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Blue Sky vs. Mastodon

Als sei es geplant gewesen, macht zum Start des neuen Schuljahres die Plattform Blue Sky auf einmal ordentlich Reden von sich. Keine Ahnung, was den Massenexodus zur Twitter-Alternative verursacht hat. Denn scheußlich war es bei Twitter ja schon länger. Vielleicht wurde wieder etwas neues Hanebüchenes in die Nutzungsbedingungen geschrieben. Keine Ahnung. Auf jeden Fall hat am Wochenende ein Artikel von Jan-Martin Klinge für ordentlich Furore gesorgt und sowohl auf Blue Sky, als auch X als auch auf Mastodon mit einem Vergleich der Plattformen große Reaktionen losgetreten. Und wieder mal war meine Neugier geweckt.

Ich gebe Plattformen und neuen Technologien gerne eine Chance, mache mir ein eigenes Bild – wohlwissend, dass ich am Ende eventuell wieder an einem Dienst mehr kleben bleibe und sinnlos Zeit und Hirnkapazitäten bei dem Gedanken verschwende, ob diese oder jene Plattform die richtige für mich ist. Und am Ende fahre ich wieder zweigleisig. Also vergleiche ich. Allerdings vorrangig vor dem Aspekt der Handhabung – oder wie die hippen Leute sagen – der usability. Denn ich bin weder Informatiker, der die beiden Architekturen zufriedenstellend durchleuchten kann, noch Missionar, der mit flammendem Schwert die Leute zu dieser oder jener Plattform bekehren möchte. Zudem gibt es Leute wie Nele Hirsch oder Boris Pohler, die zu den beiden Plattformen schon fantastisch fundierte Artikel verfasst haben. Sollte euch also mein Artikel zu seicht sein, gibt’s dort ordentlich Futter zum Nachladen. So I proudly present:

Blue Sky und Mastodon: Ein Vergleich

Anmeldung

In dieser Hinsicht wurde immer gestöhnt, dass Mastodon für den durchschnittlichen User viel zu undurchsichtig war. Einen zentralen Server für den Dienst gibt es nämlich nicht. Man muss sich selbst einen suchen – aus unzähligen Angeboten, die man mit Hilfe einer einfachen Google Search auffinden kann. Dies ist auch bei Blue Sky möglich, wäre also im ersten Schritt ähnlich “undurchsichtig” wie Mastodon. Zumindest bietet Blue Sky bei der Erstanmeldung die Option an, einen alternativen Server zu wählen. Ob diese Option jedoch funktioniert, habe ich nicht ausprobiert. Der Großteil wählt ohnehin den Blue Sky-Server – den man jedoch nur mit Hilfe eines Zugangscodes betreten kann. Dieses exklusive Feature macht für mich den Erstkontakt gefühlt ätzender als bei Mastodon, da man wie vor einem Club auf Einlass warten muss.

Umgekehrt kann der Betreiber damit den Strom der Neuanmeldungen steuern und gezielt Kapazitäten entsprechend der Userzahlen hochfahren – und ganz nebenbei auch ein bisschen die Hypewelle reiten, da viele nur durch Mundpropaganda von der Plattform hören, ohne wirklich Einblick zu bekommen. Die Zuckerberg-Alternative Threads war in dieser Hinsicht etwas tolpatschiger unterwegs, denn die App war für findige Android-User von Anfang an auch in Europa zugänglich – jedoch de facto kaum nutzbar. Man konnte eigentlich nur mitlesen. Aktives Gestalten wurde meistens von Fehlermeldungen begleitet. So war man mittendrin, aber letztlich nie dabei. Oder (um bei der Metapher von vorhin zu bleiben) wie ein Clubgänger, der es hinein schafft, aber nicht auf die Tanzfläche darf. Das macht maximal Unspaß. Und irgendwann geht man.

Aktuell meist gesehener Bildschirm bei Threads

Profileinrichtung

Profil bei Blue Sky

Das ist bei Blue Sky aktuell (Stand Mitte September)… nennen wir es übersichtlich. Man wählt ein Profilfoto, einen Hintergrund, einen Namen für sein Profil, eine Beschreibung und das war’s. Bumm. Anders als bei Twitter gibt es hier noch keine Möglichkeit weiterführende Links oder einen Ort separat unterzubringen. Man muss alles in die Beschreibung quetschen, die irgendwann voll wird und dann weiteres Tippen unterbindet. Da hat Mastodon im Vergleich die Nase vorn. Sogar weit vor dem blauen Vögelchen: Sämtliche oben genannte Kategorien lassen sich dort angeben – und bei Bedarf noch mehr: Unterrichtsfächer, Webseiten, Socials, Wohnort, weitere Links. All dies wandert bei Bedarf in das Profil, das beliebig um weitere Kategorien erweitert werden kann. Mit Hilfe eines kleinen Codeschnipsels lassen sich die Links sogar offiziell verifizieren (ich weiß, das Wort ist seit November 2022 verhasst). Top!

