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Aus is’! Über Abiturfeiern

avatarAbifeiern sind schon ein komisches Ereignis. Zumindest für mich. Eigentlich sollte das bestandene Abitur einen Grund zur Freude darstellen. Aber zu der gesellt sich immer ein gehöriges Portiönchen Wehmut. Oftmals sogar Tränen. Oder Frust. Egal, bei welcher Gruppe der Beteiligten.
Unsere Abifeiern an der Schule sind schon seit Jahren ein Großereignis. Dank des nimmermüden Einsatzes eines tatkräftigen Elternbeirats haben wir jedes Jahr das Privileg, die Feier in einer größeren Location in Münchens Innenstadt veranstalten zu dürfen. Chalets, Biergärten, Wirtshäuser, Bräukeller… we had it all. Die Zeugnisübergabe ist nicht minder gewaltig. Jeder Schüler bekommt zu seiner persönlich gewählten Einzugsmelodie über einen roten Teppich nach vorne ans Pult, um freudestrahlend sein Abiturzeugnis vom Direktor entgegenzunehmen. Anschließend werden die besten des Jahrgangs mit jeweils einer individuellen Laudatio des Chefs bedacht. Es folgen Abiturrede, Rede der Preisträger, Rede des Kollegiatenjahrgangs, anschließend die Feierlichkeiten, die bei einem Drei-Gänge-Menü (und dieses Jahr bei 32 Grad Raumtemperatur) ihren Lauf nehmen, gefolgt von einer Party mit oldie-tauglicher Musik (also für so Oldies wie mich).
Ich mag unsere Feiern. Es ist vielleicht ein bisschen zu viel Brimborium, zu viel Tamtam, zu viel Tralala. Aber nach der ganzen Arbeit haben sich das die Schülerinnen und Schüler auch sehr wohl verdient. Trotz allem haftet den Abiturfeiern immer ein gewisses Etwas an, das ich schwer in Worte fassen kann. Es ist eine gewisse Scheinheiligkeit. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.  In den Abschlussreden werden die letzten zwei oder gar acht Jahre in höchsten Tönen gelobt:

  • Die Kollegiaten? Fantastisch und reif. Dabei weiß man ganz genau, dass man sich in drei Wochen nach dem Abistreich wieder fragt, ob das Abitur tatsächlich ein “Reifezeugnis” darstellen kann, wenn ein paar schwarze Schafe alkoholisiert wieder über das Ziel hinausschießen und alles eskalieren lassen.
  • Die Schule? Angeblich makellos. Dabei steht in der Abizeitung ein paar Stunden später doch eine derbe Richtigstellung, die natürlich jeder lesen und mitbekommen wird. Konsequenzen wird es keine geben – weder für die Schmierfinken, die sich verbrochen haben, noch für die Schule, die die Kritik vielleicht produktiv nutzen könnte, um Defizite zu stopfen. Es gehört einfach dazu, sich gegenseitig ein bisschen hochzunehmen. Wasch mich, aber mach mich nicht nass.
  • Die Stimmung nach dem Abi? Angeblich euphorisch. Aber keine drei Stunden später habe ich vier weinende Erwachsene neben mir, die mit der neu gewonnen Freiheit überhaupt nicht umgehen können und mir gestehen, panische Angst vor dem zu haben, was jetzt kommt. Die Schule. Ja, sie hat enge Regeln, ein steifes Korsett, das vielen vor allem in der Oberstufe auf der Suche nach Individualität zunehmend die Luft abdrückt. Aber sie gibt auch Regelmäßigkeit vor. Rituale. Struktur. Ein Zuhause.

Es braucht ein paar Jahre, bis man diesen Eindruck von Abifeiern gewinnt. Am Anfang lässt man auch sich von der pompösen Atmosphäre des Ereignisses mitreißen. Aber mit der Zeit schleicht sich zunehmend das Gefühl ein, hier einfach Zuschauer in einem großen Schauspiel zu sein, das zum Abschluss keine wirkliche Kritik zulässt, die beiden Seiten eigentlich viel helfen könnte. Schade um die Chance!

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7 Comments

  • Hauptschulblues

    “Aber keine drei Stunden später habe ich vier weinende Erwachsene neben mir, die mit der neu gewonnen Freiheit überhaupt nicht umgehen können und mir gestehen, panische Angst vor dem zu haben, was jetzt kommt. Die Schule. Ja, sie hat enge Regeln, ein steifes Korsett, das vielen vor allem in der Oberstufe auf der Suche nach Individualität zunehmend die Luft abdrückt. Aber sie gibt auch Regelmäßigkeit vor. Rituale. Struktur. Ein Zuhause.”
    Was glauben Sie, wie es unseren SchülerInnen geht, die erst 15 oder 16 Jahre alt sind, wenn sie gehen müssen?
    Ansonsten haben Sie recht, was den Ablauf dieser Feiern betrifft.
    Ich wollte das als Schüler selbst nicht, unsere Freundesgruppe hatte so eine Feier verhindert und uns wäre fast das Abizeugnis aberkannt geworden (war damals alles noch möglich; die Prügelstrafe an bayerischen Schulen wurde erst zum Schuljahr 1970/71 abgeschafft).
    Kritik von beiden Seiten wäre oft wohltuend.

  • lilohenner

    Oho, das ist bei euch wahrlich ein anderes Ereignis als bei uns!!!
    Erst eine Abifeier fand ich gelungen – ich gehe schon gar nicht mehr gerne hin. Jedes Jahr sagen die Schüler aus der Kursstufe I: “Mann, das war öde, das machen wir nächstes Jahr besser.” Nur um es ein Jahr später genauso öde zu machen und genausoviel Stress hinterher weger der Alkoholexzesse nach Mitternacht zu bekommen. Seit die Schüler die Feierlichkeiten allein organisieren müssen, ist es… naja… bescheiden. Ihnen fehlen gute Vorbilder. Was bei euch ein bisschen übertrieben ist, versinkt bei uns im üblichen Bierzeltamüsement. Das ist das, was die Kinderleins kennen.

    • tinatainmentia

      Wirklich? Das klingt ja schade. Bei uns muss der Jahrgang schon immer selbst seinen Ball organisieren, auch das Geld dafür auftreiben, die Location suchen usw. Es wird meist ein großer Saal gemietet, wie es auch bei Hochzeiten oder eben sonstigen Bällen üblich ist, und alles von der Stufe organisiert. Es ist sicherlich nicht so pompös, dass es mit einer großen Münchner Location mithalten könnte 😉 , aber auch nicht komplett abgedroschen oder übers Ziel hinaus (Alkoholexzesse gibt es allenfalls auf der Afterparty in einer eigenen Location und in der Regel ohne Familie und Lehrer, aber nicht auf dem Ball selbst). Hat schon was von einem anständigen “prom”, nur eben nicht in der Sporthalle/Aula/whatever der Schule, sondern in einem festlichen Saal, dessen Miete meistens einen vierstelligen Betrag hat… (hätte jetzt irgendwie auch nicht sein müssen, aber gut 😉 )
      In den anderen Punkten bzgl. Reden, Abizeitung und derlei kann ich das auch für meinen Jahrgang so bestätigen. Leider.

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