
Kaum Interesse

Teurer Spaß

Das neue Jahr startet in Bayern mit einer Extremsituation. Und ausnahmsweise hat sie nichts mit außerplanmäßigen Zuständen einer Pandemie zu tun. Sondern mit regelmäßigen. Die so genannte Regelbeurteilung steht an, die in Bayern alle vier Jahre in die Fächer der Lehrkräfte wandert. Quasi ein Zeugnis für uns. In ihr kommt alles zur Sprache, was seit der letzten Beurteilung so geleistet wurde: Unterrichtsplanung und -qualität, die in Stundenbesuchen durch die Schulleitung bezeugt wurde, Kooperation, Wahrnehmung übertragener schulischer Funktionen, außerunterrichtliche Aktivitäten, Sachkompetenz, Fachkompetenz, Erziehungskompetenz – alles ist (hoffentlich) berücksichtigt und gebührend in einem von sieben Prädikaten bewertet – nicht in Noten.
Es gibt Leistung von herausragender Qualität (HQ), eine, die besonders gut erfüllt ist (BG), die die Anforderungen übersteigt (UB), den Anforderungen voll entspricht (VE), in hohem Maße gerecht wird (HM), die Mängel aufweist (MA) oder die insgesamt unzureichend ist (IU). Aber unter der Hand spricht man natürlich von Noten. Frau Müller hat kein UB, sondern eine drei. Herr Sachs eine vier. Aber davon bekommt in der Regel niemand was mit. Denn die Beurteilungen werden gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Selbst Freunde sind sehr vorsichtig beim Ausplaudern der schriftlichen Würdigung – aus Angst, dass man sein Gegenüber verletzt, das schlechter weggekommen ist.
Schon verrückt, wenn man bedenkt, dass das Beurteilen von Leistungen zu unserem Alltagsgeschäft gehört und wir eine gewisse Professionalität an den Tag legen müssten, wenn es um unsere eigene Leistung geht. Stattdessen benehmen wir uns wie Fünftklässler, die ihre Schulaufgabe bei der Herausgabe angsterfüllt an sich reißen und sofort in die Mappe stecken, damit keiner die Zensur mitbekommt. Souverän geht anders.
Redewendungen sind in der Fremdsprache immer die berühmte cherry on the cake. Oder war es icing? Sagt man das überhaupt noch? So ging es mir die letzten Wochen immer wieder in der Oberstufe im Englisch-Konversationskurs. Regelmäßig musste ich die Erfahrung machen, dass viele der Redewendungen, die man aus dem Englischen den Lernenden ins Deutsche übertragen möchte, oftmals überhaupt nicht mehr geläufig sind. To be built on sticks – auf tönernen Füßen stehen? Noch nie gehört. Für eine Prüfung büffeln oder pauken? Das sagt seit 1995 kein Mensch mehr.
Klar, diese Schnelllebigkeit von Redewendungen gibt es auch umgekehrt in der Fremdsprache. Dass das berühmte to rain cats and dogs veraltet ist, habe ich schon zu meiner Schulzeit gelernt. Aber ist es dennoch gebräuchlich?
Um das und mehr rauszufinden habe ich dem Kurs letzte Woche ein bisschen was mit H5P gezaubert. Nämlich zwei niederschwellige Aktivitäten aus dem Typus Drag the Words, in dem die Lerngruppe Lückentexte mit Idiomen zu fertigen Sätzen ergänzen musste. In einem zweiten Schritt wurden diese Redewendungen auf Entsprechungen in der Muttersprache abgeklopft und kontrastiert. In welchen Farben ärgern sich Leute im Deutschen? Werden sie grün vor Neid? Oder gelb? Selbst bei diesen wirklich gebräuchlichen Redewendungen regte sich schon die eine oder andere Augenbraue im Kurs. Aber damit geht der Spaß erst los.
