Kein Blog ohne Jahresrückblick 😎 Aber eine detaillierte Darstellung erspare ich mir dieses Jahr. Denn Zeit ist für uns definitiv eine Komponente geworden, die rar ist. Zumindest bei mir. Ebenso wie das Thema Sicherheit und Routine. Vieles, was wir als gesetzt akzeptiert haben, wurde 2022 gänzlich auf den Kopf gestellt. Ein Krieg in Europa, explodierende Kosten für Gas, für Öl, für Elektrizität. Für Benzin. Für Lebensmittel. Eine Inflation auf Rekordhöhe. Und man steht tatenlos daneben und wird von den Ereignissen überrollt. Das weitet sich auch auf das Digitale aus, wo im Laufe des Jahres altbekannte Strukturen und Plattformen von Grund auf umgekrempelt wurden.
Zwitscher-Chaos
Twitter, die Plattform, auf der alles für viele von uns anfing, geriet beispielsweise ordentlich ins Straucheln. Seit Oktober hält die Spirale der Hiobsbotschaften an. Ein CEO, der einen Großteil seiner Mitarbeiter rauswirft, dann wieder einstellt, dann zu horrenden Überstunden verpflichtet, seine Abwahl zur Disposition stellt – das alles hat ein System, das für die meisten von uns aller Unkenrufen zum Trotz gut funktioniert hat, in Rekordzeit nachhaltig zerstört. Eine Neuorientierung fällt vielen immer noch schwer. Auch mir. Ich schaue immer wieder aus Gewohnheit bei Twitter vorbei. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Und Mastodon ist kein Twitter. Und so hüpfe ich ratlos zwischen zwei Plattformen hin und her, die mich beide in ihrer jetzigen Form nicht zufrieden stellen…
An elephant in the room
In dem Durcheinander habe ich gänzlich verpasst, dass auch bei Evernote was im Busch ist. Die Plattform, mit der ich seit Bestehen des Blogs konsequent meinen Unterricht bestreite, hat den Besitzer gewechselt und ist ab Januar das Schätzchen von Bending Spoons, die sich auf mobilen Plattformen auf Monetarisierungsmethoden ihrer Programme versteht. Zwar wurde vom neuen Besitzer erklärt, dass sich alles zum Vorteil der Nutzenden ändern wird. Aber solche Versprechen kennt man ja. Und plötzlich sind völlig abstruse Neuerungen da, die Bezahlmethode auf das Doppelte erhöht, und die Leute in Scharen abgesprungen. Sollte der Dienst dann seine Schotten dicht machen, bin ich aufgeschmissen. Über Evernote läuft bei mir alles. Selbst die Dienste des Programmes, über die gerne gelästert wird (Widgets oder die Startansicht), sind bei mir fest in den Arbeitsablauf integriert und funktionieren für mich prima. Klar gäbe es Alterativen. Aber keine funktioniert für mich und meinen Workflow so wie Evernote und würde sich echt wie ein deutlicher Rückschritt anfühlen. Wo geht’s dann weiter? OneNote? DevonThink? Ganz was anderes?
(K)ein Fels in der Brandung
Selbst auf meinem Blog, der in all den Jahren meine Konstante darstellte, habe ich dieses Jahr mehrmals die Augenbraue hochgezogen. Einige meiner Artikel gingen zahlenmäßig total durch die Decke. Andere blieben wie Blei in den Leseregalen liegen. Aus welchen Gründen, kann ich nicht nachvollziehen. Meine Top 3 – Beiträge sind völlig unterschiedlich. Einer davon ist mein Testbericht zu Squid, den ich schon vor Jahren verfasst habe, aber ständig gelesen wird. Die anderen sind Rants – einmal über Lehrerdienstgeräte und dann über das letzte chaotische Schuljahr. Wäre Bloggen jetzt meine Haupteinnahmequelle müsste ich jetzt aus solchen Zahlen Analysen ziehen. Zum Beispiel, dass schlechte Stimmung im Netz gut Quote macht. Oder ob ich Besucherzahlen mit Suchmaschinenoptimierung vergrößern möchte. Oder wann ich in der Woche meine Blogartikel am Besten platziere, um möglichst viele Leute zu erreichen. Aber zum Glück ist das nicht mein Beruf. Mein Blog hat nach wie vor eine süße Reichweite. Aber auch nicht mehr. Ich mache, was ich für richtig halte und freue mich, wenn es angenommen wird. Und wenn nicht, dann ist das schade. Aber zum Glück auch nicht mehr. Meine Rechnungen werde ich trotzdem bezahlen können.
Ich wünschte, ich könnte die anderen Baustellen des Jahres mit einem ähnlichen Schulterzucken abtun. Vielleicht lerne ich das 2023.
Bis dahin rutscht mal gut!
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In einem seiner aktuellen Posts beklagt Hokeys das Aussterben von Lehrerblogs. Der Trend gehe seit Langem schon klar in die Social Media-Richtung, wo mit ein paar Handgriffen deutlich mehr Klicks und Likes zu erhalten sind als in einem separaten Blog. Ich beobachte das Phänomen schon seit geraumer Zeit. Und bin streckenweise auch sehr am Hadern, weil alleine das Organisieren von Blogs und das Lesen der Artikel einfach deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein News Feed in einem sozialen Netzwerk, wo sich neue Postings von Kollegen mit anderen von meinen Followern nahtlos aneinanderreihen. Wozu sich also den Stress machen?
Das Schreiben ist für mich in Blogform deutlich angenehmer als in einem Netzwerk, wo ich mich oft so kurz fassen muss, dass der Spirit eines Artikels im Diktat der Zeichenbeschränkung und des Hashtag-Overkill einfach verloren geht. 280 Zeichen bei Twitter reichen höchstens für Anekdoten. Threads, die über mehrere Posts gehen, empfinde ich als sehr umständlich und meide sie als aktiver Leser, wo es geht. Instagram kapiere ich bis heute nicht so wirklich. Die Bildlastigkeit der Plattform macht es schwer, tatsächlich etwas Schriftlich zu hinterlassen, was Bedeutung hat. Da jeder Post ein Bild oder Video/Reel als Ausgangspunkt hat, wäre ich einen Großteil der Zeit damit beschäftigt, ein passendes Motiv für mein Geschreibsel zu finden, das dann traurig darunter in der Beschreibung eingepfercht darunter ein Schattendasein führt. Text ist hier einfach eine Fußnote. Und das lässt die Plattform einen permanent spüren.
Bloggen ist zeitraubend. Aber es entspannt mich ungemein. Es hilft mir beim Ordnen der Gedanken, bringt mich am Ende eines langen Tages runter. Und mit etwas Glück kommt ein Artikel raus, den ich und andere gut finden. Bei den sozialen Netzwerken fühlt sich das Posten hingegen ganz anders an. Viele Accounts setzen viel mehr auf den Spur-of-a-moment. Posten um gesehen zu werden. Denn Masse erhöht die Sichtbarkeit, generiert Follower, generiert Likes. Ich sehe dort endlos Leute, die gedankenverloren in einen imaginären Horizont blicken, sich von Filtern verbiegen lassen, brutzelnde Pfannen filmen oder random durch Bücher oder Comics blättern. Für solche Netzwerke Standard, fürs Bloggen aber zu seicht. Blogging bedeutet auch Selektion. Und konzentrieren auf das, was man als relevant erachtet.
Ein Blog ist noch deutlich mehr Handarbeit. Aber er bietet riesige Möglichkeiten zur Individualisierung: Vom Theme, zum Header, den Fonts, dem Layout der Beiträge, der Plugins, bis hin zur Gestaltung und Organisation der Menüs ist alles möglich. Diese gestalterische Freiheit habe ich noch nirgendwo anders gesehen.
Das soll jetzt nicht ein Rant gegen soziale Netzwerke sein. Auch sie haben ihre Daseinsberechtigung und sind für viele Kolleg*innen unverzichtbar geworden. Aber ich nutze sie persönlich maximal als Inspirationsquelle beim Durchscrollen, aber auch nicht mehr. Wie eine Werbeanzeige, die man beim Einkaufen passiert. Registriert, vielleicht mal stehen geblieben, aber dann auch gleich weiter gegangen. Tiefgängigeres würde ich mir ungern in Form eines Posts auf Instagram anschauen. Das will ich in einer ruhigen Umgebung nachlesen. Frei von Posts aus einem Feed von anderen Nutzern. Nur der Text und ich. Und das klappte bei mir alten Mann schon immer am besten. 😎
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Jetzt mal Butter bei die Fische (und wenn der Bayer beginnt, norddeutsche Wendungen zu nutzen, wird’s ernst): Bezüglich Blogs habe ich echt ein Zeitproblem. Den meinigen befülle ich auch nach Jahren mehr oder weniger regelmäßig mit Beiträgen. Aber beim Nachlesen bei meinen Blogkollegen komme ich irgendwie gar nicht hinterher. Ich finde weder Zeit noch Ort, im Tagesablauf mal über den digitalen Tellerrand zu schauen, um zu erfahren, was denn die anderen im digitalen Kollegium so treiben. Und das ist sehr schade. Von daher wäre ich um ein paar konkrete Tipps dankbar:
Wie organisiert ihr eure Bloglisten?
Wann lest ihr?
Wo lest ihr?
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Das war mal wieder ein toller Einfall von Herrn Rau. In einem langen Blogartikel hat er sämtliche Deutschlektüren Revue passieren lassen, die er damals als Schüler im Unterricht vorgesetzt bekam – für seine Leser ein willkommener Anlass in zahllosen Kommentaren selbiges zu tun. Dazu gehörte auch ich. Allerdings erschreckte es mich dann doch, wie wenig ich eigentlich noch über die Lektüren aus dem Deutschunterricht im Kopf behalten habe. Bei jedem der aufgelisteten Titel konnte ich mich genau an das Cover des Buches erinnern oder an das Schriftbild. Aber Inhalt? Mehr als ein ein Gefühl, das ich damit verband, hatte ich meistens nicht parat. Vielleicht lag das daran, dass ich als Schüler ein ausgesprochener Lesemuffel gewesen bin und mit vielen der Lektüren wenig anfangen konnte. War das in Latein anders? Mal schauen… Daher will ich den Spuren von Herrn Rau folgen und kurz meine Lateinlektüren der Schulzeit etwas genauer beäugen.
Neunte Klasse
Die neunte Klasse begann mit einem DER Klassiker. Der gallische Krieg von Julius Caesar stand auf dem Programm, und wenn ich mich recht erinnere, sogar ziemlich lange: Fast ein dreiviertel Jahr lasen wir in dem Schinken! Ohne irgendeine Heranführung an Inhalt und Werk ging es gleich in der ersten Stunde los. Wir hatten keine Ahnung über das literarische Genre, über die Zeitgeschichte oder gar die verschiedenen Stämme, die ständig in Erscheinung traten. Offensichtlich war unsere Lehrerin damals überzeugt davon, dass sich das alles mit der Zeit von selbst erschließen würde. Immerhin ist das Werk ja ein Tatenbericht, in dem einem unwissenden Leser fein säuberlich alles dargelegt und erklärt wird. Aber so richtig verstanden haben wir das nicht. Zumindest ich nicht. Ständig kamen neue Stämme hinzu: Die Sueben, die Helvetier, die Haeduer, Germanen, Römer, Gallier. Und alle gaben sich eins auf die Nuss. All das war verpackt in diesen typischen Caesar-Schreibstil, der komplett anders war als alles, was wir in der Spracherwerbsphase der vorherigen Schuljahre übersetzt hatte. Folglich hat man ganz schön lange gebraucht, da hineinzukommen.
Aus heutiger Sicht ist es so ein Unterricht, wie wir ihn damals erlebt haben, heute kaum noch denkbar (aber bestimmt noch irgendwo so praktiziert). Cäsar ist mittlerweile einer von knapp 6 – 7 Autoren, die im Laufe der neunten Klasse neben Ovid, Catull, Phädrus, Nepos sowie eine Handvoll mittellateinischer Autoren behandelt werden müssen. Folglich bleibt für Caesar deutlich weniger Zeit als damals. Das Phänomen des Lektüreschocks wird dadurch leider nicht wirklich besser. Im Gegenteil. Für viele ist bis heute Cäsar der Autor, bei dem einige definitiv das Handtuch werfen.
Als dann nach 9 Monaten zum ersten Mal Phädrus’ Fabeln auf dem Plan standen, atmeten wir als Klasse deutlich auf. Die kleinen Geschichten rund um Rabe und Fuchs, die uns oft aus dem Deutschunterricht bekannt waren, ließen sich deutlich einfacher übersetzen und waren narratologisch simpel gehalten.Daher habe ich an Phädrus eigentlich ganz gute Erinnerungen. Hätte unsere Lehrerin damals mit Phädrus angefangen, hätten wir in die Autorenlektüre den definitiv einfacheren Start gehabt.
Zehnte Klasse
In der zehnten Klasse standen auch zwei literarische Schwergewichte auf dem Programm. Los ging es mit Cicero und den beiden Reden gegen Verres und Catilina. Anders als in der neunten Klasse begann unser Lehrer, der später auch mein Leistungskursleiter werden würde, mit einem historischen Vorbau und ließ uns an einem kurzen Abriss der römischen Geschichte bis in die Zeit Ciceros teilhaben. Für uns oder besonders für mich als der Klasse sehr erschreckend, weil wir merkten, dass wir nach mittlerweile fünf Jahren Lateinunterricht eigentlich so gut wie nichts über römische Geschichte und ihre Gesellschaft wussten. Das unterstreich noch einmal ganz deutlich, wie wichtig es ist, im Lateinunterricht regelmäßig innezuhalten, um noch mal alles im historischen Diskurs zu verorten. Je öfter desto besser. Folglich konnten wir als Klasse damals den Reden Ciceros deutlich besser folgen als in der 9. Klasse Caesar. Noch dazu sind die Themen Korruption und Staatsputsch in der heutigen Zeit wieder so relevant wie eh und je. Insofern kann man hier als Lehrer bis heute aus dem Vollen schöpfen.
Ovids Metamorphosen begleiteten uns dann im 2. Halbjahr für fast 5 Monate; eine große Zeitspanne, in der wir uns voll und ganz auf das metrische Lesen und die Dichtersprache Ovids konzentrieren konnten. Und das war auch bitter nötig. Mit Ovid haben Schüler bis heute große Probleme. Und das so sehr, dass er in vielen Bundesländern oft nur noch kursorisch gelesen wird. Jemanden einen solchen Text in einer Schulaufgabe zur Benotung vorzulegen grenzt für viele an Sadismus. Dabei ist das alles kein großes Problem, wenn man seine Formen parat hat. Ohne das Wissen über Kasusendungen ist man natürlich hoffnungslos verloren. Aber das gehört nun mal genau zu Latein wie das Einmaleins in Mathematik…
Ovid fand ich trotz des knackigen Schwierigkeitsgrades immer sehr interessant. Als Klasse wurde uns genug Zeit gelassen, sich auf den Stil einzustimmen und sich einen roten Faden zu erlesen, der sich durch das komplette Werk zieht. So etwas ist in der jetzigen 10. Klasse, in der Latein als dreistündiges Fach behandelt wird, leider schwer zu leisten. Stattdessen hetzt man von Highlight zu Highlight: Zu Apollo und Daphne, zu den lykischen Bauern, zu Philemon und Baukis, Lykaon, Pyramus und Thisbe oder die Augustus-Prophezeiung. Dabei lässt dabei oftmals völlig unter den Tisch fallen, dass alle diese Episoden kunstvoll miteinander verwoben sind. Und das 15 Bücher lang, in mehr als 225 Sagen mit mehr als 13.000 Versen, die einen in sich schlüssigen und zusammenhängenden Text ergeben. Damit fällt häufig – auch bei mir – eine große künstlerische Dimension unter den Tisch, die ich erst im Studium so richtig begriffen habe.
Elfte Klasse
Die 11. Klasse begann mit einem Autor, der aus dem aktuellen Lehrplan des achtjährigen Gymnasiums gänzlich verschwunden ist. Nämlich Tacitus. Heute ist der Autor aufgrund seines Schwierigkeitsgrades in aus der Schule in der Schule verbannt und an der Universität gefürchtet. Dabei ist seine Germania für uns Deutsche eigentlich ein tolles Zeitdokument. Die Maske, durch die der Autor Aussehen und Gepflogenheiten der Germanen beschreibt, sind gut zu übersetzen, spannend und werfen die Frage auf, wie viel davon tatsächlich wahr und belegt ist. Oder zeichnet das Werk einfach nur das Bild von einer zivilisatorisch unterlegenen Gemeinschaft, das vor Klischees und Stereotypen nur so strotzt. Fake News gab es ja schon damals. Aber fallen wir mehr auf sie rein, wenn sie aus einer zeitlichen Distanz von 2000 Jahren später betrachten?
Im zweiten Halbjahr schwenkten wir dann zu Vergil, der später auch wieder im Leistungskurs eine große Rolle spielen würde. Aus diesem Grunde bewegten wir uns auch nur im ersten Buch der Aeneis und beschränkten uns ausschließlich auf das diegetische Geschehen des Epos, ohne die national-römischen Tendenzen und die Propagandawirkung zu betrachten. Unvergessen bleibt der Augenblick, in dem unser Lateinlehrer, ein glühender Verehrer des Dichters, eine komplette Unterrichtsstunde darauf verwandte, um das erste Buch der Aeneis wortwörtlich wiederzugeben. Aus dem Kopf auswendig ohne irgendeine Zuhilfenahme.
Das Ende des Schuljahres war dann mit kleinen Fiesheiten aus Epigrammen des Martial und Catull geschmückt. Anders als in der neunten Klasse Phaedrus, galt es nun mit Versmaß und den teils recht anspruchsvollen Zweizeilern umzugehen. Jeder in der Klasse bekam daher ein Epigramm, das er auswendig vortragen, übersetzen und mit einem möglichst geistreichen Titel überschreiben sollte. Ich kann mich noch gut an dieses getippte Schreibmaschinenblatt erinnern, auf dem knapp 60 Epigramme von unserem Lehrer fein säuberlich abgetippt wurden. Ich hatte damals das mit Thais und ihren verfaulten Zähnen.
Zwölfte Klasse
Die zwölfte Klasse begann mit Petrons Satyricon und eröffnete mir mit der Cena Trimalchionis eine ganz neue Welt in der lateinischen Literatur. Die Art und Weise, wie teilweise gänzlich unverblümt von den Protagonisten untereinander geschimpft und gelästert wurde, war für mich eine völlig neue Erfahrung. Der Autor sollte daher sowohl in meiner Facharbeit eine große Rolle spielen als auch in meinem Staatsexamen, wo er für die literaturwissenschaftliche Übersetzungsprüfung mein zweiter Hauptautor werden würde. Natürlich konnte man einen Roman dieses Formats nur zu einem gewissen Teil in der Oberstufe lesen. Die richtig saftigen Passagen bekam ich erst Jahre später im Studium um die Ohren geknallt. Die verfehlten aber auch dann mit knackigen 20 Jahren nicht ihre Wirkung…
Der gute Horaz und seine Werke standen dort als thematischer Gegenpol zu den doch recht derben Themen des Satyricon. Oden, Epoden, Satiren – alles war dabei. Inklusive einer gehörigen Portion Frust. Ein Großteil seiner Werke war ohne ständige Erläuterungen und zusätzliche Kommentare nicht zu bewältigen. Entsprechend ist der Dichter heutzutage in der Oberstufe eingedost. Mehr als die Schwätzersatire wird in der Regel kaum noch gelesen. Dabei haben seine Werke durchaus ihren Reiz. So richtig erschließen sollen sich die teils doch recht kryptischen Verse übrigens erst, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat. Vielleicht wäre jetzt dazu der Zeitpunkt gekommen.
Zum Schluss des Jahres stand noch das Thema der Staatsphilosophie auf dem Programm. De re publica von Cicero verlangte mir damals einiges ab. Nicht sprachlich, denn der Text war an sich gut strukturiert und leicht zu verstehen. Aber das Thema an sich war für mich eine Herausforderung. Als Schüler, der noch nicht einmal die Volljährigkeit erreicht hatte, waren Bereiche wie Staatskreisläufe, Entartungen und Mischverfassungen schon harter Tobak. Dazu kamen ständige Rückbezüge auf altgriechische Vorbilder, die wir als Kurs nicht parat hatten. Ständig erschienen die Prätexte von Platon oder Archimedes durch, aus denen sich Cicero fleißig bedient hat. Erst zum Abitur hin bekam ich ich bei der Wiederholung des Themas endlich sinnvoll zu verstehen. Heute als Lehrer lese ich den Text wirklich sehr gerne. Er bietet auch heute noch viel Diskussions- und Zündmaterial, um aktuelles politisches Geschehen mit diesen Theorien zu vergleichen. Oft mit erstaunlich akkuraten Ergebnissen
Dreizehnte Klasse
Für das letzte Jahr wartete der Lektüreunterricht dann mit Livius und seinem Werk ab urbe condita auf. Damit waren wir mittendrin in der faszinierenden Propagandamaschinerie des Augustus, der sich damals die literarische Elite geschickt zunutze machte, um sein politisches Programm durchzusetzen. Das wurde auch in der Aeneis deutlich, aus der wir die drei berühmten Prophezeiungsepisoden übersetzten, in denen von mythologisch höchst bedeutsamen Persönlichkeiten eine Zukunft vorausgesagt wurde, in der Kaiser Augustus als göttlich legitimierter Kaiser beschrieben wird. Zusammen mit Ausflügen in das Bauprogramm des Prinzeps erschloss sich so die komplette Tragweite eines politischen Apparates, der sich darauf verstand, seine uneingeschränkte Macht so zu präsentieren, dass keiner der Untergebenen Anstoß daran nahm. Nicht einmal die politischen Organe, die faktisch nutzlos geworden waren und nur noch auf dem Papier bestanden.
Den Abschluss meiner Lateinkarriere bildete das Thema der Philosophie, das heute in die zehnte und elfte Klasse verschoben ist (übrigens viel zu früh, wie ich meine). Im alten Lehrplan machte das Thema an dieser Stelle tatsächlich Sinn. Immerhin befanden wir uns mit dem dräuenden Abitur am Ende unserer Schulkarriere und damit an einem gewissen Scheideweg. Da waren ein paar Tipps und Tricks zum Thema Lebensführung gar nicht so verkehrt. Daher habe ich die Epistulae morales von Seneca oder aber auch Ciceros de natura deorum sehr gerne gelesen. Vor allem letzteres öffnete noch einmal die Augen, wie Römer und Philosophen einen Götterapparat im Staat empfinden. Auch das Thema der Gottesexistenz und seiner Berechtigung fand ich richtig spannend.
Wow, das ist jetzt aber ein ganz schönes Blog-Monster geworden. Ihr seid hoffentlich nicht weggepennt 😁
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Wie mir Twitter dieser Tage stolz verkündete, habe ich dort jüngst mein Achtjähriges gefeiert. Und genauso alt dürfte mein Blog sein. Zeit für eine kleine Retrospektive. Aber nur eine ganz kleine. Wir haben ja nicht den ganzen Tag Zeit.
Am Anfang war mein Wort
2013 war meine Unterrichtsvorbereitung noch stark geprägt von dem Vorgehen, wie ich es im Referendariat erlernt hatte: Jede einzelne Stunde war mit sämtlichen dazugehörigen Materialien in einem Ordner abgeheftet und in einer Klarsichthülle verstaut. Jedes Arbeitsblatt war darin in Papierform zu finden sowie auf Folie, um sie bei Bedarf an den überall im Schulhaus vorhandenen OHPs im Klassenzimmer ausfüllen zu können… und sich nebenbei die Finger mit Folienstiften zu versauen. Audiodateien waren auf CDs gebrannt. Den zum Abspielen nötigen CD-Player trug ich munter durch das Schulhaus. Klingt nach heutiger Sicht ziemlich umständlich. Aber man war es nicht anders gewöhnt. Sich alles auf ein Tablet zu laden und damit durch die Lande zu ziehen – das kannte ich bis dato noch gar nicht. Vermisste ich aber auch nicht. Wie auch, wenn man es vorher nicht kannte…
Auf Blogs bin ich damals nur eher zufällig gestoßen. Auf einer Suche nach Inspiration zu meinem ersten Seminar in der Oberstufe stieß ich damals auf einen Leistungskurs-Blog von Peter Ringeisen – und war schnell begeistert. So viel möglich. So viel online. Und dann noch in bayerischen Landen. Das war zu schön, um wahr zu sein! Von dort klickte ich mich durch die Linklisten und kam so in die Welt der Lehrerblogs. Viele der virtuellen Lehrenden, die damals noch aktiv waren, sind mittlerweile leider verstummt. Frau Henner zum Beispiel, die ich immer gern gelesen habe. Oder aber auch Frollein Rot, die über viele Jahre die schönsten Schulanekdoten zum Besten gab. Aber es gab auch damals schon die Stars, die bis heute aktiv sind. Bob Blume hatte jüngst angefangen, Jan-Martin Klinge war schon seit Jahren dabei. Ebenso Herr Rau. Und irgendwann war klar: Das wollte ich auch. Schnell war WordPress aufgesetzt und ein erster Artikel geschrieben. Der Rest lief von ganz von alleine.
Lehrerzimmer 2.0
Das Thema Twitterlehrerzimmer, in dem sich ein digitales Kollegium tummelte, lag damals noch in weiter Ferne. Man erklickte sich sein eigenes Wirkungsuniversum und die Leute darin: Im EdchatDE organisierten Torsten Larbig und André Spang jeden Dienstag den ersten, mir bekannten digitalen Lehrerchat über den eigenen Tellerrand hinaus. Herr Rau verfrachtete die bekanntesten Lehrkräfte und ihre Blogs in ein virtuelles Sammelkarten-Set und sorgte so sowohl für Erheiterung als auch Ausweitung des PLN. Bob Blume erfand mit Twanalog ein Brieffreundschaftsprojekt 2.0 für die über Twitter vernetzten Lehrer. Und ich nahm an allem sehr gerne teil.
