt. Aber ich wollte es so. Es ist Zeit.
Die Hausverwaltung nimmt mein Anliegen überraschend traurig auf. Offensichtlich bin ich als Mieter recht beliebt. Man bietet mir in der Anlage sogar eine ähnliche Wohnung wie meine neue an. Aus derselben windigen Bausubstanz. Und direkt an der Hauptverkehrsstraße. Vielen Dank.
Man macht mit mir einen Termin zur Vorabnahme aus. Hierbei soll ermittelt werden, welche Ausbesserungen von mir vorzunehmen sind, bevor man die Wohnung an den Mann oder die Frau bringt. Bei dieser Gelegenheit soll dann auch der neue Mietpreis der Wohnung bekannt gemacht werden. Denn für die Suche nach einem geeigneten Nachmieter bin ich zuständig. So will es der Mietvertrag. Na dann…
Zwei Tage später steht eine Mitarbeiterin der Hausverwaltung vor der Haustür. Ich habe sie schon vom Fenster aus kommen sehen, mit Fluppe im Mund, die sie noch in aller Hast vor den Abfalltonnen fertig gepafft hatte, um die Wartezeit bis 16.00 Uhr zu überbrücken. Ihren Zigarettennimbus trägt sie mir durch die gesamte Wohnung, während sie die Zimmer inspiziert wie ein Spürhund am Flughafen. Sie bemerkt vieles, nimmt aber überhaupt nichts ins Protokoll auf. Alles Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die ich schon vor 8 Jahren vom Vormieter so übernommen hatte. Und das sind einige: Von den Türen platzt die Farbe an den Kanten ab, das Laminat hat altersbedingt schon ein paar unschöne gelbe Flecken bekommen. Das Parkett im Wohnzimmer hat von einer Möbelrückaktion meines Vorgängers zentimeterdicke Kratzer. So steht’s auch schon im Übergabeprotokoll von 2008. Aber egal. Alles egal. Das bleibt so, so die Venus im Zigarettenwölkchen. Alles, was ich machen soll, ist Weißeln. Der Rest passt. Renoviert wird an der Wohnung gar nichts. Kein neues Laminat, kein Parkett. Nichts. Und dennoch wird ordentlich an der neuen Miete geschraubt. Sage und schreibe 150€ mehr soll mein Heim den Nachmieter kosten. Exakt dieselbe Wohnung ohne irgendwelche Ausbesserungen. Damit sind wir bei einem astronomischen Kaltmietenpreis von 13€ pro qm². In einem Münchner Vorort! Als ich den Preis höre, wird mir ganz anders. Wer legt denn bitte einen derartigen Preis für so eine Wohnung hin?
Viele, wie ich sehen werde.
Keine zwei Minuten nach dem Online-Inserat für meine Wohnung surrt die erste Interessentenmeldung herein. Dann die nächste. Und die nächste. Bis zum Abend sind allein schon am ersten Tag 30 eMails eingetrudelt. Ich bekomme ellenlange Nachrichten von verzweifelten Mietinteressenten, voll mit privaten Details, in denen sich Leute vorstellen, präsentieren, flehen. Studenten, Krankenschwestern, Unternehmer, eine junge Familie mit zwei Kindern. Wie die in den zwei mickrigen Zimmern Platz finden soll, ist mir ein Rätsel. Nach 16 Stunden bin ich gezwungen, die Anzeige vom Netz zu nehmen. Der Grund ist dieser hier:
Meine eMail-Fach ist zum Bersten voll mit Anfragen. Jede einzelne beinhaltet eine kurze Biographie, die ich erstmal durcharbeiten muss. Vor mir liegt ein echtes Stück Arbeit. Fast 2 Stunden benötige ich, um aus den 120 Anfragen 30 Leute in die nähere Auswahl zu bekommen. Den restlichen 90 sage ich brav ab. 90 eMails. 90 Mal copy and paste. 90 Mal ein Nein. 90 Mal ein schlechtes Gewissen.
Ein paar Tage später ist der angegebene Besichtigungstermin. Ich habe Gruppen von jeweils 8 Leuten Zeitslots von knapp 30 Minuten zugewiesen, in denen ich ihnen die Wohnung zeige. Sie kennen mich nicht, ich kenne sie nicht. Und doch lernen sie mit der Wohnung in ein paar Minuten Details von mir, die sonst nur mein engster Freundeskreis kennt. Die Leute hinter den Namen aus den eMails bekommen ein Gesicht. Manchmal ein sehr sympathisches. Manchmal weniger. Man merkt sofort, wie unter den Interessenten ein Kampf um meine Gunst entbrennt. Als ob ich hier eine Entscheidung treffen dürfte. Manche preschen mit Fragen vor und machen sich wichtig, andere überzeugen mit Bewerbungsunterlagen, wie ich sie sonst nur von Vorstellungsgesprächen kenne: Selbstauskunft, Mietnachweis, Empfehlungsschreiben des aktuellen Vermieters, Kontoauszüge, SchuFa-Nachweis, Kopie des Personalausweises, Kopien von Arbeitsverträgen. Und doch ist jedem klar, dass hier letztendlich der den Zuschlag bekommt, der am ehesten das Geld für die Miete locker machen wird. Der Hausverwaltung geht es nicht um Sympathien oder gutes Klima. Der Hausverwaltung geht’s um reibungslose Geschäfte. Deswegen bekommt auch am Ende wirklich der Herr den Zuschlag, der uns mit Abstand am unsympathischsten war. Er wird jetzt diese Wohnung mit neuen Erinnerungen füllen. Und sich mit der Hellhörigkeit der Wohnung herumärgern. Soll er.
