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    Der Apfel der Versuchung

    Ich will nicht von mir behaupten, dass ich ein Fanboy bin, wenn es um Technik geht. Auch wenn es ab und an tatsächlich so aussieht. Fakt ist: in den zehn Jahren an meiner Schule habe ich IT-technisch einiges an Fabrikaten ausprobiert: HTC, Lenovo, LG, HP und immer wieder Geräte von Samsung. Mit letzteren bin ich eigentlich immer ganz zufrieden gewesen. Bislang. Denn die Halbwertszeit der aktuelleren Geräte überrascht mich schon ein wenig. Eben wie Jan-Martin Klinge vor geraumer Zeit bemerkt hat, ist die Performance des Samsung Tab S3 nach etwas mehr als drei Jahren Dienstzeit gut nach unten gegangen. Und auch mein aktuelles Samsung Smartphone ist gerne etwas behäbiger und funktioniert mit ein paar essentiellen Apps wie Evernote im Moment etwas… nun ja… gechillt. Ob das an der von Grund auf überholten Evernote-App liegt oder am Smartphone selbst, bleibt abzuwarten. Aber vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit einem neuen Hersteller eine Chance zu geben.

    Obstphobie

    Um eine Firma habe ich in all diesen Jahren immer einen Bogen gemacht: Um Apple. Das iPhone 4 hätte vor knapp 10 Jahren meine Einstiegsdroge als erstes Smartphone werden können, aber das Galaxy S1 hatte mich damals mehr überzeugt, und so war es nie zu einer Liaison gekommen.
    Über all die Jahre hat mich der Nimbus dieser Firma immer etwas abgeschreckt: Die götzenartige Verehrung, mit der die neuen Modelle abgefeiert wurden, die Art, mit der längst etablierte Features der Konkurrenz als Apple-Erfindungen in das iOS-Universum integriert und als bahnbrechend angepriesen werden, dieser Hang zum Elitären, mit dem die early adopters ihr neuestes Modell nonchalant auf den Tisch legen, um ein bisschen anzugeben – not my cup of tea. Da waren mir Samsung oder LG als beständige Underdogs irgendwie sympathischer. Daher sah ich als Systembetreuer unserer Schule der Ankunft unseres ersten iPad-Koffers mit etwas gemischten Gefühlen entgegen. Klar, das System ist etabliert. Klar, es ist stabil. Aber als Neuling im Apple-Administrationsuniversum bedeutete der Koffer vorrangig erst einmal (Ein-)Arbeit. Die Welt in einem iOS ist nun mal eine andere. Grundlegende Handgriffe müssen erstmal erlernt werden. Das merkte ich besonders im Umgang mit dem Apple Pencil.

    Odi et Amo: Der Apple Pencil

    Unruhestift(er)

    Als langjähriger Nutzer eines Samsung sPen ist man zunächst etwas irritiert. Einen Stift vor dem Erstgebrauch aufladen? Das gibt es bei der koreanischen Konkurrenz einfach nicht. Kein Aufladen, kein Koppeln per Bluetooth. Nichts. Das Ding geht einfach. Der Apple Pencil hingegen muss erstmal an den Strom. Und da geht das Umstandskramen los. Will man das Laden über das Stromnetz erledigen, muss zwischen Lightning Stecker und Stift erstmal ein knapp 2 cm großer Adapter, der in Windeseile in einem Klassenzimmer verschwinden wird. Zum Koppeln wird der Stift mit entblößtem Lightning-Hinterteil einfach in die entsprechende Buchse am Tablet gesteckt, wo er dann ungeschickt als Wurmfortsatz hervorragt – wenn so ein Konstrukt im Eifer des Unterrichtsgefechtes zu Boden fällt und schlimmstenfalls abbricht – ich will gar nicht wissen, was das kostet, den abgebrochenen Stecker aus der Buchse fischen zu lassen.
    Ich will jetzt nicht wie der ultimative Apple-Grinch klingen, aber wer mir erklären will, dass diese Art des Handlings mit Peripheriegeräten der geile, hippe Scheiß sind, beißt da bei mir auf Granit. Das ist einfach nicht gut gelöst. Dasselbe Gefühl habe ich auch beim Handling des Stiftes selbst. Die Haptik an sich ist ja eigentlich ganz schön. Das Ding liegt wertig in der Hand und fühlt sich so ein bisschen an wie die dicken Filzstifte in der Grundschule, mit denen man seine ersten Schwingbögen fabriziert hat. Was mich aber von Beginn an etwas irritiert hat, ist die Akustik. Mit dieser Hartplastikspitze des Apple Pencil klinge ich beim Schreiben wie ein Specht, der an einem Astloch herumpickt. Ich gehe davon aus, dass man sich an dieses Geräusch gewöhnt. Aber in den ersten Minuten hat es mich wahnsinnig gemacht.

    Friedensstift(er)

    Goodnotes 5 hat es echt drauf…

    Letztlich ist Hardware aber nur so gut wie die dafür zur Verfügung gestellte Software. Und hier spielt die Apple-Welt voll ihre Stärken aus. Anders als bei Android, wo sich aufgrund von Softwarepiraterie kaum Geld machen lässt, können Hersteller dank des geschlossenen iOS-Systems an ihren Apps gut Geld verdienen und wieder in ihre Programme investieren. Das fiel mir erst vor ein paar Wochen wie Schuppen von den Augen, als ich im Zusammenhang mit der Mololdigital einen Workshop von Johanna Uhl-Martin besucht habe, die bekennender Apple-Fan ist, aber immer brab darauf achtet, dass auch Abtrünnige mit alternativen Betriebssystemen in ihren Workshops eine Möglichkeit zum Mitspielen haben. Für Notizen während der Veranstaltung verzichtete ich zum ersten Mal willentlich auf mein Samsung Tablet und die bekannten Notiz-Apps. Stattdessen durfte das iPad mit Pencil Premiere feiern. Und mit ihm das hoch gelobte Goodnotes, von dem ich schon seit Jahren nur Positives höre. Zu Recht. Ich weiß nicht, was da im Hintergrund für eine Technologie arbeitet. Aber im Verbund mit dem Apple Pencil macht Notizen schreiben mit Goodnotes etwas anders. Nämlich Spaß. Das Schreibgefühl in der App ist der Wahnsinn, die Handschrift wirkt deutlich ruhiger und geradliniger als es je bei Lecture Notes, Squid, oder Nebo jemals der Fall war. Dazu noch ein aufgeräumtes Layout, das genau die richtige Mischung an Möglichkeiten bietet: Nicht zu spartanisch, nicht zu überbordend. Man vermisst überhaupt nichts. Selbst das Sketching in Goodnotes funktionierte richtig gut. Auf Android hätte ich dazu sofort wieder zu einem anderen Programm gegriffen. Und so hat mir Goodnotes und der Apple Pencil wieder den Spaß am Sketchnoting zurückgebracht, mit dem ich schon vor ein paar Jahren begonnen hatte. Allein die Möglichkeit, eigene Stempel und Sticker zu erstellen und unbegrenzt auszutauschen und zu nutzen, ist eine dieser Funktionen, die ich nie vermisst habe, aber jetzt nie wieder missen will. Daniel Steh hat zu diesem Zweck sogar schon ein Board bei Taskcards eröffnet, auf dem man seine künstlerischen Erzeugnisse zur Verfügung stellen kann. Vielleicht sieht man sich ja dort!

    Es geht wieder los… Sketchnotes 🙂
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  • Technik,  Unterricht

    Apps im Unterricht – Folge 9: Squid

    Wenn es um Apps zum Erstellen von Notizen auf Android geht, führt irgendwann kein Weg an Lecture Notes vorbei. Seit meinem ersten Tablet ist das Programm von Acadoid Developer fester Bestandteil meines App-Fundus. In mehreren Beiträgen (hier, hier, hier und hier) habe ich mir das Programm mit seinen schier endlosen Einstellungen zur Individualisierung erschlossen und war sehr zufrieden damit. Dabei habe ich gar nicht gemerkt, dass über die Zeit ein paar echt nennenswerte Alternativen auf dem Markt erschienen. Squid ist eine davon. Die App ist insgesamt deutlich abgespeckter als Lecture Notes. Aber das muss nicht notwendigerweise ein Nachteil sein, wenn man einfach eine App sucht, um Notizen zu erstellen.

    Grundausstattung

    Optisch kommt Squid schlicht, aber eigentlich ganz schick daher. Die Notizen sind ähnlich wie in Lecture Notes in einer digitalen Bibliothek als Bücher arrangiert, die als Cover jeweils die erste Seite des Dokuments zeigen. Damit hat man auf einen Blick vor Augen, was den vergesslichen Schreiberling im jeweiligen Dokument erwartet. Mit einem Klick darauf öffnet sich dann der digitale Notizblock. Der kommt in der Grundausstattung sehr aufgeräumt und funktional daher: Auf einem vorgegebenen Hintergrund, der wahlweise im Linien- oder Karomuster daherkommt, lassen sich in allen möglichen Farben Notizen machen oder selbige bei Bedarf mit einem virtuellen Radiergummi löschen. Ich weiß, absolute Grundausstattung und für eine kostenlose App geht das auch vollig in Ordnung. Mehr ist aber in der Hinsicht aber auch nicht drin.

