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    Von blankem Horror

    Es dürfte irgendwann um 1997 gewesen sein. So richtig kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich dürfte damals in der Oberstufe gewesen sein.  Ich spazierte damals vergnügt zur dritten Stunde in die Schule. Die ersten beiden Stunden waren ausgefallen, und mein Schultag würde so mit dem Leistungskurs Latein beginnen. Als ich den Raum betrete, scheint alles wie immer. Ich sehe die ganzen Leute vor mir, in eben der Sitzordnung, wie sie für unseren Kurs üblich war. Alle waren schon eingetrudelt und in aufgeregte Gespräche verwickelt. Mein bester Freund redete mit hochrotem Kopf auf seinen Vordermann ein, griff sich regelmäßig in die Haare, kritzelte auf einem Blatt Papier herum, radierte, murmelte. Ich nehme rechts von ihm Platz und entziffere aus dem Gekritzel mathematische Formeln, allem Anschein nach etwas zum Thema Kurvendiskussion. Zu Beginn kann ich mir einen amüsierten Kommentar nicht verkneifen. Ich ernte aber nur entgeisterte Blicke. “Unsere Matheklausur gerade war dermaßen schwer, ich kann da von Glück reden, wenn es noch vier Punkte werden”, zischt mir mein Freund entgegen, bevor er sich wieder seinem Vordermann zuwendet und hektisch Ergebnisse vergleicht. Im ersten Moment registriere ich das noch gelassen, bis ich von meinem Freund zugeraunt bekomme “Ich hoffe, eure Klausur war einfacher.”
    Unsere Klausur? Ich stutze. Ich habe heute keine Matheklausur geschrieben. Ich bin ja gerade erst in die Schule gekommen. Zur dritten Stunde. Die ersten beiden Stunden waren doch ausgefallen… oder? Ich werde etwas unruhig und schaue mich im Klassenraum nach Leuten um, die in meinem Mathekurs sitzen, um mich dessen zu vergewissern. Aber ich bin hier der einzige. Die nächsten 45 Minuten der Lateinstunde nehme ich nur physisch wahr. Im Kopf drehen sich Fragen über Fragen. Oder eher gesagt nur eine einzige: Habe ich etwa gerade eine Matheklausur verschlafen? Nein, das kann nicht sein, sowas passiert mir nicht. Die Termine sind Wochen vorher bekannt gegeben worden. Ich hätte mich hundertprozentig darauf vorbereitet. Andererseits ist es bei uns in der Oberstufe üblich, dass die Mathekurse am selben Tag parallel ihre Klausuren schreiben. Und neben mir wird gerade heftigst über eine eben geschriebene Mathearbeit diskutiert. Ich werde zunehmend unruhiger, rutsche auf meinem Stuhl hin und her und starre mit leerem Blick auf die Uhr, auf dass sie die 45 Minuten schneller vergehen lasse. Ich muss jemanden aus meinem Mathekurs finden und mir Klarheit verschaffen.