In einem zweiten Schritt sind die Kinder dran. In Gruppen suchen sie im Netz nach markanten Redewendungen im Englischen und beschränken sich in ihrer Auswahl auf sechs Redewendungen, die interessant scheinen. Damit erstellen sie dann auf ähnliche Weise wie ich auf H5P-Einstieg unter meiner Anleitung eine H5P-Übung aus ihren Redewendungen, die sie mit ein paar Kontextsätzen versehen müssen, damit sich für die Mitlernenden am Ende der Übung auch die Bedeutung der Idiome erschließt – gar nicht so einfach für eine Oberstufe. Denn hier entscheidet sich, ob die Redewendung sinnrichtig gebraucht wird oder eben nicht. Damit kamen ein paar wirklich schöne Übungen raus. Diese zum Beispiel:
Diese Übungen laden sie anschließend in mebis in die Aktivität Aufgabe hoch, sodass ich sie als Kursleiter in den mebis-Kurs betten kann. Anschließend stellen sich die Gruppen mit ihren selbst geschaffenen Tests gegenseitig auf die Probe und arbeiten die Übungen als H5P-Aktivität durch. Und ich als Kursleiter kann mich zurücklehnen und dank Aktivitätsübersicht heimlich nachsehen, wie sich meine Schützlinge geschlagen haben. Eine tolle Stunde, die quasi von ganz alleine lief.
Ich kann mich überhaupt nicht dran erinnern, jemals einen Blogartikel zum Thema Neujahresvorsätzen gemacht zu haben (ich bin aktuell auch ehrlich gesagt zu faul um nachzusehen). Aber warum eigentlich nicht? Hat ja auch sein Gutes sowas mal zu machen. So kann man regelmäßig im Jahresverlauf nachschauen, was man 2023 eigentlich vor hatte… und nicht eingehalten hat. Na dann wollen wir mal die Liste eröffnen mit Vorsätzen für das jüngst angebrochene Jahr…
Wie sieht’s bei euch aus? Irgendwelche Vorsätze für 2023?
Kein Blog ohne Jahresrückblick 😎 Aber eine detaillierte Darstellung erspare ich mir dieses Jahr. Denn Zeit ist für uns definitiv eine Komponente geworden, die rar ist. Zumindest bei mir. Ebenso wie das Thema Sicherheit und Routine. Vieles, was wir als gesetzt akzeptiert haben, wurde 2022 gänzlich auf den Kopf gestellt. Ein Krieg in Europa, explodierende Kosten für Gas, für Öl, für Elektrizität. Für Benzin. Für Lebensmittel. Eine Inflation auf Rekordhöhe. Und man steht tatenlos daneben und wird von den Ereignissen überrollt. Das weitet sich auch auf das Digitale aus, wo im Laufe des Jahres altbekannte Strukturen und Plattformen von Grund auf umgekrempelt wurden.
Twitter, die Plattform, auf der alles für viele von uns anfing, geriet beispielsweise ordentlich ins Straucheln. Seit Oktober hält die Spirale der Hiobsbotschaften an. Ein CEO, der einen Großteil seiner Mitarbeiter rauswirft, dann wieder einstellt, dann zu horrenden Überstunden verpflichtet, seine Abwahl zur Disposition stellt – das alles hat ein System, das für die meisten von uns aller Unkenrufen zum Trotz gut funktioniert hat, in Rekordzeit nachhaltig zerstört. Eine Neuorientierung fällt vielen immer noch schwer. Auch mir. Ich schaue immer wieder aus Gewohnheit bei Twitter vorbei. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Und Mastodon ist kein Twitter. Und so hüpfe ich ratlos zwischen zwei Plattformen hin und her, die mich beide in ihrer jetzigen Form nicht zufrieden stellen…
In dem Durcheinander habe ich gänzlich verpasst, dass auch bei Evernote was im Busch ist. Die Plattform, mit der ich seit Bestehen des Blogs konsequent meinen Unterricht bestreite, hat den Besitzer gewechselt und ist ab Januar das Schätzchen von Bending Spoons, die sich auf mobilen Plattformen auf Monetarisierungsmethoden ihrer Programme versteht. Zwar wurde vom neuen Besitzer erklärt, dass sich alles zum Vorteil der Nutzenden ändern wird. Aber solche Versprechen kennt man ja. Und plötzlich sind völlig abstruse Neuerungen da, die Bezahlmethode auf das Doppelte erhöht, und die Leute in Scharen abgesprungen. Sollte der Dienst dann seine Schotten dicht machen, bin ich aufgeschmissen. Über Evernote läuft bei mir alles. Selbst die Dienste des Programmes, über die gerne gelästert wird (Widgets oder die Startansicht), sind bei mir fest in den Arbeitsablauf integriert und funktionieren für mich prima. Klar gäbe es Alterativen. Aber keine funktioniert für mich und meinen Workflow so wie Evernote und würde sich echt wie ein deutlicher Rückschritt anfühlen. Wo geht’s dann weiter? OneNote? DevonThink? Ganz was anderes?
