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    Von Kulinarischen Leckerbissen

    Letzte Woche fanden bei uns im Viertel die Hinterhofflohmärkte statt. Ein wirklich schönes Event, das man sich da ausgedacht hat: Pro Viertel wird an einem Samstag ein Zeitraum geschaffen (in der Regel von 9.00-16.00 Uhr), in dem die Bewohner ihres Kiezes an kleinen Ständen in ihrem Hof nicht mehr gebrauchtes Hab und Gut verkaufen. Quasi ein Flohmarkt mitten in der Stadt. Das ist aus vielerlei Hinsicht immer eine tolle Erfahrung: Man kommt nicht nur mit seinen Nachbarn bestens ins Gespräch, sondern darf nebenher auch einen Blick in Hinterhöfe riskieren, die der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglich sind. Und da gibt’s echt ein paar Perlen zum Anschauen. Sowohl bei Hinterhöfen als auch bei den angepriesenen Schätzchen, die man für kleinstes Geld erwerben kann –  zumindest von dem Zeug, das sich auch tatsächlich verkaufen lässt…

    Waren, die an diesem Wochenende keinen neuen Besitzer finden, werden in aller Regel wieder weggepackt und versauern bis zum nächsten Flohmarkttermin in einer Kellerkiste… oder landen vor den Häusern in einer “Zu verschenken”-Box. Dort finden sich gerne mal kleine ehemals liebgewonnene Schätze, aber auch die eine oder andere Skurrilität. Zum Beispiel dieses Kochbuch aus den frühen Siebziger Jahren eines auch heute noch bekannten Herstellers von Haferflocken, das auf den Namen “Gesunde Tafelfreuden” hört und sowohl mit Inhalt als auch mit Aufmachung schwer überrascht.

    Zwischen Rezepten wie Griesnockerln, Apfelstrudel oder Kaiserschmarrn finden sich wie selbstverständlich Anleitungen für die Zubereitung von Hirnnockerln, Zungenauflauf, Käseäpfel oder Kekse mit Leber. Zur Verfeinerung wird regelmäßig dazu aufgerufen, statt Butter auch einfach mal tierisches Bratenfett zu nutzen. Das runde das Aroma ab. Also einfach mal seine Leberplätzchen zur Weihnachtszeit in geilem Gänsefett kross und backen und an dem Geruchserlebnis die komplette Hausgemeinschaft teilhaben lassen. Lecker… Aber das ist ja nicht alles. Viel verstörender als die Rezepte im Kochbuch sind die eingestreuten Illustrationen, die ja eigentlich Lust auf Kochen machen sollten (so würde ich das als Rezipient ganz naiv annehmen). Aber weit gefehlt. Stattdessen gibt’s ein verstörendes Szenario nach dem anderen:

    Warum wird in dem Kochbuch an prominenter Stelle ein Kind übers Knie gelegt und verprügelt? Warum wird ein Mädchen mit einer übergroßen Sahnespritzpistole zu Weinkrämpfen drangsaliert? Warum ist ständig von einer kaputten Uhr die Rede? Wieso tuscheln zwei Damen mit Hut über diese Meldung so aufgeregt? Warum reiten drei afrikanische Kinder auf einer Banane?  Warum heult da ein Junge neben der kaputten Uhr? Und was macht der Typ mit dem lüsternen Blick und dem lasziv angelegten Zeigefinger am Mund da mit dem kleinen Mädchen? Ich habe Fragen. Und werde vermutlich nie eine Antwort darauf bekommen. Vielleicht aber stattdessen einen Zungenauflauf. 🤤

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  • Allgemeines,  Pädagogik,  Unterricht

    Ein Käfig voller Narren

    Da hab ich nicht schlecht gestaunt, als ich am Faschingsdienstag in die Online-Lateinstunde meiner Klasse trat. Die Kinder hatten – anders als sonst – die Sitzung von sich aus gestartet und sämtliche Kameras eingeschaltet, um sich vor dem Bildschirm zu zeigen. Und jeder einzelne war verkleidet! Alle waren sie da: Die Prinzessin. Der Indianer. Der Punk. Ein Tina-Turner-Imitat mit explodierter Glitzer-Fönfrisur. Ein Papagei, eine Hexe, ein Einhorn. Selbst der Quoten-Proll war anwesend, mit Unterhose auf dem Kopf. Und alle waren sie bestens gelaunt und ohne Reue, dass am Faschingsdienstag dieses Jahr Unterricht stattfinden muss.
    Wir gehen es hochmotiviert an, üben ein bisschen, besprechen die Hausaufgabe – und nutzen die restliche Zeit, um einfach mal wieder Schmarrn zu machen. Wir spielen über den Bildschirm “Alles, was Flügel hat, fliegt”, versuchen uns im Galeriemodus an einem Klassen-Macarena und freuen uns, dass wir einfach mal wieder kurz durchatmen können – selbst wenn es uns offiziell verboten ist. Denn eine konkrete Ansage, wie die Faschingswoche angesichts der neuen Umstände nun konkret aussehen sollte und die ich am Freitag so erwartet hatte, kam erst in den Medien am Montag Nachmittag – und da hatten wir im Klassenteam und mit dem einhelligen Placet der Eltern schon alles beschlossen. Denn wir waren uns in einer Sache absolut einig:  Die Kinder brauchen die Pause. Und sei es nur, um einfach mal wieder ein bisschen rumzublödeln. Denn was in den Monaten eindeutig zu kurz kam, war die Beziehungspflege. Und die kann ein Videounterricht nur ansatzweise ersetzen. Zum Beispiel mit einem Gruppenmacarena 🙂