Für mich selbst stand damals allerdings die Blogpflege an erster Stelle. Jeder Kommentar zu einem meiner Artikel war eine kleine Party. Wildfremde Leute aus irgendwelchen Regionen der Republik, die zu meinem Geschreibsel ihren Senf gaben – Awesome! Und so revanchierte man sich mit Gegenkommentaren und diskutierte vorrangig eher auf den Blogs selbst als sich in den sozialen Medien zu verewigen, in denen die Artikel verlinkt sind – eine Entwicklung, die ich bis heute bedauere. So war der Kontakt noch eine Spur persönlicher, die Reaktion ein Quäntchen unmittelbarer. Man kam besser ins Gespräch. Sei’s drum, der Kontakt selbst stand im Zentrum und eröffnete zahllose neue Türen: Und ehe man sich’s versah, lief man sich im wahren Leben auf einer Fortbildung in die Arme, traf sich beim Umsteigen in einen Zug mal eben auf einen Kaffee, fand sich bei einem seiner Follower urplötzlich in einer Fortbildung. Oder endete selbst als Referent in einer Fortbildung, die man ohne die entsprechende Expertise aus der Kombination Twitter/Blog so nie angeboten hätte.
Wozu nun diese Retrospektive? Nun für mich zunächst vorrangig als Erinnerung an all die tollen Erfahrungen und Erlebnisse, die ich aus dieser Mehr-als-Hobby-Aktivität ziehe. Und für den einen oder anderen interessierten Leser als Aufforderung, das auch mal auszuprobieren. Man kann nur gewinnen.
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Wie putzig: Anfang April kam mir beiläufig mein erster Blogartikel unter die Finger. Und da stand es schwarz auf weiß: sieben Jahre ist es nun her, dass ich im April 2013 mit dem Experiment Lehrerblog anfing. Und dabei blieb. Viel hat sich seitdem verändert. Viele Kolleginnen und Kollegen, die mich damals mit ihren Ideen und digitaler Präsenz beeindruckt und zum Schreiben motiviert haben, sind online verstummt oder gar komplett von der Bildfläche verschwunden (wenn ich mir unser Lehrerblog-Quartett von 2014 ansehe). Einige wenige sind bis heute noch dabei und beeinflussen die Lehrerblog-Szene (wenn man sie so nennen darf) bis heute ganz maßgeblich. Jan-Martin Klinge oder Thomas Rau zum Beispiel. Oder Bob Blume. Und natürlich auch die Leser hier. Euch einen ganz großen Dank, dass ihr mir über Jahre die Stange gehalten habt. Ihr habt einiges mitgemacht 😉 Selbst die schöpferische Blog-Pause habt ihr mir verziehen. Zumindest, wenn ich mir die Besucherzahlen anschaue, die mir Statify kredenzt. Um wieviel akkurater dieser Dienst ist als Google Analytics, kann ich nicht nachvollziehen. Aber gehen wir mal davon, dass Statify mir die Wahrheit sagt 😉
Das siebte Jahr ist ja angeblich immer das, in dem man so ein bisschen ins Nachdenken kommt. Beruflich hatte ich diese Mini-Krise tatsächlich nach exakt dieser Zeitspanne, die mich damals ins Grübeln brachte, ob ich vielleicht nicht doch ein bisschen Veränderung bräuchte (die dann auch eintrat). Und auch beim Bloggen bekam ich kurz vor dem siebten Jahr des Bloggens Lust auf Veränderung: Der Blog wurde komplett umgekrempelt – mit Erfolg? Das wird die geneigte Leserschaft entscheiden müssen. Ich bin zumindest guter Dinge: ein paar Mini-Serien sind im Blog jüngst gestartet, ein paar Zusatzfeatures kommen in den nächsten Wochen sukzessive nach, und mein To-Do-Blogartikel-Verzeichnis in Evernote ist mit 97 Artikeln prall gefüllt. Schaun wir mal, ob das für die nächsten sieben Jahre reicht.
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Noch vor ein paar Tagen war ich es noch selbst, der in Erinnerungen schwelgte, als er beim Aufräumen im Blog eine alte Blogparade fand. Anfang November ist es Bob Blume, der aus einem ähnlichen Gefühl heraus die alten Zeiten wieder aufleben lässt und mit dem Thema Zeitgemäße Bildung konkret einen Appell an alle Blog-Lehrer richtet, dem ich gerne nachkommen will. Abhängig davon, ob ich jetzt meine Englisch oder Lateinfakultas ins Zentrum stelle, kann ich mir bei dem Thema die Antwort besonders leicht (wer würde denn an Unzeitgemäßheit des Englischen zweifeln?) oder schwer machen. Spaßeshalber entscheide ich mich für letzteres. Denn wie man Lateinunterricht zeitgemäß gestaltet, ist für viele ein Kuriosum, das vielleicht nicht einleuchtet. Und ein bisschen stimmt’s ja auch: Denn obwohl ich mir der Möglichkeiten bewusst bin, die Mebis, H5P und eine Handvoll preisgekrönter Apps im Unterricht bringen können, muss ich zugeben, dass ich all das in Latein deutlich sparsamer einsetze als im Englischunterricht. Nicht nur weil die Zielsetzung im Lateinunterricht eine andere ist. Sondern auch – und das mag im ersten Moment komisch klingen – weil die Texte auch noch 2000 Jahre später modern sind wie eh und je. Here me out: Wir befinden uns 2019 in einem sonderbaren Zustand, an den ich vor 4-5 Jahren noch nicht geglaubt hätte. Es ist eine Zeit, in der die erwiesene Tatsache nicht mehr den einst unumstößlichen Anspruch auf Wahrheit in sich birgt. Es ist eine Zeit, in der alternative Fakten existieren. Und in denen gerne der Recht bekommt, der am lautesten brüllt. Eine Zeit, in der Leute in hohen Positionen stehen und die Verantwortung über Millionen von Leuten innehaben, und doch vorrangig erstmal an sich selbst denken. Eine Zeit, in der es chic geworden ist, über Leute anderer Meinung/ Hautfarbe/ Sexualität/ politischer Gesinnung in einem Sprachduktus herzuziehen, der jeglicher Empathie entbehrt. Eine Zeit des Wegsehens. Eine Zeit des Ignorieren und Geschehenlassens. Wir alle sind Teil dieses Diskurses unserer Zeit. Wir sind umgeben davon, wir atmen ihn, lassen uns zunehmend davon einnehmen… und gewöhnen uns daran. Die schiere Flut an Misinformation und alltäglichen Kruditäten macht uns mürbe. Stumpft uns ab. Verzerrt die Sicht. Man weiß gar nicht, worüber man sich am ehesten aufregen soll. Über hämische Begriffe wie Asyltourismus? Über den berühmten Vogelschiss? Über Sharpiegate? Über Brexit? Über “lieber gar nicht regieren als schlecht” [und sich dann über die Unfähigkeit der einer Regierung echauffieren]? Die Anzahl der Entgleisungen will gar kein Ende nehmen und zermürbt. Dabei wäre eine klare Sicht auf die Dinge so wichtig. Die wird aber zunehmend erschwert, weil wir Teil davon sind. Wir sind emotional und kulturell in diese unschönen Momente involviert, denen wir nicht entfliehen können und verlieren so zunehmend den klärenden Blick fürs Wesentliche. Daran wird Latein gewiss nichts ändern können. Oder vielleicht doch? Denn ich behaupte, dass die alten Texte, mit denen wir seit Generationen die Schülerschaft beehren, einen großen Vorteil in sich bergen, den es in vielen Fächern oft nicht gibt. Und der mag im ersten Moment seltsam klingen: Sie haben scheinbar nichts mehr mit uns zu tun. Und das ist gut so. Denn so stehen wir olympisch über den Geschehnissen in den Werken eines Caesar, eines Seneca, eines Cicero oder Catull und gehen aufgrund der zeitlichen Distanz mit den Texten recht unvoreingenommen um – zumindest bis wir sie uns zu nutze machen, um von dieser Warte aus in unsere Jetztzeit zu schielen. Und das klappt mit etwas Hilfe von der Lehrkraft erstaunlich gut.
Schauen wir uns nur mal Caesars Bellum Gallicum an. Was für ein geniales Propaganda-Werkzeug! Man muss sich das mal durch den Kopf gehen lassen: Da verfasst ein damals führender Politiker ein Werk, um sich und seine Taten vor der Leserschaft zu rechtfertigen (Korruption, Rechtsbrüche, abruptes Abwandern nach Gallien inmitten von Unruhen in Rom, Kriegsführung angeblich zur reinen Bereicherung) und wendet dabei einen Spitzenkniff an: Anstatt eine bloße Verteidigungsschrift vorzulegen, die inhaltlich und stilistisch lediglich in den alten Kesseln rührt und die Zuhörer mit abgedroschenen Phrasen langweilt, bemüht er kurzerhand ein völlig unerwartetes Genre, das damit nach außen hin überhaupt nichts zu tun hat. Den commentarius. Dieser ist ursprünglich nichts anderes als eine schmucklose Aufzeichnung von Beamten. Ein Tätigkeitenbericht. Und genau so kommt de bello Gallico im ersten Moment daher. So lernte man es zumindest noch zu meiner Zeit. Der begrenzte Wortschatz, die endlose Aufzählung von Völkern und Stämmen, die sich in Gallien gegenseitig eins auf die Mütze geben, Caesars taktisches Eingreifen, der die Kämpfe oft im Keim erstickt. All das ist fein säuberlich aufgezeichnet. Aber der Schein trügt. Das Werk ist so viel mehr. Man darf nie vergessen: De bello Gallico bleibt trotzdem eine Verteidigungsschrift für Cäsars Vorgehen, aber sie kommt in völlig anderem Gewand daher. Wie eine gigantische Dokumentation, die in nüchternem, unaufgeregten Latein verfasst ist: Eine scheinbar neutrale Beschreibung über Land und Leute einer Gegend, von der der Leser bisher noch nichts vorher wusste. Edutainment, das für den Leser die damals unbekannte Faktenlage in knappen Worten zusammenfasst und Zusammenhänge erschließt. Und das alles in der dritten Person. Die handelnden Personen reden zu 95% in indirekter Rede, selbst Caesar – und das ist der genialste Kniff – verfällt als agierender Charakter kein einziges Mal ins Ich. Und das wo er sowohl Autor als auch handelnde Persona seines eigenen Werkes ist. Die Wirkung dieses Zusammenspiels der einzelnen Elemente ist enorm. Das Werk gibt den Anschein einer hervorragend recherchierten Reportage. Alles liest sich logisch, alles fundiert. Caesars Beweggründe, die Helvetier zu bekämpfen, leuchten völlig ein. So wie es dargestellt ist, existiert überhaupt kein Zweifel daran, dass er inmitten von politischen Wirren in Rom nach Gallien aufgebrochen ist. Man lässt sich vom Stil vollkommen einlullen, der in seiner Nüchternheit eine Faktenlage schafft, die keinen Platz für Diskussion lässt. Dass man hier eine Propagandaschrift vor sich liegen hat, fällt gar nicht auf. Caesar und der Leser begeben sich im Dialog in eine eigene Filterbubble, in der es keine Widerrede gibt. Wie auch, wenn sein Werk das einzige bleibt, das über den gallischen Krieg berichtet? Eine Spur brachialer geht eigentlich nur noch Augustus vor. Er braucht diese ganzen literarischen Schnickschnack nicht, um sich zu rechtfertigen. Der Personenkult, den er mit seinem Prinzipat um sich aufbaut, lässt jeglichen Widerspruch verstummen. Seine Taten und Erfolge, die er unter seiner Herrschaft für sich und für allem für das römische Volk erringt, sprechen für sich. Er stilisiert sich mithilfe eines gigantischen Propagandaapparates zu einer Ikone, die andere Autoren für sich instrumentalisiert. Er ist sich allerdings auch nicht zu schade ist, selbst Hand anzulegen. Seine res gestae sind ein eigens von ihm verfasster Tatenbericht über seine Herrschaft. Und dieser biegt sich gerne die Fakten etwas zurecht: Er glorifiziert sich und sein hartes Durchgreifen gegen die Cäsarmörder, indem er sie als eine Meute bezeichnet, qui parentem meum trucidaverunt. Cäsar als Augustus’ parens zu benennen, ist gewagt (zum es mal vorsichtig auszudrücken), da die beiden niemals eine echte Verwandschaft verbunden hat. Augustus wurde lediglich adoptiert. Parens spielt aber von der Bedeutung ganz eindeutig auf eine biologische Verwandtschaft an, immerhin ist das Wort etymologisch von parere abgeleitet. Der Ausdruck pater wäre hier definitiv passender gewesen. Und den hätte Augustus definitiv wählen können. Wenn er es denn gewollt hätte. Derartige Unschärfen finden sich reihenweise in den res gestae. So wird der Kampf gegen die Cäsarmörder mit einem knappen Hinweis auf eine Doppelschlacht en passant abgetan (bis acie vici).Dass er in der ersten dieser beiden Schlachten fast geschlagen worden war, bleibt unerwähnt. So geht es über viele Passagen weiter. Viele echte Fakten, gemischt mit der einen oder anderen alternativen Ansicht, die millionenfach in sämtlichen Ecken des Reiches publiziert wurden. Augustus ließ sein Werk retweeten – sogar zweisprachig für maximale Reichweite! – , es wurde millionenfach kopiert. Augustus’ dunkle Seiten blieben darin wie auch anderen Werken seiner Zeit unerwähnt. Erst die Nachfolge-Generationen an Schriftstellern wie Sueton oder Tacitus äußern herbe Kritik an dem Herrscher, der nicht nur geliebt, sondern wohl auch gerne gefürchtet war.
