Das neue Jahr startet in Bayern mit einer Extremsituation. Und ausnahmsweise hat sie nichts mit außerplanmäßigen Zuständen einer Pandemie zu tun. Sondern mit regelmäßigen. Die so genannte Regelbeurteilung steht an, die in Bayern alle vier Jahre in die Fächer der Lehrkräfte wandert. Quasi ein Zeugnis für uns. In ihr kommt alles zur Sprache, was seit der letzten Beurteilung so geleistet wurde: Unterrichtsplanung und -qualität, die in Stundenbesuchen durch die Schulleitung bezeugt wurde, Kooperation, Wahrnehmung übertragener schulischer Funktionen, außerunterrichtliche Aktivitäten, Sachkompetenz, Fachkompetenz, Erziehungskompetenz – alles ist (hoffentlich) berücksichtigt und gebührend in einem von sieben Prädikaten bewertet – nicht in Noten.
Es gibt Leistung von herausragender Qualität (HQ), eine, die besonders gut erfüllt ist (BG), die die Anforderungen übersteigt (UB), den Anforderungen voll entspricht (VE), in hohem Maße gerecht wird (HM), die Mängel aufweist (MA) oder die insgesamt unzureichend ist (IU). Aber unter der Hand spricht man natürlich von Noten. Frau Müller hat kein UB, sondern eine drei. Herr Sachs eine vier. Aber davon bekommt in der Regel niemand was mit. Denn die Beurteilungen werden gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Selbst Freunde sind sehr vorsichtig beim Ausplaudern der schriftlichen Würdigung – aus Angst, dass man sein Gegenüber verletzt, das schlechter weggekommen ist.
Schon verrückt, wenn man bedenkt, dass das Beurteilen von Leistungen zu unserem Alltagsgeschäft gehört und wir eine gewisse Professionalität an den Tag legen müssten, wenn es um unsere eigene Leistung geht. Stattdessen benehmen wir uns wie Fünftklässler, die ihre Schulaufgabe bei der Herausgabe angsterfüllt an sich reißen und sofort in die Mappe stecken, damit keiner die Zensur mitbekommt. Souverän geht anders.
6 Comments
vilsrip
Gern gelesen – und entspannt! (Dieses Jahr keine Beurteilung mehr, aus Gründen.)
herrmess
Wohlverdient! Was gäbe es auch bei dir zu verbessern? 😊
vilsrip
🙈😊🥂🙌
Hauptschulblues
Wir an der Schule hatten die Beurteilungen offen gelegt, wir hatten uns ja auch gegenseitig im Unterricht besucht. Ja, wir waren die kleine rebellische Schule im Münchner Westen …
N. Aunyn
Zu meiner Schulzeit hatte ich ab der Mittelstufe bei der Zeugnisausgabe regelmäßig die Phantasie, daß wir Schüler den Lehrern auch Zeugnisse ausstellen sollten.
herrmess
Also eine meiner ersten Fünften hat das damals auch tatsächlich gemacht. Zum Glück kam ich gut weg 😁