Technik,  Unterricht

Apps im Unterricht (Folge 4): Unlimited Soundboards

avat_schielen_technikAls Kind der 80er Jahre hat man völlig andere Medien lieb gewonnen als es die heutige Generation tut. Während man 2013 alles götzenartig verehrt, was einen angefutterten Apfel auf seiner Rückseite trägt, waren anno 1984 derartige Geräte noch fernste Zukunftsmusik. Fernseher gab es nur im Wohnzimmer, Computer waren erst Jahre später salonfähig (bei mir erst am 1995). So musste sich der Mini-Mess damit begnügen, was ihm Nikolaus, Osterhase, Christkind oder einfach Eltern ins Kinderzimmer stellten. Zum Beispiel einen Kassettenrekorder.

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Für den Mini-Mess war die Welt noch eine Scheibe. Oder mehrere Kilometer Band aus Ferrit…

Dieses heute oft als antik angesehenes Stück Technik war für mich als Steppke das Tor zu einer anderen Welt. Nämlich zu der des Hörspiels. So wie viele andere auch bin ich mit dem Hörspiellabel Europa und deren Helden groß geworden. Habe mit den drei ??? gebibbert, Hans Clarin in der Rolle des Hui Buh gelauscht und mich in der Grusel-Serie aufgrund von Mörder-Mumien, Horror-Ameisen und Dracula vs. Frankenstein-Spin-Offs zu Tode erschreckt. Diese Faszination des Akustischen wollte ich schon lange mal in den Unterricht tragen.  Hätte ich gewusst, wie einfach das technisch umsetzbar ist, hätte ich es schon bedeutend früher getan.
Wenn es um Apps zum Abspielen von Sounds geht, wird der Suchende sowohl in iOS-Welten als auch der Android-Galaxie sofort fündig. In den entsprechenden Stores tummeln sich Tausende von Apps, die auf das Abspielen von Geräuschen programmiert sind – nur leider sind diese Geräusche statisch vorprogrammiert. Apps, die man selber mit Geräuschen füttern kann, sind schon etwas schwieriger zu finden – vor allem, wenn man mehrere Sounds gleichzeitig abspielen möchte, wozu es ja recht schnell kommen kann. Und so stieß ich auf eine schlichte App namens ¨ Unlimited Soundboards¨, die alles beinhaltet, was ich brauche. Klar, dass Design ist spröde und uninspiriert, aber wozu Wert auf Optik legen, wenn die Schüler das gute Stück lediglich in Aktion hören sollen. Die Handhabung der App ist supersimpel: Über eine schlichte Pfad-Navigation importiert man seine Sounds als MP3 oder WAV auf sein Tablet, versieht sie mit einem Namen… und das war’s auch schon.

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Ich sagte es ja: Handhabung supersimpel

Sobald nun der Name des entsprechenden Sounds angetippt wird, geht das Klassenhörspiel los – und bewirkt wahre Wunder. Ein paar Aktivitäten klappten bislang besonders gut:
Rollenspiele: In modernen Fremdsprachen der Klassiker, wenn es um Schulung von kommunikativen Fähigkeiten geht. Wer aber mal in einer mündlichen Schulaufgabe saß und stundenlang denselben drögen, uninspirierten Dialogen gelauscht hat, ist froh, wenn diese Arbeitsform etwas aufgefrischt wird. Mit einer entsprechenden Soundkulisse waren die Kinder sofort viel eifriger bei der Sache. Allein schon ein bisschen Vogelgezwitscher und Schrittgeräusche reichen aus, um ein Rollenspiel, das in den Wäldern vor Seattle spielt, zu beleben. Ein weiterer Vorteil: Während in traditionellen Rollenspielen der Ablauf ja durch Rollenspielkärtchen vorgegeben ist, kann man mithilfe von Unlimited Soundboards jederzeit einen unerwarteten Soundeffekt einspielen und die Schüler spontan darauf reagieren lassen. So kann man mit einem einzigen Touch im besagten Waldspaziergang einen Bär, einen Polizeiwagen mit Sirene oder ein Raumschiff auftauchen lassen – das ist nicht nur für die spielenden Schüler eine prima Abwechslung, sondern auch für das Publikum, das gespannt auf den Storytwist wartet.

