Bei einer so lernintensiven Sprache wie Latein halte ich es wie beim Bau eines Gebäudes: Am Anfang steht das Fundament. Und das muss tadellos sein. Um sicherzugehen, dass das bei einem Haus der Fall ist, schicken die Behörden öfter mal ein paar Leute vorbei, die nach dem Rechten sehen und das eine oder andere Mal meckern, wenn dem nicht der Fall ist. Bei meinen Fünftklässlern tue ich das auch. Nämlich mit einer Flut an schriftlichen Abfragen. Über das Jahr verteilt kommen so alles in allem mehr als 20 Extemporalen zustande. Zusammen mit den Schulaufgaben und den Ausfragen habe ich damit am Ende des Jahres mit knapp 30 Einzelnoten von jedem Schüler ein sehr repräsentatives Bild über seine Leistungen. Jetzt kann man dies bezüglich auf zweierlei Arten meckern:
- 20 Exen, das ist ja ein riesiger Mehraufwand! Das muss man alles korrigieren. Ja, muss man. Aber ich tue das in der Gewissheit, dass mir keiner nachsagen kann, der akademische Fortschritt der Kleinen würde mir nicht am Herzen liegen.
- 20 Exen, das ist ja übelster Nazi-Drill! Das ist für die Kinder ja purer Horror! Au contraire, mon frère: Durch die ständige Abfrage nehmen die Schüler die Ex am Ende jeder Lateinlektion als festen Bestandteil der Unterrichtssequenz wahr, der ebenso wie Hausaufgabenverbesserung, Neudurchnahme oder Abfrage in den Verlauf der Lateinstunde integriert ist. Zudem haben sie auf diese Weise die Gewissheit, dass eine Ex, die sie verhauen haben, kein Grund für Tränen ist. Es folgen ja noch 19 weitere, in denen man den Karren sofort wieder aus dem Dreck holen kann.
Sehen wir uns mal die Schülersicht an. Die Kleinen wissen von Beginn an, was da auf sie zukommt. Und je besser und schneller eine Klasse durch die ständige Erkenntnissicherung wird, umso mehr beflügelt man sich gegenseitig zu Höchstleistungen, um die Leistungen der letztjährigen fünften Klasse zu übertrumpfen. Als ich meiner Fünften letztes Jahr eröffnete, dass ich mit ihnen zum ersten Mal die 25er-Grenze geknackt hatte, brach ein riesiges Jubelkonzert aus. Ein paar gaben ihren Emotionen sogar in der Ex selber nach. Das Ergebnis sieht man hier:

Es mag ja irgendwie ein Klischee sein, seinen ersten Blog-Eintrag über das hiesige Wetter zu verfassen. Aber immerhin kann ich’s fachlich begründen. In England legen es die Gepflogenheiten nahe, grundsätzlich vor JEDEM tiefschürfenden Gespräch einen kurzen Diskurs über das Wetter abzuhalten. So how’s the weather? One word: Furchtbar. Wenn das der Frühling ist, von dem Eduard Mörike immer schreibt, dann hat er dieses Jahr sein blaues Band in der Reinigung vergessen. Seit Wochen werden wir hier in Bayern von einer undurchdringlichen Suppe aus immer wiederkehrenden Regenschauern, Nebelfeldern und Schneeeinbrüchen heimgesucht, die weder Sonne noch gute Laune zulässt. Alles ist grau. Häuser grau, Himmel grau, Stimmung grau. Selbst mein üblicher Eifer, meine Wohnung in einem Frühjahrsputz zu entrümpeln wich irgendwann einem “I couldn’t care less” und so sind meine Fensterscheiben immer noch ungeputzt, und die Staubmäuse unter meinem Schreibtisch sind mittlerweile zur Größe von Steppenläufern (thematisch passend natürlich in grau!) angewachsen und drohen, mich beim nächsten näheren Kontakt vollends zu verschlingen. Mir tun die Kinder, die über die Ferien hier geblieben sind, fast schon leid, weil sie bei diesen Aussichten wohl exakt 0,16 Tage an der frischen Luft verbracht haben. Mal schauen, ob das irgendein Schüler bemerkt, wenn ich am Montag frage, wie die Winterferien denn so gewesen sind… Naja, ich mach mich dann mal ans Frühstück. Was es gibt? Grau-brot natürlich, was denn sonst bei dem Wetter? 😉
Ich bin Teil einer aussterbenden Spezies. Nämlich der des Lateinlehrers – eines technikaffinen gleich dazu. Ich unterrichte nach den Anstrengungen eines Studiums, eines Referendariats und zwei erfolgreich abgelegten Staatsexamina im schönen Bayern die Fächer Latein und auch Englisch und hoffe mit diesem Blog (Un-)Eingeweihten einen Blick auf diesen wunderschönen Beruf zu geben – auch wenn das einige anders sehen. Wer weiß, vielleicht gelingt es ja euch umzustimmen. Wette angenommen?