    Als der Gong ertönt, bin ich der erste, der wie von der Tarantel gestochen aufspringt und zur Klassenzimmertür hechtet. Im Gang schieben sich bereits Massen von Leuten durch die Schule. Unterstüfler, Mittelstüfler, ein paar Lehrer – und irgendwo mittendrin Manfred. Wir nannten ihn aufgrund seiner körperlichen Statur schlicht und ergreifend “Bäpf”. Er sitzt in meinem Mathekurs  zwei Reihen hinter mir und ist für die nächsten Sekunden der Mann, der diesen Tag in eine Katastrophe oder riesige Erleichterung verwandeln kann. “Bitte sag mir nicht, dass wir heute eine Matheklausur geschrieben haben”, keuche ich ihm entgegen, als ich mich durch die Schülermassen gewühlt habe und endlich bei ihm ankomme. Seinem Gesichtsausdruck kann ich die Antwort schon ablesen. “Sag mal, wo bist du denn gewesen? Wir haben alle auf dich gewartet! Hast du die Verlegung des Termins nicht mitbekommen” fragt Bäpf ungläubig. “Das wissen wir doch schon seit der ersten Woche des Schuljahres!”
    Und da merke ich, wie es mir den Boden unter den Füßen wegzieht. Da haben wir den Salat. Ich habe wirklich eine Klausur verpennt. Ich bin in der Kollegstufe eines Gymnasiums und habe eine der wichtigsten Prüfungen auf dem Weg zum Abitur schlichtweg vergessen. Unentschuldigt gefehlt am Tag einer angekündigten Prüfung bedeutet bei uns in Bayern automatisch 0 Punkte. Note 6. Damit setze ich meinen guten Abischnitt aufs Spiel. Nein. Falsch. Damit IST der gute Abischnitt aufs Spiel gesetzt. Die Sechs habe ich sicher. Mit pochendem Herzen und dem wohl tomatigsten Gesichtsrot, das es jemals an meiner Schule gegeben hat, begebe ich mich in das nächste Klassenzimmer, gehe im Kopf durch, wie ich das meinem Mathelehrer erklären soll, der ja ohnehin als ein harter Hund gilt. Oder meinen Eltern. Und vor allem mir selbst. So eine Kopflosigkeit kenne ich von mir überhaupt nicht. Wie konnte das passieren, dass mir diese Terminverlegung durch die Lappen gegangen ist? Ich bin so in Gedanken verloren, dass ich gar nicht registriere, in was für einem Unterricht ich überhaupt sitze. Ich suche im Raum nach dem Lehrer des Kurses, um zu sehen, ob ich nicht schon wieder etwas verschusselt habe und blicke Richtung des Lehrerpultes. Dort sitzt aber nicht einer meiner Lehrer. Dort sitzt einer meiner jetzigen Kollegen.
    Und dann wache ich auf. Jedes Mal. An genau dieser Stelle. Alle drei bis vier Monate kommt dieser Traum. Ich durchlebe jedes Mal die gesamte Achterbahn der Gefühle. Die Panik, als ich merke, was passiert ist, die Unruhe, meine Selbstgeißelungen. Und letztlich die endlose Erleichterung, wenn ich merke, dass ich im Jetzt des Jahres 2017 aufgewacht bin – mit einem Abi und zwei Staatsexamina in der Tasche. Warum es jedes Mal die Mathematik ist, die mir diesen Horror einbringt, kann ich nicht sagen. Ich war in Mathe immer solide. Nicht brilliant, aber passabel. Und trotzdem hat sich da bei mir irgendwie ein kleines Trauma festgesetzt, das mich viermal im Jahr um den Schlaf bringt.
    Verrückt, wie sich Schule auch noch nach Jahren bei uns festsetzen und wüten kann. Ich hoffe, dass keiner meiner Schüler wegen mir so etwas durchleben muss…