Die nächsten Tage sind bestimmt vom Beschaffen von Kisten und deren Befüllen. Ich bin schier entsetzt, was sich in den Jahren so in einer Wohnung als Besitz festsetzt. Das Schlimmste sind die Bücher. Sie lassen jede noch so kleine Kiste schwer wie Blei werden und die Anzahl an Verpackungsmaterial in ungeahnte Höhen schnellen. Alleine 12 Kisten werde ich in diesen ersten Tagen für meine Bibliothek aufwenden. Die Habseligkeiten aus Wohnzimmer und Küche zusammengenommen machen gerade einen Bruchteil davon aus. Hätte ich mir vor 4 Jahren keinen Kindle gekauft, würde ich jetzt wohl noch knapp 3 weitere Kisten mit ca. 200 Büchern befüllen.
Das Ausmisten dauert wie erwartet doch länger. Zu oft bleibt man an gewissen Objekten hängen, die einem plötzlich wieder in die Hände fallen, nachdem man sie fast vergessen hatte. Alte Postkarten, Fotos von WG-Feiern aus dem Referendariat. Gerade mal sieben Jahre her, aber wieviel ist seitdem passiert! Auf den Fotos strahlen mir noch die Konterfeis von uns als Studenten entgegen, die sich darauf freuen, endlich ein bisschen Lehrer spielen zu dürfen. Oder Freunde, um die es seit Jahren unheimlich still geworden ist. Was die jetzt wohl tun?
Nicht ganz so sentimental werde ich bei alten Unterlagen, die mit der Schule zusammenhängen und seit dem Ref einfach nicht mehr gebraucht sind. So landen die schätzungweise 6 Kilo Papier, die wir für die Protokolle der Fachsitzungen anfertigen durften, in der Tonne – ebenso wie das “Dillinger Skript”, das uns in die Tiefen der Psychologie einführen wollte. In schwachen Momenten überlege ich sogar sämtliche meiner Ordner in die Tonne zu kloppen. Sie enthalten meine gesamten Unterrichtsunterlagen. Die habe ich aber auch digital auf Festplatte, Stick und Evernote. Ich bring’s allerdings nicht übers Herz. Mein Rücken wird mich in ein paar Tagen dafür hassen.
Auch muss ich kurz schlucken, als ich Teile meiner Unterrichtsmaterialien aus der Zeit meines Auslandsaufenthaltes in den Midlands in Händen halte. Back in 2004 schloss ich dort große Freundschaft mit einem Laminiergerät und habe alles, was ich damals für die Kleinen gemacht habe, in Plastik eingeschweißt und für die Ewigkeit konserviert. Die Hingabe, mit der ich die einzelnen Karten gestaltet habe, kommt mir heute fast ein bisschen albern vor. Dazu hätte ich heute garantiert keine Zeit mehr. Aber eine schöne Erinnerung. Nur halt im wahrsten Sinne des Wortes für die Tonne. Weg damit!
A Blast from the PastDer Wahnsinn setzt ein: Spiel und Spaß mit Umzugskartons…
Und so vergeht die Zeit. Über die Tage merke ich, dass es zwischen dem Ikea-postulierten Alternativen “Leben” und “Wohnen” noch eine dritte Dimension unter einem Obdach existiert: Das Hausen. Ich hause. Unter Kartons und Kisten. Zwischen ausgeräumten Möbeln, zusammengelegten Kommoden. Der Stellplatz wird knapp und knapper. Um an meinen Schreibtisch zu kommen, mein Bett oder den Fernseher umtänzle ich tagelang die papp-verstauten Wohnaccessoires wie bei einem Hindernisparcours. Von Tag zu Tag kommen neue Hürden hinzu: Geschirr in einer XXL-Kiste, die Bücher in Obi-Boxen, Größe L, alte Ordner in Bananenkisten, Teppiche zusammengerollt, Bilder von der Wand geholt. Die Wohnung gleicht mehr und mehr einem Schlachtfeld. Die Akustik der Räume beginnt sich zu ändern. Hörbar. Unsere Worte hallen, ebenso die Schritte, der Fernseher, das Radio. Es klingt wie in einer Besenkammer. Und der Abnabelungsprozess von der alten Wohnung ist wieder einen Schritt weiter. Es ist keine Wohnung mehr. Es ist eine Höhle.
