Technik,  Unterricht

Apps im Unterricht: Darstellung von Zitaten (Folge 6)

Von all den Episoden aus meiner Schulzeit, an die ich mich bis heute lebhaft erinnern kann, haben sich zwei Szenen unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt: Einmal unser Englischlehrer in der zehnten Klasse, der mitten in der Stunde aufs Pult stieg, um Martin Luther Kings Rede “I have a dream” auswendig vorzutragen. Und unser in die Jahre gekommener Lateinlehrer, der mit uns gewettet hatte, er könne das erste Buch der Aeneis auswendig vortragen. Und das tat er dann auch. 45 Minuten am Stück. Fehlerlos. Ohne eine einzige Denkpause. Es lief.
Solche Gedächtnisleistungen habe ich immer bewundert. Schon zu meiner Zeit wurde das Auswendiglernen außer bei Vokabeln auf ein Minimum im Unterricht reduziert. Gedichte auswendig zu lernen haben wir am Gymnasium lediglich in der fünften Klasse praktiziert und dann nie wieder. Heute ist es auf weite Strecken verpönt. Warum eigentlich? Klar ist es Drill. Aber es setzt etwas voraus, was essentiell fürs Lernen ist: Konzentration, Ruhe und Disziplin.
Ich will nicht, dass meine Schüler aus dem Lateinunterricht gehen, ohne auch nur eine Zeile aus einem Werk zitieren zu können oder Sprichwörter zu Gesicht bekommen zu haben. Das dachte auch mein Seminarlehrer in der Referendariatsausbildung und hatte sich für seine Klassen immer ein “Wochenmotto” ausgedacht. Jede Stunde wurde über einen Zeitraum von 5 Tagen ein lateinischer Sinnspruch an die Tafel geschrieben, den es zu memorieren galt. Das Problem: Dank Tafeldienst wurde die Sentenz nach jeder Stunde gelöscht und musste wieder angeschrieben werden. Mit Tablet geht das viel schneller. Und auch hübscher. Zum Beispiel mit der App Notegraphy.
Die App wandelt Zitate in ein grafisch ansprechendes Gewand. Möglich wird das durch zahlreiche Templates, die der App beigepackt sind. Jedes Template hat zudem bis zu drei unterschiedliche Varianten, mit denen man herumexperimentieren kann. Das Ergebnis ist gelegentlich skurril, aber optisch immer imposant.
Untitled design
Ist man mit seinem Werk zufrieden, kann man es entweder über diverse soziale Medien verbreiten oder einfach als Bilddatei exportieren.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Die Verbindung zu YouTube wird erst bei einem Klick auf den Screenshot hergestellt.

Wer Apps für das digitale Äquivalent einer schmutzigen Tennissocke hält, kann auch das Internet bemühen. Dort gibt’s notegraphy nämlich auch. Oder man schaut eine Adresse weiter zu recitethis.com. recitethis.com funktioniert ganz genauso, ist aber in seiner Handhabung doch um einiges komfortabler als Notegraphy, da sich die Funktionen nicht alle auf Mini-Fummel-Buttons auf einem Smartphone oder Tablet tummeln, sondern alles auf einem Monitor zu sehen ist. Auch hier liegen diverse Templates vor, um die Weisheiten in entsprechende Kleider zu hüllen. Allerdings sind diese (noch!) nicht so zahlreich wie bei Typography. Auch hier lässt sich das Ergebnis entweder in soziale Netzwerke verbreiten oder als Bilddatei auf der heimischen Festplatte sichern.
recitethis
Und dann? Ganz einfach. Die Dateien entweder als Zitat ausdrucken, laminieren und als Motto zentral über der Tafel aufhängen. Oder – und das ist viel einfacher und schützt Bäume – auf dem Tablet als Bildschirmschoner einstellen. Jedes Mal, wenn das Tablet schlafen geht, thront so das Motto im XXL-Format an exponierter Stelle. Oder in eine Klassen-Twitter-Timeline übernehmen. Oder, oder, oder…
Kurt Tutschek hat mich noch auf zwei weitere Tools hingewiesen, die hier thematisch wunderbar passen: Quozio und Proquoter. Vielen Dank für den Tipp!

Eine noch aktuellere Aufstellung liefert der Blog von Johanna Daher.

Hast du eine Meinung dazu? Dann hinterlasse einen Kommentar oder eine Wertung.
0

7 Comments

  • tinatainmentia

    Das ist cool, ich bin sowieso ein Fan von optisch schön verarbeiteten Zitaten 🙂 danke also für’s Teilen!
    Und, da ich da jetzt nicht drumrumkomme, auch noch das Sprüchlein zu teilen, das ich immer runterrattere, wenn jemand mit ‘Sag mal was auf Latein!’ kommt (es war der allmorgendliche Begrüßungsspruch im Lateinunterricht):
    Homo doctus in se semper divitias habet. 😉

  • Pi mal R Quadrat

    Ich find die Idee klasse! Ich bin jedes Mal etwas neidisch, wenn jemand mit Zitaten um sich werfen kann – ich kann es nicht. Ich kenn die Tastenbelegungen aller Videospiele, die ich bisher gezockt habe, aber Zitate? Pustekuchen, und das, obwohl ich eine Leseratte bin. 🙁
    Gut, dafür kenn ich die meisten Namen von Charakteren aus und die Plots gelesener Bücher…:D

  • Frau Henner frauhenner.blogspot.com

    Die Idee werde ich klauen, wenn’s erlaubt ist. Aber ganz ohne App. Ich glaube, dafür nehme ich den schönen großen Stapel alte Jahresplaner, der im Lehrerzimmer vor sich hinstaubt und ein Pinsel und leg einfach mal los…
    Jetzt muss ich mich nur noch auf die Suche nach schönen Sinnsprüchen machen…
    Danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert