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Die neue Riege

Wenn man so die ersten Jahre als Lehrer hinter sich hat und die ersten Jahrgänge zum Abitur führt, geht es so langsam los mit den Wiederholungseffekten. Nicht nur, dass man die Lehrbücher irgendwann auswendig kennt und schon zwei Wochen vorher angesichts der drohenden Lektion mit den Augen rollt. Auch die Typen der Schüler beginnen sich ein bisschen zu wiederholen. Nicht nur im Aussehen, sondern auch in der Stimme, im Schriftbild oder den Gesten. Aber keiner meiner Schüler war jemals so wie der kleine Johnny in meiner neuen fünften Klasse. Er ist völlig anders als die anderen.
Mit gerade mal acht Jahren ist er der absolut Jüngste in der Klasse. Mit seinen Beinen reicht er auf dem Stuhl sitzend noch nicht mal ansatzweise zum Boden und lässt sie munter in der Luft baumeln. Wenn er sich besonders wohlfühlt, hockt er sich in Kauerstellung auf die Sitzfläche verschränkt die Arme vor dem Gesicht und schaut listig darunter hervor. Er gibt kluge Antworten, keine Frage, aber jedes Mal hat man das Gefühl mit einem anderen Kind zu reden. Er spricht jedes Mal mit verstellter Stimme, verstelltem Akzent. Mal mit fiepsiger Fistelstimme, dann mit vermeintlich männlich sonoren Brustton. Hat er Material zu Hause vergessen, behauptet er eisern und mit verschwörerischer Miene, er wollte sein Lateinheft in der Frühe wecken, aber es hat einfach weitergeschlafen. Und da er es in einem Gnadenakt kurzerhand zuhause gelassen. Wie kann man da böse sein?
Der Höhepunkt folgte letzte Woche, als ich krankheitsbedingt für zwei Tage ausfiel und der Klasse halb gesundet am Mittwoch die Türe zur ersten Stunde aufsperrte. ZACK! kam der Kleine mit einem Freudenschrei auf mich zugestürmt und umklammerte freudestrahlend mein Bein.
Wenn sie doch nur immer so blieben 🙂

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