Whodunnit: Ein kleines Spiel, mit dem ich in den unteren Klassen Fragen üben und die Kinder an einer Kriminalstory teilhaben lasse. Die Kleinen müssen mit geschlossenen Augen in der Klasse sitzen, während ich in der Zwischenzeit einen Schüler ans Pult bitte, der mithilfe der Klassenliste einen “Mörder” auswählen wird. Um den “Mord” zu vertonen, darf er nun Soundeffekte in Unlimited Soundboards anwählen, z.B. Schritte, gefolgt von knarrenden Türen, auf die dann ein Revolverschuss, ein Schwerthieb oder – für die Hartgesottenen – eine Kettensäge folgt. Die Schüler hören dieses ¨Mordhörspiel¨ über die Beamerlautsprecher, und müssen nach dem Öffnen der Augen nun durch Fragen an den Schüler am Tablet herausfinden, wer für den Mord verantwortlich ist. ¨Has he got brown hair?¨, ¨Has he got glasses?¨ ¨Has he got a white shirt?¨ ¨ Is he twelve years old?¨ – Auf diese Weise engt sich von Frage zu Frage der Täterkreis ein, bis am Ende klar ist, wer’s war. Diese Aktivität lässt sich über mehrere Runden beliebig fortsetzen – und die Kleinen lieben es! Die letzte Doppelstunde ging fast komplett für die virtuelle Hasch-Mich-Jagd drauf. Damit hätte ich nie gerechnet.

Soundteppiche: Letztendlich nichts anderes als eine akustische Variante eines Einstiegsbildes – nur mit einem entscheidenden Vorteil: Ohne visuelle Reize sind die Schüler angehalten, genau zuzuhören. Perfekt, um wuslige Klassen zu Beginn einer Stunde ruhig werden zu lassen. An die gehörten Geräusche lassen sich dann oft neue Arbeitsaufträge knüpfen: Was war das für ein Geräusch? Wo kennt man es her?  Wann hört man es? Erfinde eine Geschichte, in der die gehörten Klänge vorkommen… Da lässt sich einiges machen. Und für viele Kinder ist es eine wirklich neue Erfahrung, einfach mal nur mit geschlossenen Augen dazusitzen und zu lauschen. Entspannung pur 🙂
Ich werde mit Unlimited Soundboards bestimmt noch etwas weiterarbeiten. Sollten mir noch ein paar Audio-Aktivitäten einfallen, werde ich’s hier auf die Menschheit loslassen. Also aufgemerkt und… was sonst: Ohren spitzen!

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5 Comments

  • KC

    Da ich mich ebenfalls zu den Hörspieljunkies, wenn auch bummelig 10 Jahre später, zählen darf, finde ich deine Idee einfach nur GENIAL!
    Probier doch mal bitte aus, ob sich das auch irgendwie in den Lateinunterricht einbauen lässt, das würde mich wirklich interessieren!
    Denn ich hatte schon mal in eine ähnliche Richtung überlegt, weil Hörspiele vom optischen Setting weitaus weniger aufwändig sind als Filme, die ja gern mal in Projekteinheiten gedreht werden, aber ein weitaus höheres Maß an stimmlichem Ausdruck erfordern, dessen Variabilität ich meinen Schülern gerne vermitteln würde (auch so vor dem Hintergrund sich selbst präsentieren können und auch in einem Referat/Vortrag nicht einfach vor sich hin zu leiern).
    Denkbar wäre ja auch zB. eine (Cicero-)Rede mit akustischem Setting zu versehen, damit die Schüler selbst einen Eindruck gewinnen können (bzw. auch mit fiktiven Reaktionen aus dem Publikum experimentieren können), dass natürlich nicht alles andächtig schweigt, wenn Cicero redet (vll nicht unbedingt die Kettensäge :D).

  • Melanie B. Weber

    Das sind ganz geniale Ideen! In der Erwachsenenbildung habe ich bislang schon vereinzelt mit Geräuschgeschichten gearbeitet, aber da musste immer das Laptop herhalten, ohne irgendeine spezielle Software oder App. Mühsam, wenn man daheim alles über Mikro erst aufnehmen will und dann da verbastelt – aber es hat funktioniert.
    Immer wieder gut: Geschichten in der Fremdsprache ein Stück weit erzählen, mit Geräuschen untermalt, und dann in der Lerngruppe beenden lassen. Es gibt als Anhaltspunkt, wie die Geschichte sich entwickelt, immer wieder ein paar Geräusche, und erzählt wird im Plenum. Das machen die irgendwie lieber als Rollenspiele, weil dann einfach zusammen gerätselt wird, niemand vor der Gruppe steht und “kaspern muss” und es einfach zusammen spannender ist. Klappt übrigens auch mit den sogenannten black stories (Moses Verlag) – übersetzt sind die schnell, Geräusche und Stimmen dazu beleben die Sache, und dann darf geraten werden.
    Ich freu mich immer wieder über Anregungen aus diesem Blog – Herr Mess, Sie sind ein cooler Lateinlehrer. Wenn die mal alle so wären …

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