Woche drei ist angebrochen. Drei Wochen seit dem Corona Lockdown. In diesen komischen Zustand schleicht sich so langsam Routine hinein. Der komische Zustand ist Routine geworden. Dieses seltsame Gefühl, weiterhin seinen Job zu machen und dann auch wieder irgendwie nicht richtig: Übungen zu erstellen für eine Klasse, die man nicht sieht. Unterricht vorzubereiten, den man nicht hält. Mit Kollegen über Dienstliches zu kommunizieren, die man seit fast drei Wochen nicht mehr gesehen hat. Die soziale Isolation im Arbeitsleben wiegt zunehmend schwerer. Man vermisst die Kinder. Man vermisst die Kollegen. Und die Kollegen vermissen zurück. Nach den ersten Wochen, in denen man in der Whatsapp-Lehrergruppe noch Memes und flotte Einzeiler in die Chats abließ, wird der Ton anders. Es wird persönlicher: Die Leute verschicken Videos. Von sich. Kleine Redebeiträge, kleine Sport-Übungen, um am Arbeitsplatz ein bisschen Bewegung zu bekommen. Indoor-Boulder-Exercises. Oder aber auch TikTok-würdige Minisketche. Allein deswegen merkt man so langsam, dass sich ein Lagerkoller breit macht. Man muss sich einfach wieder sehen. Auch die Klassen. Anfragen wegen eines Videochat Systems machen sich seit letzter Woche zunehmend breit. Und man geht auf die Suche nach möglichen Formaten. Dank Twitterlehrerzimmer schwirren die Namen der big players umher: Skype, Zoom, MS Teams, Twitch, Discord – zusammen mit den damit verbundenen Risiken des Datenschutzes, die laut KMS in den Corona-Zeiten gelockert, aber nicht vergessen sein mögen. Nach ein paar Nachfragen und ein bisschen Einlesen versuche ich mich an ein paar Testläufen und schau mal in Jitsi rein. Das geht wirklich erstaunlich schnell: Kanal öffnen, Link dazu kopieren. Schluss. Nach einem kurzen Twitter-Testlauf und einem zünftigen Meet and Greet mit Herr Rau, Georg Schlamp und Frimelotta als Versuchskaninchen entscheide ich mich probeweise für eine Session mit einer meiner Klassen. Kurze Anleitung verfasst und ab die Post.
Entgegen aller Befürchtungen läuft Jitsi von Anfang an sehr stabil. Das liegt vorrangig an den 25 Mithörenden, die alle brav die Kamera ausgestellt haben, um Traffic einzusparen. Der Smalltalk ist schnell abgehandelt. Die Herren und Damen an den Rechnern klingen eigentlich ganz gechillt und tragen den Unterrichtsausfall mit der gebotenen Fassung. Es wird ein bisschen gefeixt, geblödelt, beruhigt (die ausfallende Schulaufgabe ist DAS beherrschende Thema) und zum Schluss dürfen alle mal die Kamera einstellen um Jitsi auf eine Probe zu stellen, und in die Kamera winken. Und ich sehe sie: 25 glücklich drein blickende Kinder. Hat gut getan. Uns allen.
Nächste Woche mal gleich wieder!


Es ist kaum zu glauben, aber war: Mit diesem Monat werden es nun doch tatsächlich zehn Jahre, die ich an dieser Schule verbringe. Zehn Jahre. Eine komplette Dekade. Es war meine allererste Stelle, die ich nach dem Referendariat angetreten habe. Ich habe Kollegen kommen und gehen sehen. Manche wurden pensioniert, andere sind gegangen, um sich den Traum vom Häuschen im Grünen außerhalb von München zu verwirklichen. Es ist wirklich einiges an Fluktuation im Kollegium gewesen. So wie vermutlich an jeder anderen Schule auch. Ein fester Kern blieb. Ich gehöre dazu.
Was für einen tollen Beruf wir doch haben!


Wenn ich mich an mein Referendariat zurückerinnere, gab es vor einer Lehrprobe immer diesen einen Moment, bei dem ich mich immer etwas schmutzig fühlte: Den schriftlichen Entwurf. Vor allem ein Kapitel war immer eine besonders heikle Angelegenheit: Die Beschreibung der Lerngruppe. Hier galt es, die Klasse, ihre Leistung und ihre Dynamik zueinander zu beschreiben – und natürlich auch das Verhältnis zum Lehrer, der da vorne am Pult steht. Als Junglehrer vor einer pubertären Klasse zu bestehen – das war nicht immer ein klebrig-süßes Zuckerschlecken. Vor allem als Referendar vor Kindern, die wussten, dass man in vier Monaten wieder irgendwo anders in bayerischen Landen unterrichten würde, und daher gerne ausprobieren wollten, wie weit man bei der jeweiligen Lehrkraft gehen konnte. Die Folge waren daher nicht selten Unruhe im Unterricht und Disziplinlosigkeiten der eher geschmacklich fragwürdigen Sorte. Nur durfte von all dem nichts im Lehrprobenentwurf stehen. Stattdessen bemühte man sich um die berühmten blumigen Ausdrücke, um eventuelle Probleme zu kaschieren. Klassen waren auf einmal “aufgeweckt” statt “laut”, “dynamisch” statt “umtriebig”, “kommunikativ” statt “verquatscht”. Hauptsache den Schein wahren. Keine Fehler zeigen. Und dieses antrainierte Verhalten legen bis heute die meisten Kollegen an den Tag, wenn es um die Bewertung ihrer Arbeit im Unterricht geht…
Vertretungsstunde in meiner fünften Klasse. Da nur die Hälfte der Schüler anwesend ist (die anderen wuseln im Sport herum), entscheide ich mich AUSNAHMSWEISE für einen Film. In der Fachschaft Latein sind wir medientechnisch mittlerweile so gut aufgestellt, dass ich auch schnell fündig werde. Eine “Sendung mit der Maus”-DVD mit Beiträgen zur römischen Geschichte lacht mich geradezu an. Die Folgen haben mittlerweile einige Jährchen auf dem Buckel. Den Beitrag zur Sonnenuhr des Augustus kenne ich sogar noch selber aus Schulzeiten. Das war anno 19…*unverständlichgrummelmurmelstammel*

So, und wieder ein Jahr vorbei! Während die anderen Lehrer schon längst in vollständiger Tiefenentspannung verweilen, geht es mit den Ferien in Bayern jetzt erst los. Was für ein Schuljahr! Und 

Katastrophe bei meinen Sechsten. Die Schulaufgabe ist – mal wieder – unterirdisch ausgefallen. Die 4-Minus-Mentalität meiner Schützlinge macht sich in allen Fächern bemerkbar, aber nirgendwo haut sie unbarmherziger zu als in Latein. Ich habe gepredigt, geübt, mit Eltern Kontakt aufgenommen, vorentlastet, wo’s nur geht. Aber es hat nichts geholfen.