    Gehobene Ausstattung

    Bei einer Zahlung von einmalig 3,29€ lässt sich das so genannte Toolpack freischalten. Damit wird die App um ein Auswahltool, sowie ein Textmarker-Werkzeug erweitert, mit dem sich wichtige Aspekte in den Notizen in Highlighter-Manier in sämtlichen Farben markieren lassen.
    Noch umfangreicher ist in dieser Hinsicht die Premium-Version, für die man monatlich mit 1€ oder jährlich in einem Abo für 10€ zur Kasse geboten wird. Dafür bekommt man Zugang zu Linienpapier unterschiedlichster Couleur: Neben dem üblichen Karo- und Linienmustern gibt es selbige Versionen auch mit Rand, sowie Linienpapier für Musik, Templates für taktische Teamaufstellungen unterschiedlichster Sportarten, Baseball-Tabellen und Fußballfelder. Ganz besonders cool finde ich persönlich die üppige Auswahl an Vorlagen für Tagesplaner. Damit hat man permanent ein voll funktionsfähiges, gut aussehendes Filofax in der Tasche.

    Die insgesamt 49 Vorlagen, die man für sein Geld erhält, sind schön gemacht. Für mich als Lehrer kommen allerdings nur eine Handvoll davon in Frage, und solange ich nicht vorhabe, ein Baseballteam an der Schule zu etablieren, sind die meisten Templates eher eine nette Dreingabe denn eine tatsächlich lohnende Investition. Ob das die Abo-Option rechtfertigt? Bei mir eher nicht. Vor allem, da auch die Standard-Templates ausschließlich angelsächsische Kundenwünsche bedienen. Das gute liniert-kariert mit Rand gibt es leider nicht.

    Ein Auszug aus den möglichen “Papieren” der Deluxe-Version

    Ebenso neu in der Premium-Version ist das Feature, ganze Notizbücher entweder auf Dropbox- oder Box-Konten zu sichern. Diese Funktion lässt sich aber auch für die einmalige Zahlung von 3,29€ freischalten und erscheint mir tatsächlich sinnvoller als eine Unzahl von Linienpapier-Templates, die ich nie benötige.

    Menü

    Wo Lecture Notes mit Menüs im Überfluss überrascht und auch gerne mal überfährt, kommt Squid angenehm aufgeräumt daher. In den Leisten gibt es lediglich eine Handvoll Icons zur Verfügung:

    Klein, aber fein: Die Menü-Leiste

    Ein Image-Tool, eine Menü zur Farbauswahl und dann das Schreibwerkzeug, in dem man Einstellungen für das Zeichnen von geometrische Formen sowie den Freihand-Modus findet, in dem sich das Stift- oder Textmarkerwerkzeug auswählen lassen. Ersteres lässt sich durch Klick auch auf Druck sensibilieren. Für Besitzer eines S-Pens sehr komfortabel, denn so sieht das Schriftbild angenehm organisch aus. Gelöscht wird übrigens einfach mit dem Finger, da die App zwischen Haut- und Stiftkontakt unterscheiden kann. Prima.

    Die verschiedenen Schreibmodi im Überblick

    Flow-Erlebnis

    Den größten Vorteil bei Squid sehe ich allerdings in der nahtlosen Integration aus Evernote heraus. Denn das Programm schließt eine Kluft, die sich vor knapp zwei Jahren aufgetan hatte: Damals war es noch problemlos möglich, Dokumente aus Evernote heraus mit einer beliebigen App zu öffnen, zu bearbeiten und die editierte Version automatisch wieder in Evernote zu speichern. Das war richtig komfortabel. Umso genervter war ich, als das auf einmal nicht mehr funktionierte. Nach Aussage des Supports hing das nicht mit Evernote direkt, sondern viel eher mit den Limitierungen der verwendeten Android-Version zusammen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert: Sobald ein Dokument in Evernote geöffnet wird (zum Beispiel ein PDF), wird es in die entsprechende App geladen, in der ich meine Änderungen vornehme. Diese muss ich innerhalb der App abspeichern, wo dann eine neue Version auf dem Tablet gesichert wird. Möchte ich diese wieder in Evernote haben, muss ich das gute Ding erstmal auf dem Tablet suchen und dann nach Evernote schieben. Man sieht, einfach ist anders. Zum Beispiel in Squid.

    Hier wird jedes PDF automatisch in der Bibliothek zwischengespeichert, sodass man problemlos seine Änderungen vornehmen kann, die das Programm automatisch übernimmt. Ist man mit den Notizen fertig, findet man das bearbeitete PDF in der Bibliothek und kann es über “Exportieren” das Dokument sofort wieder nach Evernote schicken. Nicht ganz so einfach wie früher, aber definitiv besser als das Gewurschtel von kurz zuvor.

    Damit ist Squid für mich im Moment wirklich das Tool, das beim Erstellen von Notizen und Bearbeiten von PDFs derzeit meine beiden laufenden Apps – Lecture Notes und EZPDF – ersetzt. Beide Apps können zusammen tausend Mal mehr als Squid. Aber für den Alltagsgebrauch ist mir dieses tausend Mal mehr auch mal schnell zuviel. Squid ist unaufgeregt, auf den Punkt gebracht und tut genau, was es soll. Klare Download- und Kaufempfehlung!

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