Wie können solche Texte, die mit medialer Selbstdarstellung und -inszenierung auf maximale Wirkung aus sind, und deren Entlarvung mit Hilfe dessen, was wir heutzutage als Media Literacy bezeichnen, jemals aus der Mode sein? Erleben wir nicht exakt dasselbe auf genau dieselbe Art? Inhalte werden kreiert, bauschen sich in eigenen Echo-Kammern auf, werden ohne weiteres Hinterfragen millionenfach geteilt. Das Infragestellen geschieht selten. Dabei ist es genau dieser Schritt, der hilft, die großen Worthülsen zu entzaubern. Und wenn man die Kinder hierbei selbständig auf die Suche schickt, leistet die jüngste Generation eigenhändig einen wichtigen Beitrag dazu. Wie Junior-Jornalisten, die sich auf Basis der Texte auf die Suche nach der Wahrheit machen. Man muss ihnen nur Möglichkeiten dazu schaffen. Hier mal ein paar Denkanstöße für den Unterricht:
Erstellen eines Erklärvideos zur Topographie Galliens mithilfe von Cäsars Beschreibung. Wieviel müssen die Schüler beim Erstellen an der Fassung Cäsars ändern, um die Bilder mit der Beschreibung gleichlaufen zu lassen? (Ergebnis: Alles ist sehr akkurat. Keine Änderungen nötig)
Übertragung eines Dialogs in indirekter Rede bei Cäsar in direkte Rede (z. B. in Form eines fiktiven [Audio] Interviews) mit anschließender Untersuchung der Leserwirkung
Die Darstellung des Redepaares Divico und Cäsar und Herausarbeitung der narrativen Beeinflussung in BG 1.12-1.14
Vergleich der Darstellung fremder Völker in Cäsars Gallien- bzw. Germanienexkurs im Vergleich mit geeignetem modernen Forschungsmaterial (Bücher, Reportagen, Filme, Online-Quellen, Videos) und Herausarbeitung der Unterschiede
Untersuchung der Berichte von Caesars Ermordung bei Plutarch, Sueton, Cassius Dio im Vergleich mit der Filmszene aus der Serie Rom und Herausarbeiten der Unterschiede unter Berücksichtigung des Adressatenbezugs
Rechercheprojekt zu Augustus’ Propagandamethoden und Vergleich mit heutigen Prozessen
Personenkult damals und heute
Moderne Übertragung von Augustus’ Propagandamaschinerie mit Hilfe moderner Medien (Twitter) in die Jetztzeit
Erforschung der Sprache des Augustus unter sprachetymologischen Gesichtspunkten und Herausarbeitung ihrer Leserwirkung
Untersuchung diverser Propaganda-Dokumente der Antike mithilfe von Image Hotspots in H5P und Vergleich mit modernem Material
Natürlich könnte man die Frage stellen, warum man sich für derartige Projekte und Arbeitsaufträge denn unbedingt durch die Fluten an lateinischen Texten arbeiten muss. Reicht denn nicht eine Übersetzung, mit der man deutlich schneller vorankäme? Klar kann man das, aber ein übersetzter Text ist immer bereits ein Stück Interpretationsautor durch jemand Dritten. Und wollen wir die Leute nicht dazu erziehen, nicht alles vorserviert zu bekommen und selbständig auf die Suche nach der Wahrheit zu gehen? Denn die ist irgendwo da draußen. Und das Auffinden ist heute schwieriger denn je.
Seht ihr das anders? Kommentiert und diskutiert mit mir.
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Es ist schon erstaunlich, wie sehr die Landschaft der Lehrerblogger und im Twitterlehrerzimmer ändert, wenn man erst einmal ein paar Monate draußen ist. Dank DSGVO hatte sich einiges geändert. Viele der bloggenden KollegInnen waren plötzlich verschwunden (RIP Frau Henner). Andere hatten ihre heiligen Hallen auf privat gestellt. Die, die geblieben waren, hatten ihren Blog oft zur Unkenntlichkeit verändert: Widgets waren verschwunden, Videos durch selbstgehostete Screenshots ersetzt, die Kommentarfunktion oftmals komplett entfernt. Vor allem Letzteres war für mich traurig zu sehen, da ich die Kommunikation zwischen Lesern und Autor immer als tolle Möglichkeit der Partzipation bewunderte, die Twitter nur in sehr komprimierter Form erlaubt (deswegen immer mein Zusatz bei Blog-Tweets Kommentare bitte im Blog zu posten und nicht bei Twitter, wo sie im Walhalla der Billionen Tweets irgendwann verloren gehen). Die ganz Radikalen hatten den alten Blog komplett gelöscht und durch einen neuen ersetzt, der komplett bei 0 anfing: Frei von Widgets, frei von alten Beiträgen, frei von Kommentaren, frei von Gravataren, Emojis, Embedded Content, Google Fonts – oft leider auf Kosten der Optik, but that’s the price to pay…
Ich wollte keine dieser Möglichkeiten. Und entschied mich damit wohl für den schwersten Weg, das Alte zu einem Großteil zu bewahren und in den neuen Blog überzuführen. Schwer, weil man nicht nur sein bloggendes Ich der Zukunft künftig neubewertet, sondern auch das der Vergangenheit. Schwer aber auch, weil man sich erstmal wieder einfinden muss. Dass man nach eineinhalb Jahren so flockig weiter machen kann wie vor dem Cut, war ein Trugschluss. Auch in der Version 2.0 fängt man wieder mit einigem von vorne an. Zum Beispiel bei den Followern, die man wieder einfangen muss. Im Twitterlehrerzimmer, wo der Ton gerne mal etwas rauer geworden ist. Aber auch bei sich selber, da das selbstgehostete Heim viele Freiheiten bietet, in denen man sich gerne mal verliert. Es kann daher sein, dass der Blog in Details immer mal wieder etwas anders aussehen wird, weil ich etwas herumexperimentiere. Wird spannend. Ich hoffe, für beide Seiten.