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  • Allgemeines,  Pädagogik,  Unterricht

    Über verstörende Mäuse

    avat_lachenVertretungsstunde in meiner fünften Klasse. Da nur die Hälfte der Schüler anwesend ist (die anderen wuseln im Sport herum), entscheide ich mich AUSNAHMSWEISE für einen Film. In der Fachschaft Latein sind wir medientechnisch mittlerweile so gut aufgestellt, dass ich auch schnell fündig werde. Eine “Sendung mit der Maus”-DVD mit Beiträgen zur römischen Geschichte lacht mich geradezu an. Die Folgen haben mittlerweile einige Jährchen auf dem Buckel. Den Beitrag zur Sonnenuhr des Augustus kenne ich sogar noch selber aus Schulzeiten. Das war  anno 19…*unverständlichgrummelmurmelstammel*

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    Die Sonnenuhr der Augustus, zu finden auf http://www.swetzel.ch/sonnenuhren/physu/physu.html

    Die Expertenmeinungen haben einen Großteil der darin aufgestellten Fakten mittlerweile widerlegt, aber das soll uns vorerst nicht kratzen. Wenn der Schatten des Obelisken am Geburtstag des Augustus genau auf die Ara Pacis fällt, um die Menschheit symbolisch auf seine Frieden stiftenden Taten hinzuweisen, ist es totenstill in der Klasse. Der Beitrag verbreitet echtes Indiana-Jones-Flair und verfehlt seine Wirkung nicht beim anwesenden Mini-Publikum. Ich blicke in 12 faszinierte Augenpaare – und 3, die etwas verstört dreinschauen. Es sind unsere drei Schüler aus dem Ausland, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Folge aus der Sendung mit der Maus sehen. Der Beitrag selber ist wunderbar für sie, was ihren Unmut erregt, sind die Zeichentrickclips dazwischen, mit denen die Sachgeschichten aufgelockert werden. “Warum ist das ein blaues Elefant?” fragt Adrienne aus Frankreich und kratzt sich verstört am Kopf, während eine vibrierende Maus in Orange ihren Bauch aufmacht und ein Uhrwerk offenbart oder beim Angeln plötzlich einen Stöpsel eines Teichs zieht und buchstäblich auf dem Trockenen sitzt. Alles garniert mit denselben Soundeffekten, die sich seit den 70ern nicht mehr geändert haben: Das Kastagnetten-Klappern der Mausaugenlider, das Prusten des Elefanten, das Xylophongeschrammel, wenn einer der Charaktere Sternchen sieht. Das ist schon alles etwas oll… Aber dennoch so vertraut, dass man vor lauter Nostalgie darüber hinwegsieht. Selbst die Zehnjährigen. Als die drei Kinder immer noch etwas verstört umhersehen und die Faszination ihrer deutschen Klassenkameraden bemerken, meint die kleine Harriet auf Englisch, damit es keiner der Schüler mitbekommt: “Sir, what is it they’re so happy about? This big-eyed mouse is really creepy.” “Well, it’s a German thing.”
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  • Unterricht