Selbst auf meinem Blog, der in all den Jahren meine Konstante darstellte, habe ich dieses Jahr mehrmals die Augenbraue hochgezogen. Einige meiner Artikel gingen zahlenmäßig total durch die Decke. Andere blieben wie Blei in den Leseregalen liegen. Aus welchen Gründen, kann ich nicht nachvollziehen. Meine Top 3 – Beiträge sind völlig unterschiedlich. Einer davon ist mein Testbericht zu Squid, den ich schon vor Jahren verfasst habe, aber ständig gelesen wird. Die anderen sind Rants – einmal über Lehrerdienstgeräte und dann über das letzte chaotische Schuljahr. Wäre Bloggen jetzt meine Haupteinnahmequelle müsste ich jetzt aus solchen Zahlen Analysen ziehen. Zum Beispiel, dass schlechte Stimmung im Netz gut Quote macht. Oder ob ich Besucherzahlen mit Suchmaschinenoptimierung vergrößern möchte. Oder wann ich in der Woche meine Blogartikel am Besten platziere, um möglichst viele Leute zu erreichen. Aber zum Glück ist das nicht mein Beruf. Mein Blog hat nach wie vor eine süße Reichweite. Aber auch nicht mehr. Ich mache, was ich für richtig halte und freue mich, wenn es angenommen wird. Und wenn nicht, dann ist das schade. Aber zum Glück auch nicht mehr. Meine Rechnungen werde ich trotzdem bezahlen können.
Ich wünschte, ich könnte die anderen Baustellen des Jahres mit einem ähnlichen Schulterzucken abtun. Vielleicht lerne ich das 2023.
Bis dahin rutscht mal gut!
Oh Wunder. In diesem verrückten Jahr zeigt sich 2022 auf einmal, wie es sein sollte. Passend zur Weihnachtszeit hat sich der Winter in den letzten Tagen breit gemacht. Die Straßen sind mit einer dicken Lage Schnee bedeckt, vom Himmel rieselt unaufhörlich Nachschub herab. Die Christkindlmärkte in München sind gefüllt von Menschen, die nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder ein bisschen Weihnachtsstimmung spüren wollen. Der Geruch von Glühwein und Bratwürsten ist allgegenwärtig, ebenso wie die so vertrauten Klänge von beruhigender Weihnachtsmusik. Doch der Schein trügt. Man muss den Leuten nur ein bisschen zuhören um es zu merken. Das Gefühl der Ohnmacht ist auch in der staaden Zeit immer dabei. Krieg, Inflation, gestiegene Preise, Energiekrise, Strom. Man lächelt die Themen immer ein bisschen weg, um die Stimmung nicht zu versauen. Aber so richtig gelingt es nicht. Bei uns in der Schule sieht es ganz ähnlich aus.
Zum ersten Mal nach drei Jahren gibt es wieder das volle Weihnachtsprogramm: Weihnachtsfeier, Weihnachtsbasar, Weihnachtskonzert. Der Nikolaus ging am 6. Dezember wieder durch die Klassen der Unterstufe. Der Lehrerchor übt nach Jahren wieder für den Auftritt vor einem großen Publikum. Es wird alles toll. Aber ebenso wie auf den Christkindlmärkten halten wir auch eine gewisse Fassade aufrecht, damit diese Scheinnormalität gelingt.