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Als Blogging-Plattform ist WordPress große Klasse. Aber seit das klassische Design um ein poppiges ergänzt wurde, das sich immer wieder unangenehm in den Vordergrund drängt und aussieht wie das Kinderzimmer eines Neugeborenen, bin ich zum Schreiben meiner Artikel auf Evernote umgestiegen. Hier weiß ich, wo ich was finde, kann Bilder einfach in Notizen ziehen, muss mich nicht umständlich in eine Plattform einloggen und zum Schreiben durch mehrere Menüs klicken. Und vor allem keinen türkisen Kinderzimmer-Editor ertragen. Der Umzug hatte allerdings auch schon so seine Nachteile: Was tun, wenn die Artikel in Evernote fertig sind und in WordPress landen sollen? Bisher war meine Lösung dafür reichlich umständlich:
In WordPress anmelden, in die WP-Admin finden, Evernote-Notiz aufmachen, Überschrift der Notiz kopieren, bei WordPress als Titel des Blogposts einfügen, Fließtext kopieren, bei WordPress einfügen, Bilder in Medien-Library bei WordPress ziehen, im Editor an entsprechender Stelle positionieren, Fließtext in WP mit Formatvorlagen verschnörkeln, publizieren.
Was meint ihr? Das muss doch einfacher gehen, oder? Das sagte sich auch meine Wenigkeit und machte sich auf den Weg, um diese Schritte etwas zu automatisieren. Mein erster Weg führte zum Platzhirschen IFTTT, der aber für die Zusammenarbeit von Evernote und WordPress immer nur ein Rezept anbot. Die fertigen Notizen wurden hier lediglich als Hyperlink im WordPress-Post angezeigt. Der Fließtext blieb jedoch in der ursprünglichen Notiz.
Evernote selber schlägt CoSchedule vor, das allerdings entsprechend kostet. Und so kam ich letztlich zu Zapier. Die Plattform funktioniert ganz ähnlich wie IFTTT, bietet aber im Zusammenhang mit Evernote einiges an zusätzlichen Parametern, die sich kinderleicht editieren lassen. Hier habe ich den Filter so “programmiert” (wenn man das so nennen darf ;-)), dass die Notizen automatisch in WordPress-Drafts verwandelt werden, sobald ich den Titel der Notiz auf “done” enden lasse.
Das funktioniert reibungslos, komplett mit Hyperlinks und Fotos – vorausgesetzt, man bringt Zapier bei, den HTML-Code an WordPress zu übergeben:
So wird aus der Evernote-Notiz in Windeseile ein WordPress-Post, ohne großartig Versatzstücke einzeln in der Gegend umherzukopieren. Und das alles völlig ohne Bubble-Gum-Editor. Nifty!
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Was ein Theodor Fontane kann, kann Fontanefan schon lange: Er dichtet, und alle hören zu. Wie vor ein paar Tagen, als er zu einem Projekt aufrief, um die unterschiedlichen Lehrerblogs, die in diesem Jahr betrieben werden, vorzustellen und zu nominieren. Dem Ruf sind viele gefolgt, wobei Herr Rau den wohl mit Abstand zauberhaftesten Einfall hatte. Der hat nämlich seine Auswahl kurzerhand in ein selbst erstelltes Sammelquartett gepackt, von dem ich auch Teil sein darf – was mich überaus stolz macht.
Zu so viel Kreativität bin ich dieser Tage leider nicht fähig. Die letzten acht Wochen, die bei uns zwischen Weihnachten und den jetzigen Ferien lagen, waren ganz schön hart, sodass ich mich dieser Tage in einem Zustand des otium befinde, für den mich jeder Epikureer beneiden, und ein Stoiker verprügeln würde. Diese geruhsame Lethargie kann allerdings nicht ewig andauern. Sie muss aufhören. Und zwar jetzt. Deswegen präsentiere ich anbei ein paar zusätzliche Blogs, bei denen ich regelmäßig vorbeisehe:
Frau Henners Grüße aus der Provinz: Bei Frau Henner auf dem Lande ist die Welt noch in Ordnung – möchte man meinen. Wer Genaueres herausfinden will, muss bei ihr vorbeischauen und einiges an Zeit mitbringen. Denn Frau Henner blogt regelmäßig und so liebevoll, dass man Stunden mit dem Lesen beschäftigt ist – so geht’s mir zumindest. Nur schade, dass die blogpost-Plattform beim Kommentieren etwas zickig ist. Dieses ständige Eingeben von Sicherheitscodes nervt. Vielleicht können wir sie gemeinsam zum Umzug “motivieren” 🙂
Lehrer aus Leidenschaft: Erst seit ein paar Wochen auf Sendung, aber jetzt schon ungemein süffig zu lesen. Und das nicht nur wegen meines Abend-Ramazotti, der gerade neben mir auf dem Tisch steht.
Educating Emma beschreibt den Wahnsinn des Referendariats in ungeschönter Brutalität. Teilweise macht mich das Gelesene so sprachlos, dass ich gar nichts darauf antworten kann. Leider hat sich die Autorin aus der Lehrerblog-Auswahl zurückgezogen – nichtsdestotrotz möchte ich ihren Blog vorgestellt haben, denn er zeigt in ungekünstelter Weise auf, was für einem Druck der Lehrernachwuchs oft ausgesetzt ist in einem System, das keinen Widerspruch oder gar Scheitern duldet.
Erst seit Kurzem sehr rege besucht, ist Bob Blume und sein Blog, der weit über die Themen eines üblichen Lehrerblogs hinausgeht. Die für uns praeceptores relevanten Artikel findet man wohl am ehesten hier. Die Artikel sind sehr intelligent geschrieben und überaus kritisch, wie z. B. die Blogparade zum ZDF-Bericht der Versager im Staatsdienst sehr deutlich macht.
Frau Hilde und ihr Blog bräuchte eigentlich keine Werbung. An den zahlreichen Kommentaren gezählt, dürfte Madame schon eine entsprechend große Fanbasis aufweisen. Wer sie allerdings noch nicht kennt, dem sei hiermit ein Vorbeischauen angeraten: Egal ob es über verkorkste Geschichtsstunden, Tafelbilder mit Phalli oder der kaputten Heizung in den heimischen vier Wänden geht. Die Ups and Downs sind wunderbar charmant geschrieben, sodass man den Blog immer mit einem Lächeln auf den Lippen verlässt. Wollen wir wetten?
Natürlich gäb’s noch eine Reihe anderer Blogs. Aber wie auch Herr Rau will ich mich vorerst auf die Vorauswahl beschränken. Nur so viel sei gesagt: Auch jenseits unserer teutonischen Gefilde künden ein paar hervorragenden Pägagogen in ihren Blogs über ihre Erfahrungen. Sowohl auf Englisch als auch – mirabile dictu – auf Latein (!)
Ebenso fallen ein paar Webpräsenzen etwas zu sehr aus dem Rahmen, um als Blog durchzugehen. Immer sehr rege von mir besucht ist der EdChat, der aber hauptsächlich auf Twitter stattfindet, aber durchaus einen Ehrenpreis verdient hätte…
Achja, entsprechend von Herrn Raus Vorlage will ich das Quartett mit meinen Vorschlägen erweitern und damit ihren Besitzern eine ähnliche Freude machen 🙂
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