Tja, und da isser wieder, der Herr Schulanfang. Und wie immer trifft er mich irgendwie unerwartet. Natürlich ist mir das Datum bekannt, wenn der Ernst des Lebens wieder losgeht. Aber so richtig bewusst wird mir das erst dann immer, wenn ich im Schulhaus stehe oder das Lehrerzimmer betrete. Die ganzen Gesichter, die man mehr als einen Monat nicht gesehen hat, die einem braun gebrannt und tiefenentspannt entgegen strahlen. Dann wird mir kurzfristig immer etwas schlecht, weil die Ferien für mich damit unumstößlich vorbei sind. Und dann setzt sofort der Tatendrang ein, und ich freu mich eigentlich.
So sehr ich dem Schulbeginn entgegenfiebere, so sehr konnte andererseits ein Kollege das Ende im letzten Schuljahr nicht erwarten, um in die wohlverdiente Pension zu starten. Der hat nämlich seinen Spint geräumt und alles, was sich da über die Dienstjahre angesammelt hat, kurzerhand auf unseren Tagungstisch abgeladen. Neben Unmengen von Kopien, angegilbten Dias und Schulbüchern, die streckenweise noch in Frakturschrift (!) verfasst sind, fanden sich dort auch Unterlagen, die ich vor dem traurigen Schicksal der Altpapiertonne bewahren konnte. Das umfasste ein paar wirklich schöne Folien zum Thema Tempelarchitektur, Säulenordnungen und Ausdehnung des römischen Reiches, aber auch mehrere noch unbenutzte Stundenplanvorlagen. Vor allem letztere hatten es mir angetan. Diese Teile sind das, was man neudeutsch “ends-retro” nennt und stammen schätzungsweise aus den frühen 80er-Jahren (zumindest kommt mir das ganze verstreute Schulequipment am Boden sehr bekannt vor). Vor allem der Stundenplan von Pelikan ist der schiere Wahnsinn! Schaut euch nur die beiden Kinder an. Das kleine Mädchen mit Zöpfchen, Zahnlücke und Sandalen. Und dann erst der Junge! Hält stolz seinen brandneuen Pelikano in der Hand wie eine Trophäe, die er gerade erlegt hat. Kinder, die heute so in die Schule kommen würden, hätte man wohl spätestens in der ersten Pause verdroschen. Damals war das offensichtlich hip. Sah ich genauso aus, als ich in der Grundschule war? Mir wird ganz schlecht, ich muss am Wochenende unbedingt die alten Familienfotos durchschauen und mich (hoffentlich) vom Gegenteil überzeugen. Allerdings kann ich jetzt schon mit Sicherheit sagen, dass ich eine so kesse Fliege, wie sie der Junge trägt, nie besessen habe. Ja, ihr habt richtig gelesen und könnt es sehen: Der Kleine geht mit einer Fliege in die Schule. Jetzt seid ihr neidisch, was?
P.S.: Die Vorlagen habe ich selbstverständlich sofort eingescannt und auf meinem HTC Flyer ausgefüllt. Jetzt hab ich den retroigsten Stundenplan in Bayern! NOCH. Denn meine Fundstücke will ich auch der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten. Vielleicht will ja einer meinem Beispiel folgen.
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Unterricht 2.0: Vorläufiges Setup 2012/13
Ich hatte ja vor sechs Wochen, exakt zum Ende der bayerischen Pfingstferien versprochen, bis zum Ende des Jahres probeweise auf Unterrichten mit dem Tablet umzusteigen und auszuprobieren, wie ich damit zurecht komme. Nachdem jetzt ein paar Wochen ins Land gezogen sind, kann ich alles in allem schon eine gewisse Bilanz ziehen.
Was sich geändert hat:- Das eine oder andere technische Problem galt es zu überwinden.
- Um das Tablet auch flexibel nutzen zu können, ist ein HDMI-Adapter fürs HTC Flyer mein ständiger Begleiter geworden. Von den sechs Wochen in meiner Schultasche ist die Packung schon fürchterlich verschlissen, dafür ist der Inhalt intakt. Und darauf kommt’s an.
- Trotz Zusatzadapters ist meine Tasche spürbar leichter geworden. Das liegt vor allem daran, dass ich Bücher nicht mehr komplett in der Gegend rumschleppen muss. Relevante Buchseiten werden eingescannt, an eine Evernote-Notiz drangehängt und mit in den Unterricht genommen.
- Da ich mein Referendariat wirklich ernst genommen habe, beginnt bei mir keine Stunde ohne einen Einstieg. Meistens mithilfe einer Folie. Für die Hinführung auf ein Grammatikphänomen oftmals auch eine Folie, dann eine Folie, um das Arbeitsblatt, das den Schülern gegeben wird, auf dem OHP auszufüllen, in der nächsten Stunde eine selbstgemachte Übung – natürlich auf… you get the idea. Fakt ist: Im Schnitt mussten für JEDE EINZELNE Unterrichtsstunde mindestens zwei Folien dran glauben. Das hochgerechnet auf 24 Wochenstunden mal vier Wochen ergibt summa summarum eine sagenhaft furchtbare Menge von 192 Folien, die im Monat früher bei mir drauf gegangen sind! Jetzt mit dem Tablet bekommen die Schüler die Kopien auf Papier, die Folie wird als PDF auf dem Tablet ausgefüllt. Bilanz des Junis, in dem das Tablet die Herrschaft im Unterricht übernahm: Sieben Folien. Für den gesamten Monat. I rest my case.
Benutzte Programm und Apps:
- Evernote: Dieses mächtige Tool ist IDEAL für den Unterricht. Nach meinen ersten Schritten sieht meine vorläufige Konfiguration so aus: Meine Fächer haben jeweils ein Notizbuch mit zahlreichen Unternotizbüchern. So hat das Notizbuch “Latein” die Unterkapitel “Latein_05”, “Latein_06”, “Latein_07” etc. Desweiteren habe ich ein Notizbuch mit dem wohlklingenden Namen “Templates” erstellt, in dem ich Blanko-Vorlagen für meine Stundenverläufe erstellt habe. Und – für den Unterricht selber wichtig – das Notizbuch “Unterricht heute”. Eine Unterrichtsstunde wird regulär folgendermaßen bei mir vorbereitet: Eine Blankovorlage wird aus dem Verzeichnis “Templates” in die jeweilige Klasse kopiert (z.B. “Latein_06”) und mit Datum und einer Zahl versehen, damit ich die Stunden hinterher in der richtigen Ablaufreihenfolge habe. Wer noch akkurater sein kann, kann die Stunde mithilfe von Schlagwörtern eindeutig identifizierbar machen. Der Stundenverlauf wird mit Inhalt, Leitfragen, Tafelbildern etc. aufgefüllt. Sollten für die Stunde Materialien anfallen (z.B. Bilder, Arbeitsblätter), werden diese einfach ans Ende des Stundenentwurfs angehängt. Ist die Stunde komplett, kopiere ich sie in das Verzeichnis “Unterricht heute”. Dieses Verzeichnis ist auf meinem Tablet als privates Verzeichnis konfiguriert und synchronisiert sich selbstständig sämtliche dort hinkopierte Stunden auf den Speicher. Auf diese Weise hab ich immer die Stunden dabei, die ich wirklich brauche und muss nicht Gigabyte-weise Daten hin- und herschaufeln. Während der Stunden müssen die Zusatzmaterialien in der Notiz nur noch angetippt werden, und schon öffnen sie sich selbstständig mit dem entsprechenden Programm. Tada!
- Lecture Notes: Benutze ich für Notizen während des Unterrichts. Wer das nächste Mal die Hausaufgabe herzeigen muss, wessen Schulaufgabe noch fehlt, wessen Mutter demnächst mit einem netten Anruf von mir belohnt wird. Was ich früher auf irgendeinen Zettel, in irgendein Buch oder gleich auf die Hand notierte, kommt jetzt in ein “Klassenbuch” in Lecture Notes, das mit dem jeweiligen Namen der Klasse versehen ist. Da find ich’s auf jeden Fall.
- ezPDF: Nicht das perfekte Tool zur handschriftlichen PDF-Annotation, aber im Moment wirklich das, was meiner Vorstellung am nächsten kommt. Die App öffnet fix, zoomt stufenlos selbst in minutiöse Gefilde, verfügt über Palm Rejection und bietet eine Vielzahl von Optionen beim Schreiben – angefangen von der Stiftdicke, hin zur Farbe und zum Schreibmodus. Einziges Manko: Die gesamte Bedienung funktioniert über das Antippen von einzelnen Menüs. Die Buttons auf dem Stylus werden hingegen hardwaremäßig überhaupt nicht unterstützt. Vielleicht wird ein Update das irgendwann mal ändern. Ich würd’s mir wünschen… Hier übrigens ein längerer Test zur App.
- Dropbox und Dropsync: Für das aktuelle P-Seminar haben wir eine Dropbox installiert, auf der alle relevanten Dateien Platz finden, die im Laufe des Seminars untereinander ausgetauscht werden. Ist relativ unkompliziert und sicher. Auch für Lecture Notes ist Dropbox recht hilfreich, weil mithilfe von Dropsync all meine Aufzeichnungen, die ich in die Notizbücher mit Lecture Notes mache, automatisch synchronisiert und dort in einem eigenen Verzeichnis abgelegt werden.
Das sind die Apps, mit denen ich wirklich regelmäßig arbeite. Natürlich gibt’s die eine oder andere Spielerei, die sich für bestimmte Methoden super eignet. Die werde ich aber über die nächste Zeit im Einzelnen vorstellen.
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Hardware im Unterricht (Folge 3): Mein HTC Flyer ♥
Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass ich meinen Unterricht seit geraumer Zeit (unter anderem) mit meinem Tablet bestreite. Ich werde immer wieder gefragt, warum ich mir mit dem HTC Flyer ein derart “exotisches” Gerät ausgesucht habe. Immerhin hat HTC den Support für das Tablet schon vor einem Jahr eingestellt und lässt es bis heute offiziell auf Android 3.0 laufen. Im Handel bekommt man es ohnehin nicht mehr, vor allem wegen der mittlerweile doch etwas angestaubten Specs (1,5gHz Single Core-CPU, 1GB Ram, Auflösung 600×1024). Trotzdem sprechen für das Flyer verschiedene Gründe. Das Gerät ist bisher wirklich…
- das einzige mir bekannte Tablet, das in einem handlichen 7-Zoll-Design daherkommt und…
- gleichzeitig einen eigenen Stylus mit sich führt. Für den Unterricht möchte ich so einen Komfort echt nicht mehr missen. Natürlich ließe sich für jedes beliebige Tablet einfach ein Stylus Pen nachrüsten, aber ob diese Dinger ähnlich akkurat arbeiten, wie bei einem Tablet, das auf so ein Gadget wirklich zugeschnitten ist, kann ich mangels Erfahrung nicht beweisen. Außerdem ist das Flyer das…
- einzige 7-Zoll-Tablet, das 1+2 erfüllt und über eine Buchse ein Videosignal ausgibt. Dass so ein Feature nur bei einer Handvoll von Tablets an Bord ist, finde ich echt unverschämt (die Sieben-Zoller von Samsung geben beispielsweise gar nichts aus). So ein kleines Dingelchen ist doch perfekt für Präsentationen mit einem Beamer! Warum also so ein Feature rausstreichen? Ich check’s nicht…
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Apps im Unterricht (Folge 3): Apps zur PDF-Bearbeitung
Dass ich mittlerweile viel digital im Unterricht mache, das danken mir vor allem zwei ganz besondere Fans. Nämlich meine Hände. Die freuen sich nämlich, dass ich mir die Finger nicht mehr versaue, wenn ich als Linkshänder Folien beschriften oder ausbessern muss. Hinterher sahen die immer aus, als hätte ich einem Schlumpf die Haut abgezogen. Mein Vorgehen ist mittlerweile, Unterrichtsmaterial, das früher als Folie auf dem OHP gelandet wäre, als PDF in meine Evernote-Vorbereitung anzuhängen und dann direkt aus Evernote zu öffnen und an die Wand zu projizieren. Nett! Braucht es eigentlich nur noch ein ordentliches Programm, mit dem man PDFs nicht nur darstellen, sondern auch mit dem Stylus bearbeiten kann. Und das ist ehrlich gesagt gar nicht so einfach. Die Anzahl an Apps zu dem Thema ist erstaunlich begrenzt, und jedes Programm hat seine Stärken und Schwächen. Aufgrund meiner Arbeitsumgebung waren ein paar Wunschfeatures essentiell. Die Apps sollten ohne Probleme aus Evernote zu öffnen sein und stufenlos rein- und rauszoomen, um konzentriert auf gewisse Aspekte im Dokument hinweisen zu können. Das schriftliche Bearbeiten der PDFs musste unkompliziert und akkurat funktionieren. Im Idealfall sollte das gleichzeitige Bearbeiten und Zoomen möglich sein, ohne sich umständlich durch Menüs zu klicken. Schreiben, mit Fingern Zoomen, weiter schreiben. Schnell und unkompliziert. So wie ich es eigentlich beim PDF Viewer, der beim Flyer standardmäßig mit an Bord ist, vorfinde. Wenn auch mit leichten Macken…
Die App basiert auf Technologie von Foxit und erlaubt direkten und fixen Zugriff auf PDF-Dateien aus Evernote heraus. Zoomen und Bearbeiten der Dateien mithilfe des Stylus funktioniert ebenso problemlos und unkompliziert. Kein Klicken durch Menüs, um einen Zeichenmodus zu aktivieren, oder die Farbe zu wechseln. Die App merkt, wenn man mit dem Stylus auf dem Bildschirm herumfuhrwerkt und legt sofort mit dem Malen los. Über die Knöpfe des Stylus lassen sich ebenso komfortabel gewisse Stellen farbig unterlegen oder löschen, wenn man mal daneben liegt und einen Fehler gemacht hat (was aber bei ausgebildeten Lehrern praktisch nicht vorkommt ;-)) Aber leider ist nicht alles eitel Sonnenschein. Denn im Gegensatz zu den anderen Apps, wo ein stufenloser Zoom von bis zu 1000% Prozent möglich ist (Lecture Notes!), ist beim PDF Viewer bei schätzungsweise 200% Schluss. Was bei reinen Text-PDFs noch nicht so ins Gewicht fällt – die Buchstaben sind auch so über den Beamer gut und angenehm zu lesen -, wird spätestens bei PDFs mit hochauflösenden Bildern zu einem echten Problem. Massengemälde wie beispielsweise die Schule von Athen eignen sich im Unterricht hervorragend, um darauf herumzustöbern und die Philosophen anhand ihrer Attribute zu identifizieren. Aber bei einem Zoomgrad von maximal 200% ist das nur schwer möglich, die minutiösen Details (Titel des Werks, das Plato in der Hand hält, Blick auf den Tafelinhalt von Pythagoras etc.) auch nur ansatzweise zu erkennen.
Aber damit nicht genug: Während die Zoomstufe im PDF-Modus erstaunlich gering bleibt, ist die Schriftlinie des Stylus bei minimaler Minenstärke brummig dick und fett. Auf diese Weise auch nur irgendetwas Leserliches in die PDF-Dateien zu schreiben, ist unmöglich. Es sieht fast aus wie ein krakliges Gekritzel einer Fünfjährigen, die sich an einer Wand verewigt hat. Ärgerlich! Aber das größte Kuriosum kommt erst noch: Stellt man das Tablet vertikal, ist nicht nur eine höhere Zoom-Stufe möglich. Selbst der Stylus zeichnet auf einmal sichtbar filigraner als im horizontalen Modus. Was soll das? Muss ich jetzt für sinnvolles Arbeiten mein Tablet jetzt immer vertikal stellen und damit leben, dass der Beamer, der ja ebenfalls auf ein horizontales Format ausgelegt ist, nun mit einem vertikalen Bild gespeist und dadurch der Bildschirmausschnitt links und rechts empfindlich beschnitten wird? Ich versteh’s nicht… Ist eigentlich sehr schade, weil der PDF-Reader damit knapp an genau dem vorbeischrammt, was ich mir erhofft hätte… Bedienung hui, Performance leider etwas pfui 🙁
Hier ist er, der nächste Kandidat. Wer sich im Netz ein bisschen umsieht, wird beim Thema PDF-Annotationen zwangsläufig auf den ezPDF Reader stoßen. Und das aus gutem Grund. Das gute Stück Software ist ein mächtiges Tool, um PDF-Dateien zu Leibe zu rücken. Wer eine PDF aus Evernote öffnet, wird nach einer kurzen Ladezeit von seiner Datei begrüßt, die von einem riesigen Menüwald gerahmt ist. Elementar davon ist zum Arbeiten eigentlich nur die Leiste am oberen Bildschirmrand. Über die dortigen Icons kann man kurz und schmerzlos zwischen den einzelnen Modi hin- und herschalten – vorausgesetzt man trifft sie. Denn wegen der fitzligen Größe muss man schon sehr akkurat mit dem Stylus sein, um nicht aus Versehen einen anderen Modus anzuwählen. Zum Glück lassen sich Icon-Größe und viele andere Funktionen im Settings-Menü individuell anpassen. Sogar eine Option zur Palm Rejection ist vorhanden. Wunderbar, gibt’s viel zu selten! Leider bietet ezPDF keine besondere Unterstützung von Styli. Die beiden Buttons auf dem HTC Stift bleiben damit leider funktionslos. Wer unterstreichen oder löschen will, muss leider eine der Icons am oberen Rand bemühen, was streckenweise etwas umständlich ist. A propos umständlich: Der Freihand-Modus ist eigentlich recht brauchbar und erlaubt neben Farbwahl und Minenstärke (did you hear that, Foxit?) auch verschiedene Schreibmodi (Pen, Airbrush, Spray). Allerdings wird beim Wechsel aus dem Freihand-Modus das aufgetragene Geschreibsel erstmal berechnet und als Layer fixiert. Bis man also in seinem Dokument weiterblättern oder Zoomen will, muss man mit einer kurzen Wartezeit rechnen (abhängig von der Schreibmenge ca. 2 Sekunden). Hört sich nach nicht viel an, aber nichts nervt im Unterrichtsablauf so sehr wie Wartemeldungen…
qPDF Notes beginnt sehr vielversprechend: PDF-Dateien in Evernote werden problemlos und vor allem fix (!) geöffnet und mit einem kleinen, aber nicht überbordenden Menü angezeigt. Auch hier kann man nicht gleich in medias res gehen. Will man seine PDFs beschmieren, braucht’s auch hier den Wechsel in einen Zeichen-Modus. Der bietet zwar keine Palm Rejection, die fehlinterpretierten Handbewegungen sind allerdings bei Weitem nicht so katastrophal wie beim RepliGo Reader, der mal eben Linien quer über den gesamten Bildschirm
zieht. Das nervt ein bisschen, ebenso wie der deutlich spürbare Lag, der beim Schreiben auffällt. Verlangsamt man sein Tempo, um dem Programm die nötige Zeit zu geben, oder setzt den Stift zu lange ab, kann es vorkommen, dass das Programm von alleine in den Zoom-Modus zurückschaltet. Dann eventuelle Fehler zu löschen funktioniert nur mit Tücken. Irgendwie interpretiert qPDF jede länger abgesetzte Stiftspitze als eigenes Feld, das (wenn überhaupt) nur noch in Gänze zu löschen ist. Für mich als Linkshänder zu Beginn recht ärgerlich gewesen: Da sich das Menü links befindet, ist es vor allem am Anfang mehrere Male dazu gekommen, dass mein Handballen aus Versehen den Modus verstellt hat. Zum Glück lässt sich das Menü in den Einstellungen woanders hinverfrachten…Eigentlich wäre Lecture Notes ja meine App der Träume. Mein Enkomion halte ich an dieser Stelle kurz, denn das gab’s schon mal hier. Das Programm kommt vom Design her etwas altbacken daher, hat’s aber faustdick hinter den Ohren. Allein die Anzahl der Einstellungsmöglichkeiten ist schwindelerregend. Hardware Styli werden unterstützt, Palm Rejection ist einschaltbar, Scrolling und Annotieren von PDFs ist gleichzeitig möglich, Menüs sind individuell zu- und wegschaltbar – eigentlich ein Traum. Gäbe es hier nur nicht ein Manko, das mir leider die Stimmung etwas verhagelt: Will man aus Evernote PDFs mit Lecture Notes öffnen, gibt’s nur eine Fehlermeldung. Selbst wenn man die Evernote-Notizen auf sein Tablet runterlädt, geht das Öffnen von PDFs schief. Lecture Notes will zum Importieren und Öffnen von derartigen Dateien eine lokale Version irgendwo in einem Verzeichnis, nicht einfache irgendwo als Anhang. Schade 🙁
Der RepliGo Reader kann definitiv mehr, als der Name vermuten lässt. Das einfach Lesen ist eigentlich nur eine Nebenfunktion. Wer mit dem Ding PDF-Dateien öffnet, hat ein starkes Tool an der Hand, mit dem man eigentlich alles machen kann. Unterstreichen, durchstreichen, Kommentare anfügen, Pfeile und Linien einsetzen, selbst ein virtueller Textmarker ist an Bord, um entsprechende Passagen in gespenstisches Neongelb zu hüllen. Und zum Schluss gibt’s auch eine Freehand-Funktion, die man als eine Art Schreibmodus sehen kann. Funktioniert eigentlich auch, allerdings gelangt man in den erst über ein Menü. Zoomen ist dann nicht mehr möglich. Es sei denn, man bestätigt seine Eingabe mithilfe eines Klicks. Ärgerlich: Dank fehlender Palm Rejection zieht man mit dem Handballen beim Schreiben blöde Striche quer über das Dokument. Hat was von moderner Kunst, aber leider nicht von schönem Schriftbild…
Fazit: So eine richtige eierlegende Wollmichsau gibt es unter den PDF-Apps leider nicht. Jedes hat seine Stärken und Schwächen, aber ein Programm, dass wirklich intuitiv und schnell von der Hand geht, gibt’s leider noch nicht. Oder muss erst noch geschrieben werden. Da der Support all dieser Apps aber recht zuverlässig ist, kann es ja sein, dass einer der Mitstreiter früher oder später meine Desiderate in eine der kommenden Versionen einbaut. Zahlreiche Lehrer werden es euch danken!
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Software für den Unterricht (Folge 2): Dropsync
Da ich ja mit Lecture Notes schon seit geraumer Zeit sehr begeistert arbeite (Enkomion siehe hier), hat sich in der Zwischenzeit ganz schön was in meinen virutellen Heften angesammelt. Bilder, Notizen, Statistiken, mehrere Layer von Unterstreichungen, Pfeilen und Kritzeleien – da kommt ganz schön was zusammen. Da kommt zwangsläufig die Frage auf, wohin mit den Daten, wenn man irgendwann auf ein anderes Tablet umzieht. Oder das gute Ding das Zeitliche segnet (God forbid!). Die Jungs von Lecture Notes hatten wohl ähnliche apokalyptische Gedanken und haben ihre App deshalb mit einer Evernote-Export-Funktion gesegnet. Aber ich will meine oscarverdächtigen Unterrichtsnotizen nicht irgendwo als Fußnote an einer von Millionen Evernotes hängen haben. Echte Synchronisation – das wär’s.
Und das gibt’s jetzt auch! Dank Dropsync. Ein kleiner Dienst, der immer dafür sorgt, dass meine weltbewegenden Gedanken sicher mit Dropbox synchronisiert werden. Die Installation ist denkbar einfach: Nach dem Download gibt man dem Programm einfach das Verzeichnis der App an, die man gesichert haben will (siehe unten: Local), erschafft auf seinem Dropbox-Konto über Dropsync ein Backup-Verzeichnis (Dropbox) und los geht’s.Bei der Synchronisierungsmethode ist neben “upload only” auch “Two-way” möglich. Dann wird zwischen unterschiedlichen Geräten hoch- und runtergeladen. Da ich “Lecture Notes” aber ausschließlich auf meinem Tablet benutze, ist das im Moment noch nicht nötig.
In der Grundausstattung ist Dropsync komplett kostenlos und verrichtet prima seinen Dienst – solange man nur ein App-Verzeichnis synchronisiert. Wer sein gesamtes Tablet-Gedächtnis über die App nach Dropbox schaufeln möchte, zahlt 5€ und der Kas ist bissn, wie man hier so schön sagt. Dann darf man sogar Dateien hochladen, die größer als 8MB sind.
Update 2015:Mit dem Update auf Android 4.4 zieht man sich nicht nur jede Menge nützlicher Zusatzfunktionen auf sein Gerät, sondern leider auch noch eine Systembeschränkung, die das Arbeiten mit Dropsync fast völlig zum Erliegen bringt. Wer – wie ich – seine Fotos und Videos gerne auf einer externen SD-Karte auslagert, um sein System frei von Ballast zu halten, erlebt seit 4.4 sein blaues Wunder. In einer mir nicht ganz nachvollziehbaren Erklärung hat Google den Zugriff auf Speicherkarten stark beschränkt. Das Speichern von Dateien durch Programme ist auf SD-Karten seit Neuestem nur in einem separaten, durch das System ausgewiesenen Unterordner möglich. Musik, Fotos, Videos und Backup-Dateien können damit nicht mehr einfach irgendwo auf der Karte synchronisiert werden. Man muss sich schlau machen, in welchem Verzeichnis das möglich ist. Ansonsten ist nur das Hochladen von Dateien in Dropbox möglich, nicht aber das Herunterladen. Der Hersteller MetaCtrl hat mittlerweile reagiert und bietet für Dropsync ein Workaround an – nur schlägt das bei Samsung-Smartphones nicht an. Sehr ärgerlich!
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Killerweek with topping: Lehrprobe
Uff, war das eine Woche. So kurz vor Notenschluss zieht das System noch mal alle Register, um einen das Fürchten zu lehren. Hätte ich nicht schon meine krankheitsbedingte Auszeit gehabt – ich schwöre, ich wäre nach dieser Woche flachgelegen. Was war also los? Eigentlich alles! In meiner achten Klasse habe ich eine Lateinschulaufgabe (25 Arbeiten) geschrieben (mit Leichen, aber dieses Mal nur eine!), eine weitere in Englisch (28 Arbeiten) korrigiert und rausgegeben. Dann bekam ich die Kurzarbeit meines Zweigschulreferendars zur Durchsicht (27 Arbeiten), dann die Schulaufgabe meiner Referendarin aus dem Unterseminar (29 Arbeiten) (Junglehrern kann man schon mal zwei Refis geben, die sind ja belastungsfähig), zwischendrin ein abschließender Besuch beim Arzt wegen Blutabnahme und Überprüfung der Lungenfunktion, heute morgen dann auch noch ein Unterrichtsbesuch vom Chef. Und als wäre das nicht genug, hatte ich heute auch noch eine Lehrprobe zu besuchen. Zum ersten Mal in meiner Karriere. Furchtbar.
Es ist schon verwunderlich, wie mich solche Situationen wieder aufwühlen – selbst wenn ich eigentlich nur unbeteiligt hinten in der Kommission rumsitzen musste. Aber es genügen schon ein paar kleine Details, und ich durchlebe wieder mein eigenes Referendariat. Das hat gestern angefangen, als ich von meiner Referendarin den Entwurf für die Lehrprobe ins Fach bekam. 22 Seiten, schön gelayoutet, ordentlich abgeheftet, dazu unzählige Anlagen und Tafelbilder, wie sie in der Stunde vorkommen sollen. Dann aber die Ernüchterung, als ich den Entwurf las. Rechtschreibfehler überall, teilweise fehlte den Sätzen ein Verb, oder es gab krasse Inkonsequenzen in den Formalia, die Unterrichtsphasen waren teilweise mit Methoden vollgekleistert, die man nach dem Ref nie wieder anrührt, fachliche Fehler… und dann sitzt man 12 Stunden später in eben jener Stunde. Man merkt, wie sich mein Schützling da draußen abmüht, um ihr Bestes zu geben. Poster an den Wänden, riesige Formplakate, Realien noch und nöcher, liebevoll gelayoutete Folien. Auf der anderen Seite aber diese durch und durch spürbare Künstlichkeit der Stunde, derer sich jeder im Raum bewusst ist: Die Schüler, die Referendarin, wir. Dieser immense Aufwand, für ein Grammatikphänomen im Lateinischen, das die Hälfte der Schüler wohl ohnehin instinktiv richtig machen würde, der ständig spürbare Zeitdruck, der das Einhalten der Unterrichtsphasen gnadenlos einfordert. Dann ein Standbild, szenisches Darstellen. Die Schüler sollen einen Ausdruck gestisch und mimisch vor der Klasse an der Tafel darstellen. Das Spektakel ist allen Beteiligten irgendwie peinlich. Vor allem mir. Ich kenne das, diese schüleraktivierenden Methoden, mit denen man den emotionalen Zugang zur Materie ermöglichen will. Aber emotional ist in dieser Situation nichts. Die Schüler stehen unmotiviert draußen, wissen nicht so wirklich, was sie darstellen sollen. Wie mir mein Schützling hinterher erzählt, hatte sie diese Methode mit den Kindern nie einstudiert. Kapitalfehler. Ich leide mit. Vor allem als gegen Ende noch die Zeit ausgeht. Aber anstatt sich kurz zu fassen, wird das Tempo immer schneller. In den letzten zwei Minuten werden die Kinder mit Bildern und Texten geradezu bombardiert, damit sie alles unterbringt. Nützt aber alles nichts. Der Gong ertönt. Die Stunde ist noch nicht vorbei. Keine Hausaufgabe gestellt. In meiner Seminarschule wäre das ein absolutes K.O.-Kriterium gewesen. Alles, was nach dem Gong passiert, wäre nicht mehr in die Bewertung eingegangen. Zum Glück ist das hier offensichtlich anders. Brav wird noch fertig gearbeitet, die Hausaufgabe an der Tafel fixiert, verabschiedet. Schluss.
Machen wir’s kurz: Am Ende wurde es gerade noch eine Drei. Die Referendarin ist sichtlich erleichtert, hatte wohl auch – ebenso wie ich übrigens – mit durchaus anderen Zensuren gerechnet. Hinterher nehme ich sie zur Seite, frage sie, warum sie den Prüfungsentwurf nicht gegenlesen hat lassen, warum sie die Stunde mit mir nicht mal vorbesprochen hat. So hätte man wirklich ein paar Probleme aus der Welt schaffen können. Ihre Begründung: Sie wollte Stärke beweisen und zeigen, dass sie das alles alleine bewerkstelligen könne. Schlimm eigentlich… Das Fräulein ist gerade mal seit Februar in dem System drin und hat bereits die Einzelkämpfer-Mentalität angenommen, die 20 Jahre später geradewegs ins Burn-Out treibt. Lehrer aller Fächer, vereinigt euch!Hast du eine Meinung dazu? Dann hinterlasse einen Kommentar oder eine Wertung.0 -
Hardware für den Unterricht (Folge 2): Wacom Bamboo
Wenn ich über das Referendariat etwas gelernt habe, dann ist das Zeichnen. Kein Witz. Aber für einen Sprachenlehrer, der regelmäßig in Unterstufen eingesetzt wird, ist diese Fähigkeit essentiell, wenn es um das Vokabellernen geht. Dank meiner Vokabelfolien verfüge ich jetzt über ein umfangreiches Repertoire an digitalen Zeichnungen, die ich jederzeit wieder rausholen für meine Zwecke neu verwenden kann. Das Erstellen solcher Zeichnungen, war bis jetzt allerdings immer etwas umständlich. Der klassische Weg war bislang: auf einem Blatt mit Bleistift vorskizzieren, mit dünnem kräftigen Farbstift nachfahren, trockenen lassen, Bleifstiftskizzierung wegradieren, damit nur noch der Stabilo zu sehen ist, einscannen, in der Bildbearbeitung das eine oder andere anpassen (Kontrast, Helligkeit, Entfernen von Artefakten) ins Dokument einfügen.
Irgendwann war mir das zu blöd. Und so holte ich mir etwas ins Haus, von dem ich nie dachte, es jemals in irgendeiner Weise nutzen zu müssen: Ein Grafik-Tablet. Nach der Installation kann man mithilfe des mitgelieferten Stylus sofort im Bildbearbeitungsprogramm seiner Wahl loslegen. Ich hab mich über Jahre mit dem Gimp sehr angefreundet. Und hier lassen sich Tablet, Stift und dessen Treiber ganz schnell einbinden, sodass auch Parameter wie Druck auf die Miene registriert und entsprechend umgesetzt werden. Am Anfang ist das Arbeiten mit so einem Ding etwas ungewohnt. Aber mit ein bisschen Übung bekommt man schnell wirklich präsentable Ergebnisse hin. Vor allem zu Beginn ist das Arbeiten mit der einen oder anderen Vorlage Gold wert: Man lädt sich ein Bild in Gimp oder Photoshop, das man im Internet gefunden hat und schon in eine gewisse Richtung geht, legt eine Ebene über das Bild und beginnt die Teile nachzuzeichnen, die unverändert bleiben sollen. Anschließend fügt man seine eigenen Elemente hinzu und verleiht dem Kritzelkratzel mit ein paar hinzugefügten Schatten und einem neuen Background-Layer einen neuen Touch. So wurden bei mir aus einer regulären Clipart-Cartoon-Ente zwei aufgeregt schnatternde Gänse, die den Ansturm der Gallier auf das Capitol verhindert haben. Und das in einem Minimum an Zeit (ca. 15 Minuten Arbeitsaufwand). Die linke Gans ist übrigens eine gespiegelte Version des Originals mit ein paar Abänderungen.
So im Nachhinein betrachtet hätte es beim Bamboo-Tablet nicht gleich die M-Variante sein müssen. Die Din/A5-Version, die es um knapp die Hälfte billiger zu kaufen gibt, hätte locker gereicht. Besonders fein: Wacom gibt Lehrern gegen Vorlage eines entsprechenden Nachweises 15% Preisnachlass.
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Edutainment mit Abstrichen: Liebeserklärung an "Assassin's Creed Brotherhood"
Ich bin einer der wenigen Lehrer, die mit dem Ausdruck “Videospiel” nicht sofort “Amoklauf” verbinden. Wieso auch? Im Gegensatz zu vielen Kollegen oder Politikern, die meinen, etwas zum Thema beitragen zu müssen, hab ich ganz gut Ahnung von der Chose. Ich bin nicht nur in der glücklichen Lage, mit diesem wunderbaren Medium aufgewachsen zu sein, sondern auch im Studium als freier Redakteur bei einer Videospielzeitschrift mitgearbeitet zu haben. In dieser Zeit lernt man vor allem eins: Videospiele als Kunstform zu begreifen. Wie Filme, wie Bücher, wie Gemälde wollen Videospiele eine Geschichte erzählen, das Publikum fesseln und in andere Welten entführen. Und das geht – wie bei jedem anderen Medium – auf völlig unterschiedliche Weise. Mal geht’s böse zur Sache, mal ist’s lauschig, mal ist’s banal, mal ist’s kurzweilig, mal ein Griff ins Klo. Und manchmal kommen die Blockbuster, die einen einfach nur umpusten. Für mich passt die Assassin’s Creed-Serie genau in diese Kategorie. Sie ist die perfekte Versoftung eines Dan Brown-Romans. Verschwörungstheorie meets Historizität, gepaart mit ein bisschen Verdrehen der Fakten – natürlich alles im Namen der Kunst. So schlüpft in der Assassin’s Creed-Serie der Spieler in die Rolle eines Attentäters der Assassinen-Sekte, die sich um die Jahrtausendwende vor allem in Syrien (und Persien) als Splittergruppe der Ismailiten formiert hatte und von einem Meister angeleitet wurde, den die Quellen “den Alten vom Berge” nennen. Ziel der Assassinen war es, politische Gegner, die der Sekte und ihren Ansichten feindlich gesonnen waren, mit gezielten Attentaten aus dem Weg zu räumen. Und so wird’s auch in Assassin’s Creed erzählt. Dabei hält man sich in der Serie zu Beginn recht nah an die historischen Fakten. Städte wie Akkon oder Petra sind ebenso im Spiel erstaunlich akkurat wie die Erwähnung tatsächlicher Opfer der Assassinen (so z.B. Conrad von Montferrat). Ab Teil 2 wird’s dann allerdings etwas unglaubwürdig, da sich hier das gesamte Geschehen in Norditalien in der Renaissance-Zeit abspielt – und da war die Assassinensekte schon längst zerschlagen worden. Teil 2.5 (Brotherhood) entführt den Spieler in der Rolle des Assassinen Ezio Auditore da Firenze ins Rom des 16. Jahrhunderts. Einem Lateinlehrer geht bei solchen vollmundigen Ankündigungen auf der Spielepackung natürlich sofort das Herz auf. Aber erst richtig stand mir der Mund offen, als ich im Spiel auf einmal auf dem Forum Romanum stand. Jedes, aber auch wirklich jedes Gebäude ist erkennbar und aufwendig nachgebaut. Man findet sich sofort zurecht: Hier der Saturn-Tempel, da der Bogen von Septimius Severus, die Überreste der Maxentius-Basilika. Und nicht weit entfernt ragt das Kolosseum in den nächtlichen Himmel. Schöner sah das virtuelle Rom noch nie aus. Da kann jede Animation vom History Channel einpacken. Natürlich muss man bei der Authentizität Abstriche machen.
Daher muss man sich nicht wundern, wenn das Kolosseum kugelrund ist und nicht elliptisch wie das Original, oder am Septimius Severus-Bogen eine Weihschrift prangt, die an Kaiser Trajan gerichtet ist und vom Trajan-Bogen in Benevent stammt (Das Bauwerk sieht eher aus wie ein großgezogener Konstantinbogen, siehe Abbildung). Aber mal ehrlich: Das Spiel ist ja auch nicht für Lateinlehrer gemacht. Aber auch die haben an Assassin’s Creed Brotherhood einen Heidenspaß. Wie ein Derwisch zwischen den alten Ruinen herumzukraxeln, den virtuellen Grillen nachts beim Zirpen zuhören oder mit klopfendem Herzen vor dem Pantheon zu stehen – das hat mich richtig mitgerissen. Mehr als ein gutes Buch, mehr als ein Film. Also, liebe Ignoranten: wenn das keine Kunst ist, Leute, was ist es dann?
Wer sich mal einen Eindruck von der Schönheit und der Detailliebe machen möchte, dem sei diese Führung hier empfohlen. Ist natürlich jetzt keine architektonische Abhandlung, gibt aber einen Überblick über die großen Bauwerke der ewigen Stadt – und ihren virtuellen Pendants:Dieses Video auf YouTube ansehen.
Die Verbindung zu YouTube wird erst bei einem Klick auf den Screenshot hergestellt.Hast du eine Meinung dazu? Dann hinterlasse einen Kommentar oder eine Wertung.0 -
Unterricht 2.0 – Zweiter Akt: Erstes Feintuning
So, zweite Runde. Ich hatte ja versprochen, meine Hausaufgaben zu machen. Und das habe ich – zumindest so gut es geht. Mein Erstexperiment mit Evernote verlief in der ersten Stunde noch mit gemischten Gefühlen – größtenteils, weil ich mit der Technik noch ein bisschen zu kämpfen hatte. Es ist halt eine Gewöhnungssache. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass die Handhabung einfacher ist, je öfter und routinierter man alles durchführt. Und das hab ich heute auch gemerkt. Deutlich. Erstmal ganz grundsätzlich fällt mir bei der Schülerschaft was auf: Mein Tablet ist für die Klassen mittlerweile genauso ein Gegenstand wie mein Notenbuch oder meine Schultasche. Keine Trauben von Jungs, die sich neugierig um meine Neuerwerbung scharen oder mir erzählen, dass Papa The New iPad hat (ich klopfe ihnen dann immer auf die Schulter und bemitleide sie, was sie völlig verstört 😉 ). Daher kann ich all jene beruhigen, die vor neuen Medien unter anderem deswegen zurückschrecken, weil für einige Schüler das Gerät viel interessanter ist als der eigentliche Zweck, wofür es im Unterricht steht. Das legt sich nach ein paar Stunden. Sicht- und vor allem auch hörbar.
Zur Stunde: Auch dieses Mal eine relativ normale Stunde mit meinem üblichen Stundenkreuz. Statt eines Bildes sind heute vor allem unterschiedliche Arbeitsblätter und Abbildungen an der Notiz dran, die ich alle ins PDF-Format konvertiert hatte. Damit habe ich den riesigen Vorteil, die Dateien direkt aus Evernote heraus zu öffnen und mithilfe meines Stifts und LectureNotes darin rumzumalen, als sei es eine Folie auf einem OHP. Nur ohne Schmutzflecken, Unschärfe und Gestank um mich herum, weil die Projektor-Lüftung mal wieder den Duft aus dem Baujahr 1974 im Zimmer verströmt…
Durchführung: So war zumindest der Plan. Wenn sich dann nicht auf einmal folgende lustige Fehlermeldung ergeben hätte:Na toll. Dabei sind die PDF-Dateien sogar stored locally bei mir, nämlich auf dem Speicher vom Tablet. Nur halt in Evernote. Zählt scheinbar nicht. Ärgerlich. Zum Glück hat das Flyer noch einen vorinstallierten PDF-Reader mit an Bord, mit dem man auch wunderbar herumschmieren kann. Völlig verrückt: Ist das Tablet horizontal gelagert, ist die feinste Schreiblinie, die man im Menü auswählen kann, fett wie ein Edding. Damit meine von Haus aus recht kleine Schrift überhaupt lesbar ist, muss ich beim Schreiben die Buchstaben monströs aufplustern, was dann wieder zu ersten Platzproblemen führt. Schrecklich ungewohnt. Aber – und jetzt kommt’s: Stell ich das Tablet vertikal, ist die Linie genauso fein, wie ich sie haben möchte. Schaut selbst: Wie ist denn sowas möglich? So lief’s zumindest erstaunlich gut. Durch die Klasse ging ob der streng verbesserten Übersichtlichkeit (vor allem das Zoomen bietet einem ein wirkliches Konzentrieren auf das Wichtige in einer Passage, ohne ständig irgendwas abdecken zu müssen, wie’s bei einem OHP der Fall ist) ein anerkennendes “Oh”. 🙂
Für den Fall dass während der Stunde Notizen notwendig waren, bin ich über einen Multitasking-Button in Lecture Notes gewechselt, wo ich für jede Klasse ein kleines Notizbuch angelegt habe. So kann ich mühelos zwischen den offenen Programmen hin- und herwechseln. Dem ominöse Lag-Problem vom letzten Mal konnte ich nur teilweise auf den Grund gehen. Auch dieses Mal dauerte es hier wieder elend lang, bis die Tastatur erschien – und das, wo der Anhang mit den 3 PDF-Dateien gerade mal 200KB umfasst und nicht 8MB wie das letzte Mal. Ich hatte erst Swiftkey im Verdacht, weil ich auf meinem Flyer die Smartphone-Version laufen hab. Probeweise habe ich mir jetzt die Trial-Version der Tablet-Variante gekauft, und siehe da, es läuft deutlich schneller, aber noch nicht schnell genug. Es gibt also noch Potenzial zur Verbesserung. Aber für die ersten Schritte läuft es eigentlich schon erstaunlich rund…
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Heilig, heilig, heilig…
Jeder, der in der Mittelstufe mal vor einer Lateinklasse stand, kennt das: Langweiliger Stoff meets gelangweilte Klasse. Zumindest unser Lateinbuch scheint in der Disziplin “Gähn” Spitzenplätze zu belegen. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich dort in erschreckender Weise Kapitel zum Thema Kirche und Religion tummeln, bei denen von Jahr zu Jahr immer mehr die Augen im Klassenzimmer gerollt werden. Über mehrere Seiten werden dort Bibelgeschichten und Heiligenlegenden ausgewälzt, die in der Grundschule noch Anklang gefunden hätten. Aber in der Welt eines pubertätsgebeutelten Jugendlichen rangiert der verlorene Sohn, oder der heilige Georg, der auszieht, um einen Drachen zu töten, irgendwo auf der Rangliste zwischen Zimmer-Aufräumen und dem Erledigen einer Steuererklärung. Sicher, die Auseinandersetzung mit der Bibel im Lateinunterricht ist sinnvoll.
Immerhin handelt es sich hierbei um das weitverbreitetste Buch in lateinischer Sprache überhaupt. Aber müssen es ausgerechnet die schon längst bekannten Stories sein? Vor allem bei den Heiligenlegenden gibt’sauch für Erwachsene noch echt interessante, weil schauerliche Geschichten zu entdecken. Und seit ich da im Mittelalter etwas stöbern war, sieht’s mit der Motivation wieder deutlich besser aus. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass Gesichtspuder einen Patron hat? Oder Gartenfallobst? Selbst der Feierabend ist vielen so heilig, dass Notburga von Rattenberg ihn schützen muss. Für die Schüler (wie auch für mich) war so etwas ein absolutes Erweckungserlebnis. Vor allem aber die Heiligendarstellungen hatten es uns irgendwann angetan. Denn die lassen sich als super Aufhänger nutzen, um auf die jeweilige Lebensgeschichte zu spekulieren. Denn ebenso wie antike Götter sind die Heiligen immer an Attributen erkennbar, die einen Hinweis auf ihre (Leidens-)geschichte geben. Warum hat beispielsweise diese Dame einen Becher in der Hand, der scheinbar sehen kann? Weil’s sich hier um die heilige Lucia handelt, die ungerechtfertigter Weise von ihrem eigenen Ehemann angeklagt wurde und schließlich ein Schwert in den Hals gestoßen bekam. Aber um zu zeigen, dass ihr das nichts ausmacht, hat sich Madame kurzerhand auch noch die Augen rausgerissen. Die heilige Mutter fand das so beeindruckend, dass sie ihr neue Augen schenkte. Wieder was gelernt! Und jetzt guten Appetit!
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