Wir haben echt zu ackern gehabt. Denn neben dem Alltagsgeschäft hatten wir gut mit unserem neuen alten Standort zu kämpfen, den wir im September noch voller Vorfreude bezogen hatten… bis die Realität zuschlug. Bei der Ausstattung fehlte es an allen Ecken und Enden: Kein Internet in den meisten Räumen, fehlendes Mobiliar, Docking Stations ohne Verbindung, ausfallende Telefone, Klassenzimmer ohne Heizkörper, Toiletten ohne Kabinen, ein EDV Raum ohne Rechner und Schränke. Kurz: Es war ein Desaster.
Mittlerweile hat sich einiges getan in unserem Hause. Das liegt vor allen an der Hartnäckigkeit, mit der Schulleitung, Systembetreuer, Hausmeister und Kollegium jeden Mangel permanent gemeldet und auch beanstandet haben. Auch hier gilt wieder: Der Unterricht per se ist gesichert. Aber wer hinter die Kulissen blickt, sieht noch immer die Defizite:
Die Liste ließe sich noch ein bisschen weiterführen. Aber im Sinne des Weihnachtsfriedens erspare ich das der geneigten Leserschaft. In der Woche vor Weihnachten die Zeit zum Lesen von Blogposts erfahrungsgemäß äußerst rar. Und ich muss mir ja noch ein bisschen Blog-Material in der Hinterhalt halten.
Die digitalen Lehrerzimmer sind in Bewegung wie schon lange nicht mehr. Das Kollegium bei Mastodon wächst und organisiert sich. Teilweise ist man noch bei Twitter oder hat sich komplett aus der alten Heimat verabschiedet. Aber die Linien zwischen den Universen zerfließen. Die einen legen “drüben” komplett neue Profile an, wieder andere verlassen sich von einer Plattform auf die andere aufs Crossposting durch Bots, wieder andere posten mal hier und mal da. Ein heiloses Durcheinander, in dem man sich viel zu schnell verlieren kann. Daher muss wieder ein bisschen Ordnung ins Gewusel. Und zum Glück gibt es bereits erste Anstrengungen dazu.
Anna Do hat sich mit Interessierten auf einer Taskcard-Pinnwand Gedanken gedacht, um das legendäre TWLZ-Padlet von Marc Albrecht-Hermanns umzustrukturieren. Das war nämlich durch die Unmenge an Verlinkungen in unterschiedliche Profile ein ganz schöner Speicherfresser geworden. Wer es ein bisschen speicherschonender haben möchte, darf sich gerne in das mir erstellte Cryptpad eintragen. Hierbei handelt es sich einfach um eine Neuauflage unserer Blogliste, die vor Jahren als GoogleDoc erstellt und dann aus unerfindlichen Gründen gesperrt wurde. Deswegen nun hier ein neuer Versuch, der in Cryptpad hinterlegt ist:
Auf ins digitale Lehrerzimmer zur Aufstellung!
Ein Online-Excel Sheet, in das sich das digitale Kollegium aus welchem #LZ auch immer eintragen kann, damit man sich auch jenseits der Tellerrandes des eigenen Netzwerkes findet. Tragt ein, so viel ihr wollt und könnt: Name, Bundesland, Blog, social media-Profile. Alles kann, nichts muss. Aber je mehr daran teilnehmen, desto vollständiger ist die Aufstellung, die sich hinterher nach allen möglichen Aspekten umsortieren lässt.
Das Dokument ist auch künftig in der Mitmachen!-Sektion des Blogs verlinkt, wo sich für kollaborativ nutzbare Dokumente eine extra Sektion findet, sodass man auch noch lange schnell Zugriff auf die Dateien hat, wenn dieser Beitrag hier schon wieder in der Timeline verschwunden ist.