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    Über meine Lehrprobe

    avat_shockFrüher oder später erwischt jeden von uns Lehrern dieser seltsame Moment – Der Tag, an dem uns zum ersten Mal unsere alten Lehrproben in die Hände fallen – oft aus Zufall, noch öfter tatsächlich, weil viele dieser Stunden für den Unterricht immer noch gut nutzbar sind. Irgendwie sind uns diese Lehrproben noch immer wunderbar vertraut und gleichzeitig so fremd. Kein Wunder, immerhin hat man damals im Referendariat drei Wochen auf diese eine Stunde hingearbeitet, das Material stundenlang korrekturgelesen und mit allem, was man damals drauf hatte, verschönert. Andererseits: Wieviel Zeit ist mittlerweile ins Land gezogen, wie sehr hat sich seitdem die eigene Perspektive geändert! Viele der Materialien und Arbeitsaufträge sind zwar kunstvoll in Szene gesetzt, haben aber stets etwas künstlich Überbordendes, das sich an Maßstäben eines Vollzeitlehrers gemessen völlig überzogen anfühlt. Meine zweite Lehrprobe war in dieser Hinsicht der absolute Overkill.
    Mein Thema lautete damals schlicht und ergreifend “Kreative Texterschließung im Englischunterricht der sechsten Klasse”. Dreh- und Ausgangspunkt dieser Stunde war ein Lektionstext über den Schulalltag eines kleinen kenianischen Jungen im damaligen Englischbuch. Um den einigermaßen in Szene zu setzen, zog ich alle Register, die mir damals zur Verfügung standen. Zur Hinführung an den Text erfand ich für meine 12-jährigen Schüler einen riesigen narrativen Rahmen, den ich über die gesamte Woche vorher kunstvoll über die vorangehenden Stunden gespannt hatte. Ich erfand einen Schüleraustausch zwischen der Schule unserer Englischbuch-Klasse und der fiktiven Schule aus Kenia, der in der Lehrprobenstunde gipfeln sollte. Ich erfand eine Rede des kenianischen Schuldirektors, der extra unsere Schulbuchklasse besuchte, sprach sie für eine Listening Comprehension-Aufgabe mit einem Mikrofon ein und verfremdete mit Plug-ins meine Stimme so, dass mich keines der Kinder erkannte – komplett mit Hintergrundgeräuschen, klatschendem Publikum und eingespielter Blaskapelle.

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    Das Notepad meiner imaginären Schülerzeitung

    Aus der Rede sollten die Schüler meiner Klasse die wichtigsten Informationen über Kenia herausfinden und zusammentragen, bevor der Direktor einen Brief eines seiner Schüler übergab, der von seinem Schulalltag aus Kenia berichtete – nämlich eben den Lektionstext aus dem Buch. Zum Festhalten der wichtigsten Erkenntnisse bekamen die Schüler den Auftrag, einen Steckbrief der wichtigsten Aussagen aus dem Text zu filtern, um sie für die nächste Ausgabe der aktuellen Schülerzeitung zusammenzustellen. Diese hatte ich über Wochen als reales Magazin vorbereitet. Meine Schülerzeitung hatte einfach alles. Ich hatte ein Logo entworfen, ein Emblem, Fotos, Banner, ein komplett in sich stringentes Layout – alles auf DinA3-Bögen doppelseitig, gefalzt und getackert in einem Copyshop in Hochglanz ausdrucken lassen. Für eine Summe, die damals einen Großteil meines kargen Refi-Gehaltes verschlang. 

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    Mein Oscar-verdächtiges Layout

    Gipfeln sollte die Lehrprobe damals in einer Postkarte, die die Schüler dem imaginären Schüler auf seinen Text schreiben sollten. Reale Postkarten natürlich. Diese wurden dann am Ende der Lehrprobenstunde bei mir abgegeben, damit ich sie symbolisch an den Jungen (den es natürlich nie gab) abschicken konnte. In der nächsten Stunde wäre ich mit einem Antwortbrief angekommen, in dem sich der Junge für die Fanpost bedankt und der Klasse ein echtes afrikanisches Gericht mitgeschickt hatte – das natürlich ich zuhause gekocht hatte.
    Wer spätestens an dieser Stelle ungläubig den Kopf schüttelt: Ja, ihr tut das zurecht. Auch ich bin etwas verstört, während ich diese Zeilen schreibe, wieviel Arbeit in dieser einen Stunde steckt. Aber Mitleidende werden es verstehen: Es ist eine Lehrprobe. Die Note, die auf diese Stunde gegeben wurde, bestimmte maßgeblich den Schnitt des zweiten Staatsexamens mit. Und in den mageren Zeiten, wo die Planstellen nicht an den Bäumen wuchsen, entschieden Lehrprobenstunden über eine direkte Anstellung nach dem Referendariat oder eben Arbeitslosigkeit.
    Bevor die Frage nach der Note auch bei dieser Wahnsinnsstunde aufkommt, kann ich sie gleich beantworten: Ich bekam eine Zwei. Denn irgendwas hatte der Stunde letztendlich gefehlt. Nämlich die Schüler. Die kamen nämlich geschlagene 10 Minuten zu spät in den Unterricht, weil sie der Lehrer der Vorstunde nicht früher gehen lassen wollte (!!!). Als Reaktion darauf musste ich viele Phasen der Lehrprobenstunde quasi on the fly umwerfen und während der Stunde im Hinterkopf umstrukturieren, um genug Zeit für das Ziel der Stunde – nämlich die Postkarten – zu haben, das unbedingt erreicht werden musste. Ich hab in dieser Stunde echt Blut und Wasser geschwitzt. Und mit dem sauberen Kollegen, der mir 10 Minuten gestohlen hat, habe ich hinterher nie mehr ein Wort geredet.

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    Twanalog


    avatarMit diesem Tweet von @legereaude ging’s los. Und von dort in Windeseile über Twitter in sämtliche Himmelsrichtungen: #twanalog.
    Das Prinzip dazu ist schnell erklärt: Interessierte schicken ihren Lieblingstweet in Briefform in die Welt hinaus und werden dort von Person zu Person über die Briefkästen “retweetet”. Die Tweets der digitalen Welt werden so auf charmante Weise in die analoge überführt. Putzig.
    Und wieder die Manifestation eines Phänomens, das mir in letzter Zeit immer wieder über den Weg läuft: Die Wertschätzung des geschriebenen Wortes. Oder besser: Die Wehmut nach Handgemachtem. Ich bemerke den Trend auch in der Vehemenz, in der Literatur und Instagram-Accounts über Kalligraphie und Handletterings auf dem Markt aufschlägt. Mit hingebungsvoller Akribie werden dort Buchstaben nicht geschrieben, sondern geformt, ihre Entstehung zelebriert, jeder Strich, jeder Schwung kunstvoll zu Papier gebracht und von der Linse für die Nachwelt festgehalten. Es scheint fast so, als hätten wir durch das digitale Arbeiten zunehmend den Kontakt zum Analogen verloren und insgeheim sehr vermisst. Wie eine Reminiszenz an vergangene Tage, dieselbe verklärte Nostalgie, mit der Retro-Fans liebevoll ihre Vinyl-Platten auflegen, um mit feuchten Augen, das Knistern und Knacken zu vernehmen, das die Songs von einst durchzieht und begleitet.
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    Ich will diesen Trend bestimmt nicht kritisieren – im Gegenteil. Ich bin Teil davon und habe Handlettering und Sketchnotes mittlerweile in Phasen meines Unterrichts fest integriert. Ich war auch einer der ersten, der sich an #twanalog beteiligt hat. Aber die Aktionen zeigen mir eines ganz deutlich: Wir lieben Handgeschriebenes. Und vermissen es, wenn es verloren geht. Daher kann Lernen und Unterrichten niemals rein digital vonstatten gehen. Es würde uns etwas ganz Wichtiges fehlen. Unsere Handschrift. Unsere Individualität. Das “Anfassen” unserer Buchstaben. Das kann keine Datei, keine App, keine Maschine ersetzen.
    Punkt.

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    Mein “Lieblingstweet” von Peter Ringeisen 🙂
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    Über verstörende Mäuse

    avat_lachenVertretungsstunde in meiner fünften Klasse. Da nur die Hälfte der Schüler anwesend ist (die anderen wuseln im Sport herum), entscheide ich mich AUSNAHMSWEISE für einen Film. In der Fachschaft Latein sind wir medientechnisch mittlerweile so gut aufgestellt, dass ich auch schnell fündig werde. Eine “Sendung mit der Maus”-DVD mit Beiträgen zur römischen Geschichte lacht mich geradezu an. Die Folgen haben mittlerweile einige Jährchen auf dem Buckel. Den Beitrag zur Sonnenuhr des Augustus kenne ich sogar noch selber aus Schulzeiten. Das war  anno 19…*unverständlichgrummelmurmelstammel*

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    Die Sonnenuhr der Augustus, zu finden auf http://www.swetzel.ch/sonnenuhren/physu/physu.html