    Der Dackel

    avat_lachenGewisse Dinge ändern sich in der Schule einfach nie. Niemals nimmer nicht. Das sieht man nirgendwo besser als auf der Zielgeraden eines jeden Schuljahrs: Das Abi ist rum, und alle atmen spürbar auf. Die Mittelstufen in der Neunten entdecken kurz vor dem Latinum auf einmal ihren verloren geglaubten Ehrgeiz – und unsere Sechsten entdecken… sich.
    Pubertät und Pfingstferien fallen bei den sechsten Klassen immer auf wundersame Weise zusammen. Man entlässt eine vorbildliche Schnuckiputz-Truppe in den wohlverdienten Urlaub – und hat nach 14 Tagen einen wusligen Haufen vor sich, der auf einmal alles für wahnsinnig witzig hält, was auch nur ansatzweise in Richtung Erotik tendieren könnte. Und das nervt.
    Plötzlich sind lateinische Grundzahlen hochinteressant, da die römische VI nicht nur “sex” gesprochen, sondern – ach! – sogar so geschrieben wird. Imperative zu gewissen Verben lasse ich absichtlich aus Übungen und Schulaufgaben raus, weil Formen wie dic! oder fac! meinen Unterricht für Minuten lahmlegen würden. Selbst das alt bekannte res “die Sache, das DING” wird von konspirativem Tuscheln und Kichern begleitet. Unfreiwilliger Höhepunkt ist aber wie jedes Jahr membrum, das die Buchverlage unglücklicherweise bis heute mit “das Körperteil, Glied” in ihren Wortschätzen stehen haben. Und mit Letzterem kennen sich die Kleinen seit Neuestem vermeintlich gut aus. Überall kritzeln sie in ihre Hefte das männliche Geschlechtsteil. Selbst in den hintersten Reihen kann ich erkennen, womit sie ihre Aufzeichnungen gerade schmücken, weil sie bei ihrer künstlerischen Tätigkeit immer wieder dasselbe Verhalten aufweisen: Erst wird gekichert, dann läuft man rot an, dann zeigt man das Werk seinem Nachbarn und gluckst im Duett. Der kleine Thomas macht das pro Stunde ca. dreimal. Letzte Woche wurde es mir dann zu bunt. Nachdem offensichtlich wieder mal eine anatomisch fragwürdige Zeichnung in seinem Heft gelandet war, bin ich im Unterricht schnurstracks auf ihn zu, um ihm sein magnum opus abzunehmen. Als er es merkt, wird er totenbleich, schmiert noch kurz in seinem Heft herum, bevor ich ihm seine Aufzeichnungen abnehmen kann. Aber statt eines membrum erblicke ich:

    >Den Dackel.

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    Respekt für diese Spontan-Zensur.

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  • Allgemeines,  Uncategorized

    Schulanfang mit Retro-Plan

    Tja, und da isser wieder, der Herr Schulanfang. Und wie immer trifft er mich irgendwie unerwartet. Natürlich ist mir das Datum bekannt, wenn der Ernst des Lebens wieder losgeht. Aber so richtig bewusst wird mir das erst dann immer, wenn ich im Schulhaus stehe oder das Lehrerzimmer betrete. Die ganzen Gesichter, die man mehr als einen Monat nicht gesehen hat, die einem braun gebrannt und tiefenentspannt entgegen strahlen. Dann wird mir kurzfristig immer etwas schlecht, weil die Ferien für mich damit unumstößlich vorbei sind. Und dann setzt sofort der Tatendrang ein, und ich freu mich eigentlich.
    So sehr ich dem Schulbeginn entgegenfiebere, so sehr konnte andererseits ein Kollege das Ende im letzten Schuljahr nicht erwarten, um in die wohlverdiente Pension zu starten. Der hat nämlich seinen Spint geräumt und alles, was sich da über die Dienstjahre angesammelt hat, kurzerhand auf unseren Tagungstisch abgeladen. Neben Unmengen von Kopien, angegilbten Dias und Schulbüchern, die streckenweise noch in Frakturschrift (!) verfasst sind, fanden sich dort auch Unterlagen, die ich vor dem traurigen Schicksal der Altpapiertonne bewahren konnte. Das umfasste ein paar wirklich schöne Folien zum Thema Tempelarchitektur, Säulenordnungen und Ausdehnung des römischen Reiches, aber auch mehrere noch unbenutzte Stundenplanvorlagen. Vor allem letztere hatten es mir angetan. Diese Teile sind das, was man neudeutsch “ends-retro” nennt und stammen schätzungsweise aus den frühen 80er-Jahren (zumindest kommt mir das ganze verstreute Schulequipment am Boden sehr bekannt vor). Vor allem der Stundenplan von Pelikan ist der schiere Wahnsinn! Schaut euch nur die beiden Kinder an. Das fliegekleine Mädchen mit Zöpfchen, Zahnlücke und Sandalen. Und dann erst der Junge! Hält stolz seinen brandneuen Pelikano in der Hand wie eine Trophäe, die er gerade erlegt hat. Kinder, die heute so in die Schule kommen würden, hätte man wohl spätestens in der ersten Pause verdroschen. Damals war das offensichtlich hip. Sah ich genauso aus, als ich in der Grundschule war? Mir wird ganz schlecht, ich muss am Wochenende unbedingt die alten Familienfotos durchschauen und mich (hoffentlich) vom Gegenteil überzeugen. Allerdings kann ich jetzt schon mit Sicherheit sagen, dass ich eine so kesse Fliege, wie sie der Junge trägt, nie besessen habe. Ja, ihr habt richtig gelesen und könnt es sehen: Der Kleine geht mit einer Fliege in die Schule. Jetzt seid ihr neidisch, was?
    P.S.: Die Vorlagen habe ich selbstverständlich sofort eingescannt und auf meinem HTC Flyer ausgefüllt. Jetzt hab ich den retroigsten Stundenplan in Bayern! NOCH. Denn meine Fundstücke will ich auch der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten. Vielleicht will ja einer meinem Beispiel folgen.
    stundenplan2
    stundenplan1

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