Ist ganz schön was los hier. Die Masto-Exodus ist in vollem Gange, seitdem auf Twitter eine Hiobsbotschaft nach der anderen eingeht. Mittlerweile sprechen einige davon, dass die Plattform innerhalb der laufenden Woche darnieder liegt. Irre, wie jemand es schafft ein Netzwerk, das mehr als eine Dekade echt gut lief und sich gut behaupten konnte, mit fragwürdigen Entscheidungen in kürzester Zeit völlig kaputt zu sanieren, dass es bald regungslos am Boden liegt. Und die Geschwindigkeit, mit der die Leute aktuell die Plattform verlassen, ist echt unheimlich. Das sieht man auch im Twitterlehrerzimmer.
Die Abschiedstweets häufen sich, die Mastodon-Accounts werden gepostet, damit man sich auf der anderen Seite schnell wieder findet. Andere bleiben enttäuscht und allein auf Twitter zurück. Den einen ist Mastodon zu kompliziert, zu unsicher, zu langsam, zu nischig. Den anderen ist Twitter zu voll geworden, zu unübersichtlich, zu böse… oder auch zu langweilig. Ein paar Abgesänge, mit denen sich Leute von ihren Followern verabschieden, lesen sich ganz schön hart und lassen das Gefühl aufkommen, dass man da die letzten Jahre nur aus Bequemlichkeit ausgehalten hat. Ich persönlich tu mir mit dem Abschied ziemlich schwer. Twitter ist und war Dreh- und Angelpunkt von allem. Hier wurden Grundsteine gelegt für Tätigkeiten im Lehrberuf, die so gar nicht möglich gewesen wären. Kein Netzwerk hat bei mir mehr Stunden online geschluckt. Nirgendwo sonst wurde offtopic so viel rumgeblödelt. Aber ich ließ es gerne geschehen. Denn die Balance zwischen Sinnlosig- und Sinnhaftigkeit blieb immer bestehen. Natürlich lässt sich das alles auf Mastodon wieder herstellen. Aber das braucht Zeit. Und ob ich die aktuell investieren will, ist die Frage. So ist Mastodon im Moment aufs Wesentliche beschränkt und dreht sich ausschließlich um Bildung und Schule. Und Twitter ist das große Hintergrundrauschen mit all den süßen Verlockungen. Eventuell wird dieser Doppelspagat irgendwann so aufs Stundenkonto schlagen, dass man wirklich eine der Plattformen abstellen muss. Man will ja nicht ständig vor dem Smartphone sitzen (… und tut es ja dann doch).
Bei so viel Unbeständigkeit ist mein Blog mir dann doch sehr lieb. Der bleibt einfach ein Fels in der Brandung. Auch wenn der auch mal wieder ein kleines Facelifting braucht. Ein Anfang ist schon mal gemacht: Nach neun Jahren der Existenz hat er jetzt endlich mal Social Media Buttons bekommen sowie ein kleines Namensbanner, damit die Leute auch wissen, auf wessen Seite sie sich gerade rumtreiben. Allerdings bin ich noch nicht ganz glücklich damit. Vermutlich muss der Apollo früher oder später aus dem Banner weichen. Aber das entscheide ich selbst zu gegebener Zeit. Im Gegensatz zu Mr Musk lass ich mir für meine Entscheidungen nämlich Zeit.
Die Herbstferien in Bayern sind vorbei. Wie immer haben wir Ende Oktober eine Woche Zeit durchzuschnaufen, bevor es im November wieder Richtung Jahresende weitergeht. Die wenigen Tage zur Erholung sollen weise genutzt werden, damit sich man vor lauter Aktionismus die Woche nicht so zuklatscht, dass man gar nicht mehr zur Ruhe kommt.
Nach dem turbulenten Rückumzug in unser neues Gebäude war Durchschnaufen erste Priorität. An zweiter stand dann aber dann doch gleich wieder die Schule mit Ausbildungsgeräten und Korrekturen. An Platz 3 dann das Thema Digitales. Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat bei uns im Twitterlehrerzimmer große Wellen geschlagen. Einige sind zu Mastodon gewechselt. Andere bleiben hartnäckig bis zum Ende – egal wie es ausgeht. Wieder andere so wie ich schauen sich erstmal beides an, bevor sie sich final entscheiden – und schwupps ist man selbst Teil vom Fediversum und hat damit schon wieder einen digitalen Kanal mehr zu bedienen. Sowas versetzt mich immer in einen ganz seltsamen Zwischenzustand von Neugier und Stress.
Einerseits wieder mal eine Möglichkeit sich neu zu vernetzen, neue Leute kennenzulernen, Neues zu entdecken. Dann aber wieder das zeitraubende Sondieren: Welches Netzwerk nutze ich wozu? Poste ich überall dasselbe? Nutze ich die Netzwerke gezielt für unterschiedliche Zwecke? Oder werf ich eins raus? Und wieviel von meiner Zeit kann ich in die Gestaltung investieren? Wie ist denn da euer Vorgehen? Läuft da bei euch derselbe Film ab? Oder seht ihr das gelassener? Um ein paar Kommentare wäre ich sehr dankbar. So wie auf Twitter.
Um mich auch selbst zu besinnen und mir einen Überblick zu verschaffen, was ich digital so alles auf dem Kerbholz habe, habe ich mir mal eine Landing Page bei linktr.ee angelegt, die man immer wieder bei Instagram sieht. Schnell gemacht, sieht schick aus und nützt mir und der geneigten Leserschaft.
Let’s talk Ausbildungsgeräte, meine Damen und Herren. Keine Lehrerdienstgeräte. Sie haben richtig gelesen. Wir reden von Ausbildungsgeräten. Dabei handelt es sich um eine Neuerung, die auf einer Änderung des Ausbildungsgesetzes in Bayern beruht. Nach diesem hat jede Person, die in Bayern in das Referendariat eintritt, ein Anrecht auf ein solches. Wahlweise ein Microsoft Surface oder ein Apple iPad mit allem drum und dran wird für das Seminar bestellt. So ist es in einem offiziellen KMS vorgestellt, nebst den nächsten Schritten, welche in naher Zukunft folgen sollen.
Das passiert in Form von diversen eMails, die über die Tage bei mir eintrudeln. Jede davon enthält Zugangscodes für verschiedene Portale, für die man sich als Systembetreuer registrieren muss, denn die ehrenvolle Aufgabe der Gerätewartung, die zusätzlich anfällt, ist auf uns übertragen (wir sind ja chronisch unterfordert, wie jedermann weiß). Und so erhält man eine Kennung für eine Schulungsplattform, wo man eine 40-seitige Anleitung findet, eine weitere für das sog. MDM, über das die Geräte mit Software bespielt werden, und eine Einladung zu einer vierteiligen insgesamt vierstündigen Fortbildungsreihe, in der man in das Thema eingeführt werden soll. Ebenso folgt die Ankündigung von zusätzlichen Mails, die im November auf uns hernieder prasseln, wenn es um die Bestellung der Geräte geht, denn auch das funktioniert ausschließlich online und mit Hilfe von digitalen Unterschriften durch die Schulleitung. Natürlich gibt es dafür auch wieder eine Kennung und ein Portal – ebenso wie für eine weitere, wenn es um das Melden von Fehlern geht. Die Codes hierfür folgen im November.
Ganz schön viel Tamtam. Noch dazu, wo wir diese Ausbildungsgeräte per se nicht benötigen. Denn seit diesem Jahr hat jeder im Kollegium ein Lehrerdienstgerät. Das bekommen ausnahmslos alle bei uns in der Schulfamilie an die Hand: Aushilfslehrkräfte, die Leute im Zweigschuleinsatz, im Seminar, Lehrende in Teil- wie auch Vollzeit. Absolut jeder. Die Gründe hierzu gibt’s hier zu lesen. Und daher ist ein Ausbildungsgerät nicht von Nöten. Ebenso wenig wie eine vierstündige Fortbildungsreihe und ein Zugang zu vier Portalen für Registrierung, Schulung und Einrichtung der Dinger. Genau das schreibe ich dem Kontakt aus dem Kultusministerium; in den besten Absichten, dem bayerischen Staat ein paar Tausend Euro sparen zu wollen. Die Antwort folgt prompt, knapp und präzise:
Lehrerdienstgeräte seien bezahlt aus dem Topf des Sachaufwandsträgers (in unserem Fall die Stadt München), Ausbildungsgeräte seien vom Freistaat Bayern bezahlt, und die Seminarlehrkräfte hätten laut Ausbildungsgesetz Anspruch darauf. Das ist mir alles klar, schreibe ich zurück, aber die Ausbildungsgeräte sind für den Unterricht nur bedingt einsetzbar, da das pädagogische Netz der Stadt München externen Geräten gegenüber extrem skeptisch ist: Fremd-PCs kommen ohne größeres Gefrickel durch den Systembetreuer weder ins Internet noch an die pädagogischen Drucker. Und sofern die neuen Geräte nicht über USB-C verfügen, können die Refis ihre schicken Ausbildungsgeräte nicht einmal an das Whiteboard hängen, da wir in den Klassenzimmern den Unterricht ausschließlich mit Docking Stations bestreiten (an die jeder sein Lehrerdienstgerät hängen kann). Meine wie ich finde doch recht plausiblen Einwände werden mit einem Einzeiler weggewischt: “Es tut mir leid, dass ich Ihnen in dieser Angelegenheit keine positiven Antworten vermelden kann.” Die Refis könnten die Ausbildungsgeräte ja dann zumindest zuhause zur häuslichen Vorbereitung nutzen.
Was für ein Szenario soll das bitte sein? Da sitzen Berufsanfänger mit Laptop 1 zuhause und bereiten vor – nur um die Stunden in der Schule mit Laptop 2 zu bestreiten? Dass ein Großteil der Seminarlehrkräfte ohnehin ein Arbeitsgerät aus dem Studium besitzen, lassen wir jetzt mal einfach beiseite…
Und so sitze ich in den Ferien in Teil 4 der insgesamt vierstündigen Online-Fortbildung zu Ausbildungsgeräten, die bei uns faktisch nutzlos sind (die Frage im Chat, ob es für diese zusätzliche Aufgabe irgendeine Art von Vergütung oder Anrechnungsstunden gibt, wird in der Veranstaltung geflissentlich ignoriert). Ich lerne etwas über die Registrierung und Einrichtung, über das MDM und den Bestellprozess zu Hardware, die bei uns keine Verwendung finden wird… und bekomme dazu am Ende sogar noch ein zusätzliches Gerät geschickt, über das all diese Prozesse stattfinden sollen. Warum ich dazu mein Lehrerdienstgerät nicht benutzen kann? Ich weiß es nicht. Oder meinen Privat-PC, wie bei allen anderen Schulbelangen auch? Ich weiß es nicht.
Was ich aber weiß, ist das: Ich habe nun ein Lehrerdienstgerät für die Arbeit im Unterricht, einen Verwaltungsrechner für die Arbeit als Systemadministrator, ein Surface für die Verwaltung der Ausbildungsgeräte – und aus eigenen Mitteln ein Tablet sowie einen Desktop-PC zuhause. Fünf Geräte für meine Arbeit. Fünf! Dazu noch die Menge an den Ausbildungsgeräten, die hier praktisch verstauben werden, weil kein Mensch mit zwei Rechnern unter dem Arm durch den Schulalltag gehen wird. Mir wird ganz schlecht bei dem Gedanken, wie viel Geld da verheizt wird, einfach weil es in irgendwelchen Töpfen vorhanden ist. Die Hardware wird einfach über uns ausgeschüttet, ohne dass man tatsächlich den Bedarf der Schulen abfragt.
Das geht auch anders.