    Die Expertenmeinungen haben einen Großteil der darin aufgestellten Fakten mittlerweile widerlegt, aber das soll uns vorerst nicht kratzen. Wenn der Schatten des Obelisken am Geburtstag des Augustus genau auf die Ara Pacis fällt, um die Menschheit symbolisch auf seine Frieden stiftenden Taten hinzuweisen, ist es totenstill in der Klasse. Der Beitrag verbreitet echtes Indiana-Jones-Flair und verfehlt seine Wirkung nicht beim anwesenden Mini-Publikum. Ich blicke in 12 faszinierte Augenpaare – und 3, die etwas verstört dreinschauen. Es sind unsere drei Schüler aus dem Ausland, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Folge aus der Sendung mit der Maus sehen. Der Beitrag selber ist wunderbar für sie, was ihren Unmut erregt, sind die Zeichentrickclips dazwischen, mit denen die Sachgeschichten aufgelockert werden. “Warum ist das ein blaues Elefant?” fragt Adrienne aus Frankreich und kratzt sich verstört am Kopf, während eine vibrierende Maus in Orange ihren Bauch aufmacht und ein Uhrwerk offenbart oder beim Angeln plötzlich einen Stöpsel eines Teichs zieht und buchstäblich auf dem Trockenen sitzt. Alles garniert mit denselben Soundeffekten, die sich seit den 70ern nicht mehr geändert haben: Das Kastagnetten-Klappern der Mausaugenlider, das Prusten des Elefanten, das Xylophongeschrammel, wenn einer der Charaktere Sternchen sieht. Das ist schon alles etwas oll… Aber dennoch so vertraut, dass man vor lauter Nostalgie darüber hinwegsieht. Selbst die Zehnjährigen. Als die drei Kinder immer noch etwas verstört umhersehen und die Faszination ihrer deutschen Klassenkameraden bemerken, meint die kleine Harriet auf Englisch, damit es keiner der Schüler mitbekommt: “Sir, what is it they’re so happy about? This big-eyed mouse is really creepy.” “Well, it’s a German thing.”
    Case closed.
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  • Allgemeines,  Unterricht

    Boo!

    avatarLatein in der 5D. Ich stehe vor 33 kichernden Hexen, Harlequins und Mini-Ninjas. In Vorfreude auf die anstehende Unterstufen-Halloween-Party sind sämtliche Fünftis heute in Kostümierung erschienen. Haben sich von den Eltern kunstvoll zu Miniatur-Monstern gestalten lassen. Mit aufgemalten Spinnweben, Narben und Hexenhüten sitzen sie vor ihren Büchern und sind schon ganz in Feierlaune. Aber von Unruhe keine Spur, insgesamt sind die Putzis noch sehr auf den Ablativ konzentriert. Insgesamt eine erfreulich disziplinierte Klasse.
    Ich liebe solche Zeiten, in denen für die Kinder wieder diese besondere Zeit anbricht. Sei es Halloween (das vor 30 Jahren schlichtweg nicht in Deutschland existierte), Ostern oder – mein Favorit – Weihnachten. Ich lasse mich gerne von der Vorfreude von den Klassen anstecken. Immer wieder. Jedes Jahr aufs Neue. Man vergisst viel zu schnell, wie aufgeregt man selber als kleiner Steppke in der Adventszeit war, wenn das erste Türchen am Adventskalender geöffnet wurde. Wie die erste Kerze am Adventskranz leuchtete. Oder wenn die Wohnung nach den ersten Plätzchen, dem ersten Tannengrün roch. Die Kinder rufen uns die Besonderheit dieser Jahreszeiten immer wieder zurück ins Gedächtnis. So gesehen ist dieser Job also der perfekte Jungbrunnen.


    Boo!

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    Über die drei Fragezeichen

    avatarLieber Justus, lieber Bob, lieber Peter,
    ihr kennt mich nicht. Aber das ist kein spezial gelagerter Sonderfall, sondern völlig in Ordnung. Dafür kenne ich euch umso besser. Seit 1986 seid ihr mir ein Begriff. An die ersten Fälle, die ich mitbekam, kann ich mich noch gut erinnern. Sehr gut sogar. Zuerst an die flüsternde Mumie, die ich mir damals in einem Kaufhof in Unterföhring kaufen durfte und mich mit eurem Detektivunternehmen bekannt machte. Dann die Geisterinsel und ihr Mysterium. Die Legende um Sally Farrington, die Intrige um Chris Markos, und dann das Gold. So viel Gold? Wo habt ihr das gefunden? Das war natürlich ein Geheimnis, Mrs Barton. Was denken Sie denn? Oft kann ich mich sogar an die mysteriösen Vorkommnisse aller Art erinnern, im Verlauf derer ich mit euren Geschichten in Berührung  kam. Den weinenden Sarg fand ich zum Beispiel anno 1988 in meinem Osternest (kein Unikum, sondern ein Unikat!). Das Narbengesicht auf dem Gabentisch zum Geburtstag (ohne Kochlöffel – ist Tlick, ich sehen im Fernsehen!). Der Super-Papagei brachte mir im Juni 1989 Latein bei, kurz bevor ich es auf dem Gymnasium hatte. Er sagte so schön seinen Namen. Lucius et Licinius et Lucullus. Kopf oder Zahl? Errare humanum est. Ich hab viel von euch gelernt. Zum Beispiel, was Mini-Tonbandgeräte sind. Oder Haifänger, Rokkokokokotten (nein, ich stottere nicht) oder Kanaillen, wie Jensen eine war. Auch unvergessen die Haschimitenfürsten im Gehirn. Edutainment war und ist immer noch eure Stärke. Singen leider nicht. Folge 29 beweist das. Die bekam ich damals nach einem Zahnarztbesuch, weil mir ein Backenzahn gezogen werden musste. Zum Glück wirkte die Narkose noch gut nach, ansonsten hätte ich euren Sprechgesang in “Fragen Fragen” nicht ertragen. Leute, was ist das für ein Sound? Das ist ja grausam! An euren musikalischen Fähigkeiten hat auch Bobs Job bei Sax Sandler nichts verändert. Zum Glück hatten da eure Bands, die euch über die Jahre musikalisch begleitet haben, mehr drauf. Bedeutend mehr! Carsten Bohn, Phil Moss, Cee-Bee, Dr. Beurmann und wie sie bzw. er auch heißen mögen/mag. Sie alle haben echte Ohrwürmer geschaffen, die mit ihren schmissigen Melodien und orchestralen Arrangements absolut zeitlos waren. Daher war mir auch lange überhaupt nicht klar, wie alt ihr bzw. eure Abenteuer überhaupt waren. Es musste erst das Internet im Jahre 1996 in Deutschland etabliert werden, bis mir eine Fanseite klarmachte, dass ihr seit 1979 ermittelt. In dieser Zeit begann mein Interesse an euch auch wieder aufzuleben. Es dauerte aber etwas, bis wir wieder warm wurden, denn die Zeiten hatten sich irgendwie schon geändert. Wir waren alle spürbar älter geworden. Ich hatte Abitur, ihr hattet Freundinnen und öde Fälle, aßt in Deutschland Speckbrote (was auch immer das sein mag) oder frisch gebackene Rosinenbrötchen aus der Bäckerei La Corpulence. Peter Passetti war verstorben, der ehemalig schmissige Soundtrack aufgrund von Rechtstreits gegen belanglose Midi-Arrangements ersetzt. Zum Glück habt ihr euch besonnen und mit dem Poltergeist oder den Stimmen aus dem Nichts meine Hochachtung wieder gewonnen. Auch wenn ich bis heute überzeugt bin, dass Mrs Holligan am Ende der Folge “Scheiße, ich verliere mein Gebiss” murmelt, und ihr darauf in irres (Aus-)lachen verfallt. Sehr unhöflich von euch! Überhaupt: dieses gellende Gröhlen am Ende einer Folge, das eine Zeit lang fast als Markenzeichen von euch gehandelt wurde. Habt ihr einen (lachenden) Schatten? Das hat mich schon immer etwas verstört. Ebenso wie die einen oder anderen Faux pas eurer Karriere. Warum kann Justus problemlos ein auf Spanisch verfasstes Schreiben des Präsidenten vom Inselstaat Ruffino übersetzen, scheitert aber dann an der Aussprache gängiger spanischer Nachnamen (Ein Gomez ist kein Gourmet, Justus!)? Ein Mysterium. Davon gibt’s aber einige:  Warum klingt die singende Schlange wie ein Ziegenbock, der kastriert wird? Warum ändert das Layout der Cover eurer Abenteuer ab Folge 16 auf einmal den Font? Warum seid ihr nie in der Schule und macht Hausaufgaben wie normale Jungs in eurem Alter? Warum fehlt im roten Piraten in der Neuabmischung der geniale Dialog über Zombiefilme? Und dann natürlich auch eure Freundinnen! Warum seid ihr die von heute auf morgen einfach los? Was habt ihr mit denen gemacht, dass ihr noch nicht mal über eure Exen reden wollt? Liegen sie in einem Kofferraum auf einem Parkplatz in der Nähe des Wiltshire Boulevard? Sei’s drum, die waren eh doof. Vor allem Kelly. Die wollte nur mit Peter zur Blitzhochzeit nach Las Vegas reisen (WAS!?). So könnt ihr euch mehr auf eure geistige Arbeit konzentrieren, was vermutlich auch der Grund ist, warum eure Fälle über die Jahre immer länger und auch etwas konfuser wurden. Vielleicht seid ihr euch aber auch dessen bewusst, dass eure hauptsächlichen Fans schon lange keine Kinder mehr sind. Sondern so hoffnungslose Nostalgiker wie ich. Das kann noch fünf Tage so gehen, vielleicht nur drei Wochen, vielleicht auch nur zwei Monate. Das können die Ärzte noch nicht sagen. Ich allerdings schon, von daher seid beruhigt. Solange ihr nach rätselhaften Bildern, Karpatenhunden, sprechenden Totenköpfen und GPS-Gangstern fahndet, werd ich euch noch ein gutes Stück treu bleiben. Daher kann ich euch für euer Detektivunternehmen auch zu Fall 175 nur alles Gute wünschen. Und bei so toller Fan-Produktion wie den folgenden kann man nur hoffen, dass ihr so weiter macht.