Community-Aufbau

Für viele ist dieses Feature essenziell und entscheidet letztlich über Gedeih und Verderb bei einem sozialen Netzwerk. Da zählt in Mastodon nämlich Handarbeit. Es gibt keinen Algorithmus. Seine entsprechenden Leute muss man sich selbst zusammensuchen. Und die findet man entweder direkt mit Hilfe des Nutzernamens bzw. eines Handle-Links oder man abonniert Hashtags und folgt gezielt den Leuten, die unter diesem Hashtag gute Ideen von sich geben. Im November 2022 existierte in diesem Zusammenhang auch noch die Möglichkeit des Leute-Findens durch den sog. Fedifinder. Dieser zapfte damals den Twitter Handle an und durchsuchte das Fediversum nach entsprechenden Profilen der Twitter-User bei Mastodon. Auf diese Weise ließen sich Hunderte von neuen Menschen in Sekunden in die Timeline spülen. Wurde man jedoch nicht aktiv, blieb und bleibt man in Mastodon allein.

Bei Blue Sky ist das wie von anderen Diensten gewohnt ganz anders: Ein Algorithmus präsentiert von Anfang an Nachrichten von (mehr oder weniger) interessanten Menschen. Je aktiver man wird und selbst nach Leuten sucht, desto präziser werden auch die Vorschläge des Netzwerkes. Allein dieser Punkt ist es, der viele Leute aus dem Twitterlehrerzimmer bewegt, ihr altes Habitat zu verlassen und trotz all der Einschränkungen des noch jungen Mediums Blue Sky als Alternative zu nutzen – auch wenn Mastodon in anderen Bereichen deutlich ausgewogener wirkt.

Verfassen von Nachrichten

In der jetzigen Form ist Blue Sky in diesem Bereich noch ziemlich rudimentär. Nachrichten können geschrieben werden, dazu ist ein Bild im Anhang möglich. Links werden angezeigt. 300 Zeichen sind maximal möglich. Das war es aber dann auch. Hashtags werden nicht farblich hervorgehoben, GIFs kann man nicht anfügen, Umfragen sind nicht möglich, ebenso die Bearbeitung von gesendeten Nachrichten. Es gibt keine DMs. Da muss man sich erfolgsverwöhnt von Twitter dann doch einschränken. Und noch mehr, wenn man von Mastodon kommt.

Weniger ist mehr? Blue Sky

Denn hier lässt sich einiges mit Tröts anfangen. Man kann Geschriebenes bearbeiten, Videos und Bilder anfügen. Umfragen gehen problemlos, Nachrichten lassen sich planen und zu einem festgelegten Zeitpunkt unters Volk bringen. Bis zu 500 Zeichen passen in die Tröts, die man automatisch nach einstellbaren Regeln (Zeitdauer, Anzahl von Likes und Retröts etc.) auch wieder löschen kann, um auf dem hostenden Server Kapazität einzusparen. Das finde ich sehr sympathisch.

Einstellungen satt bei Mastodon

Ankommen

Der Eintritt ins Fediversum ist zu Beginn sehr leer. Man muss selbst aktiv werden und auf Leute zugehen, um sich ein Netzwerk zu bauen. Wenn das aber mal steht, sind dort tolle Leute unterwegs. Insgesamt fühlen sich bei einer User-Zahl von knapp 900 (Stand September 2023) Unterhaltungen deutlich zivilisierter an als ich es bei X/Twitter die letzten Monaten erlebt habe. Im Fediversum finden sich hochkompetente Leute, die mit ihren Meinungen fundiert, gelegentlich aber auch (gefühlt) belehrender und schulmeisterlicher rüberkommen als in anderen Netzwerken. Das wird zumindest immer als Begründung ins Feld geführt, wenn sich Leute gegen Mastodon entscheiden. Das und die angeblich gefühlt geringere Reichtweite. Blue Sky erscheint da seit ein paar Wochen etwas weiter.

Von Anfang an bekommt man ein Angebot serviert. Man buhlt förmlich um die Aufmerksamkeit des Neuankömmlings. Entsprechend akzeptiert fühlt man sich gleich beim ersten Log-In. Vor allem, wenn dort sofort alte Bekannte umherwuseln, von denen es kurz vor Schulbeginn in Bayern nur so wimmelte. Es war fast wie ein Klassentreffen. Ich war keine zwei Stunden online und freute mich ohne großes Zutun über 100 Follower, die man seit dem Weggang von Twitter aus den Augen verloren hatte. Das ist schon putzig. Und der Umgang wird dadurch wieder genauso familiär wie früher, als das Twitterlehrerzimmer noch ein inspirierender Ort der Begegnung war. Aktuell wird noch deutlich mehr geflauscht und gefeixt, als ich es je bei Mastodon erlebt habe. Und das gefällt mir. Ob dieser Anfangsoptimismus aber anhält, bleibt abzuwarten. Threads wurde zu Beginn ganz ähnlich gehyped, mittlerweile ist es um diesen Dienst jedoch wieder sehr still geworden. Ob er in Europa überhaupt noch Fuß fassen kann, sobald sich Blue Sky als Twitter Alternative etabliert hat, ist die Frage. Aber zum Glück keine, die ich beantworten muss. Ich schau mir Blue Sky mal weiter an. Mastodon bleibt aber vorerst mein Ankerpunkt. Vergleich hin oder her.

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