Da der Umzug recht schnell vonstatten gehen soll, geht es bei mir irgendwann um nichts anderes mehr. Unterricht passiert nebenher, Vorbereitung genauso. Vieles geht lange nicht mehr so intensiv, weil die entsprechende Literatur längst in Kisten schlummert. Tja, dann gibt’s eben keine etymologische Erklärungen zur Walpurgisnacht…
Es wird zunehmend schwerer, das dräuende Chaos auszublenden. Ich finde mich in dem, was von meinen vier Wänden übrig blieb, nicht mehr zurecht. Irgendwas fehlt immer, ist verlegt, verstaut, verschwunden. Lediglich abends, wenn ich völlig genervt bin, habe ich bei einer Tasse Tee genug Muße, beim Bloggen meine Gedanken zu ordnen und wieder runterzukommen. Und es klappt. Ich gehe tiefenentspannt schlafen. Bis ich beim Aufwachen beim Anblick der Kistenburg wieder zu grummeln beginne.
Und plötzlich ist der letzte Abend in der Wohnung da. Ich hatte mit Sentimentalität gerechnet, mit ein bisschen Wehmut oder einem verkniffenen Tränchen. Aber das kann ich mir nicht leisten. Es gibt immer noch so wahnsinnig viel zu tun. Ich habe vorsorglich noch ein paar Kisten gekauft, genauso wie vor drei Tagen als ich der Meinung war, die Dinger würden garantiert nicht voll. Ich hatte Unrecht. Letztes Mal. Und dieses Mal auch. In die letzten Kisten kommt nur noch sporadisch aufgefundener Kram, den ich nicht wegwerfen will: T-Shirts, HDMI-Kabel, ein Bildband, ein CD-Player. Alles landet im selben Karton. Und dann kommt der Höhepunkt des Abends: Das Abschrauben meiner Lampen. Um 21.00 Uhr im Oktober. Super Timing! Nach Ausschalten aller Sicherungen wandle ich mit meiner Smartphone-Fotolampe durch die Dunkelheit meiner heiligen Hallen wie ein Einbrecher auf der Suche nach Beute. Ich kraxle die Leiter hoch, löse die Fassungen mit einer Hand, während ich mit der anderen die Lampe zu fixieren versuche. Zum Glück fällt nichts zu Boden. In fast vollkommener Dunkelheit hülle ich meine Glasschirme in die letzten Bettlaken, um sie vor eventuellen Stoßschäden am morgigen Tag zu sichern. Vorsichtig. Wie einen Schatz. Nach neun Stunden Zusammenpacken kapituliere ich vor dem Chaos. Es findet sich immer irgendwas zum Einpacken, irgendwas zum Verstauen, irgendwas zum Wegwerfen. Aber ich kann nicht mehr. Morgen gehen mir fast 20 Hände zur Hilfe, da geht das deutlich schneller. Ich will nur noch schlafen – nicht im Bett, denn das ist schon längst abgebaut. Stattdessen residiere ich auf meinem Lattenrost auf dem Boden. Wie so ein Student im fünften Semester. Hier mit dem Laptop auf dem Schoß kann ich wieder ein letztes Mal zur Ruhe kommen. Alles Revue passieren lassen. Runterfahren. Morgen wird ein langer Tag. Aber einer, auf den wir seit Monaten hingearbeitet haben. Ich hab es so gewollt.
Es ist Zeit.
Den Tag des Umzugs erlebe ich wie in Trance. Ich bin um halb sieben auf den Beinen, um die letzten Zeugnisse meiner Existenz in dieser Wohnung zusammenzupacken: Bettzeug und Lattenrost wandern an die Wand, um nur Minuten später vom ersten Trupp meiner Leute eingesackt zu werden. Erst rödeln wir zu dritt, dann zu fünft. Und als noch zwei meiner Kolleginnen und mein Vater eintrudeln, ist die Bude in Rekordzeit leer und im gemieteten Transporter verstaut. Ich bin ganz baff und gerührt ob solchen Aktionismus. Wohnwand, Panele, Couchtische, Bücherregale und haufenweise Kisten werden getragen, geschleppt und gehievt – mit Erfolg. Nach gerade mal zwei Stunden ist die Wohnung nicht mehr wieder zu erkennen. Alles wie leergefegt. Nur noch ein Bild an der Wand, ein Raumduft und der Duschvorhang sind vor den Saubermännern verschont geblieben. Das war’s dann jetzt. Das letzte Kapitel ist fast zu Ende geschrieben. Ein letztes Mal gehe ich durch die Räume. Erinnere mich an WG-Parties, schlaflose Nächte und Lernstress. Alles vorbei. Aus meiner Wohnung ist eine Wohnung geworden. Irgendeine. Nicht mehr meine. Ich nehme das Bild von der Wand, das mir meine Kollegen gelassen haben. Sie wissen um die Wichtigkeit der Leute darauf und haben mir die Ehre überlassen. Dann trete ich ins Treppenhaus. Drehe mich noch ein letztes Mal in den nackten Flur, der mal der meinige gewesen war. Jetzt ist er irgendeiner.
Nur nicht meiner.
Türe zu.
Aus.
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