    Das habt ihr gut gemacht, gut gemacht [irres Lachen] Musik setzt ein  [/irres Lachen].
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    gewidmet den Machern und den Fans der 3???, vor allem meinen #3???quiz-Twitter Detektiven Hokey, Corinna Lammert und AncGreek, die bestimmt alle Zitate aus dem Text erraten können 🙂

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  • Alltag,  Latein,  Prüfungen

    Wenn ich einmal groß bin (Teil 2)

    avatarHeute beim Aufräumen fiel mir plötzlich eine schillernde Scheibe in die Hand, die schon seit Jahren mein Regal als passiver Bestandteil meiner CD-Sammlung befüllt. Unsere Abi-CD des Jahrgangs 1999. Damals haben mein bester Schulfreund (heute beim Radio und auch sonst ein Vollblut-Tausendsassa) und ich dieses Opus erstellt und sämtliche Schüler unseres Jahrgangs interviewt: Zum Leben an unserer Schule, zum Abitur, zum Abistress, zu allem, was danach kommen würde. Das alles gebrannt… nein… gepresst auf eine Silberscheibe, die damals professionell in einem Presswerk gefertigt wurde. Das war 1999 wohlgemerkt. Ich war damals für die Technik zuständig und bin halb wahnsinnig geworden, so viel Audiomaterial damals auf meinem 166er Pentium, den ich damals besaß,im Magix Musik Maker zu schneiden und abzumischen.

    Oh mein Gott, ein CADDY!

    Dann der Alptraum, 650 MB Audiomaterial auf einem Rohling zu verewigen, der in einem CD-Brenner der ersten Generation (mit Caddy!!!) eine Überlebenschance von knapp 50% hatte. Es war furchtbar. Wir haben das Audiomaterial damals vor- und zurückgehört, um Fehler aufzuspüren. Immer und immer wieder. Das hat es mir so sehr verleidet, dass ich seit 1999 die CD kein einziges Mal wieder eingelegt habe. Das ist nun 15 Jahre her.
    Im Jahr 2014 sieht man das ein bisschen anders. Dieses Jahr werde ich wieder einen Kurs zum Abitur führen. Der wird dann in der ähnlichen Situation sein wie ich anno 99. Und in diesen 15 Jahren ist so viel dazwischen passiert, dass mich doch die Neugier gepackt hat, wie ich bzw. wir damals so drauf waren, und ich das Ding angehört hab. Was soll ich sagen? Es ist wie die Rückkehr in eine Wohnung, die man vor Jahren verlassen, aber doch irgendwie liebgewonnen hat. Man fühlt sich sofort wieder heimisch, weiß genau, wo welches Möbelstück stand und erinnert sich sofort an die Leute, die sie bewohnt haben. Die Stimmen unserer Klassenkameraden von damals lassen sofort wieder die dazugehörigen Gesichter vor dem geistigen Auge entstehen. Die Aufnahmen wurden vor den Prüfungen geführt, teilweise 5 Minuten vor Abiturbeginn (!), in den Pausen und auf den üblichen Feiern, die dem Abistress folgten. Die Euphorie über unsere gefühlte Mammutleistung ist allgegenwärtig zu hören. Damals hatten wir noch keine Ahnung, dass das eigentlich nur der Anfang war, und sich die Anstrengungen eines Abiturs durchaus steigern lassen. Jeder, der zwei Staatsexamen hinter sich gelassen hat, weiß, wovon ich rede.
    fbaa717dfab36507a35c938761be7fedAm interessantesten fand ich jedoch, die beruflichen Pläne von den vergessenen Schulkameraden aus der Vergangenheit zu hören und mit dem Heute zu vergleichen. Was war nochmal aus Julia geworden, die auf der CD noch vollmundig erklärt, Brauereiwesen zu studieren? Toni, der Jurist werden wollte? Hat Basti die Pilotenprüfung jemals bestanden, auf die er, wie man seinem Interview entnehmen kann, gerade lernt? Auch ich habe erst während dieser Monate, in denen ich in einem Krankenhaus gearbeitet habe, meine Ambitionen eines Medizinstudiums begraben, meinen Plan einer Ausbildung zum Tontechniker verworfen, und mich für das Lehramt entschieden – sehr zur Erleichterung meiner Eltern.
    Was hat mich eigentlich dazu bewogen, das Lehramt zu ergreifen? Bei mir war es kein P-Seminar, kein Expertenvortrag oder eine Berufsmesse. Der Grund kommt ein paar Minuten später auf der CD zu Wort. Als er zu reden beginnt, muss ich sofort an ihn denken: Mein Lateinlehrer. Seine ruhige, distinguierte Ausdrucksweise und dieses schier endlos scheinende Wissen über lateinische Literatur, Geschichte und Sprache hatten mich damals unglaublich beeindruckt. Seine Begeisterung für das Fach schwappte auf mich über und wurde irgendwann auch die meine. Und das so sehr, dass ich diese Sprache studiert habe. Ob er das weiß? Habe ich ihm das jemals gesagt? Ist es für einen Lehrer nicht die höchste Adelung, wenn er weiß, dass er seine Schäfchen so inspiriert hat, dass sie es ihm gleichtun wollen?
    Auch wenn mich die Produktion dieser ollen CD damals zur Weißglut getrieben hat, hat sie zumindest etwas Gutes: Mein Lateinlehrer wird nächstes Schuljahr endlich erfahren, wie wichtig er für mich war.

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