Ich bin gewiss nicht der “das Beste kommt zum Schluss” – Typ, deswegen verzeiht, wenn mein eigener Beitrag zur Blogparade etwas gedauert hat. Aber ich hab einfach ein bisschen gebraucht. Es ist sehr viel los gerade. Viel Unschönes. Galgen an Traktoren, geifernde Meuten vor Fähren, eine Geheimabsprache zur Deportation unliebsamer Personen. Es ist nicht auszuhalten. Noch schlimmer ist aber, wie sich die Reaktionen auf solche Entgleisungen medial gefühlt die Waage halten: Viele sind entsetzt, viele freuen sich, vielen ist es egal. Ein Konsens ist aktuell schwer zu finden. Alles zerfällt in Lager – unvereinbar. Jeder hat seine Meinung. Und seine Meinung allein. Jeder ist für sich. Jeder gegen den anderen. Getrennte Wege. Aber nicht nur dort, auch anderenorts.
Zu viel Ich
In unserem digitalen Lehrerzimmer zum Beispiel. Oder in unserer Arbeitswelt. Zumindest in meiner: So gerne ich mein Kollegium mag, sind wir auch im Jahre 2024 noch großenteils ambitionierte, oftmals verbissene Einzelkämpfer. Zusammenarbeit gibt es minimal. AKs sind bei uns zwar vorhanden, aber kaum mit Personal besetzt. Schulaufgabenteams existieren nicht. Jeder ist für sich. Und gelegentlich sogar gegeneinander. Beim Thema Digitalisierung klaffen zwei riesige konträre Lager. Ein Medienkonzept wird bestenfalls als Empfehlung gesehen. Wie eine Art pädagogischer Handlungsspielraum. Das ist auch bei der Schul- oder Hausordnung so: Wir machen uns das Leben unnötig schwer, da jeder bestehende Regeln für sich neu interpretiert. Manche nennen das pädagogische Freiheit. Ich nenne es Chaos: Mit Zu-Spät-Kommern geht bei uns jeder anders um. Absenzen in der Oberstufe? Der eine verzeichnet brav alles und stellt die Leute zur Rede, anderen ist es egal. Dieses Durcheinander kreiert automatisch Reibungsfläche. Natürlich stellen die Kurse ihre Lehrkörper irgendwann zur Rede. Diskussionen, die Zeit fressen. Die ermüden… und die eigentlich nicht sein müssten, wenn wir alle an einem Strang ziehen würden.
Es sind diese Situationen, die mich fertig machen. Wieviel Zeit und Energie verschwendet wird, weil wir es nicht anders kennen! Dabei gäbe es so viele Wege effektiver zu sein, gemeinsamer mehr zu erreichen. Und genau das möchte ich dieses Jahr zu meinem Motto machen:
Mein Motto
Mehr wir.
Wo auch immer es geht. Dieselbe Arbeit auf mehreren Schultern zu verteilen entlastet ungemein. Dazu müssen wir aber erst Wege finden. Und ich fang damit an. Ob das klappt, sehen wir am Ende des Jahres. Ich hab ein bisschen was vor…
13 Comments
Arne
Das klingt nach einem guten Motto mit Zukunftsperspektive!
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Lars Fengler
Es interessant, dass du Ähnliches beobachtest wie ich. Auch bei mir nehme ich diese sehr unterschiedlichen Umgangsweisen mit Alltäglichem wahr. Ich nehme mir immer wieder vor, mich weniger daran zu reiben. Manchmal gelingt es schon besser. Es wäre aber sicher leichter, wenn wir am selben Ende des Strangs zögen…
herrmess
Ich merke immer erst, in was für einer Suppe ich schwimme, wenn ich mich mit Kollegen von anderen Schulen austausche (oder aber auch online wie hier – was ja die wenigsten tun). Da merkt man nämlich schon, dass man selbst für manche neuen Wege auch einfach zu blind ist/war. Irgendwann hat man halt auch keine Lust mehr die Defizite als solche nicht nur wahrzunehmen und still zu ertragen, sondern wirklich auch was voranzubringen.
RL
Salve college,
dein Beitrag spricht mir aus dem Herzen. Ich mache den Job seit 25 Jahren und versuche Zusammenarbeit in meinen Fachschaften anzustoßen. Es ist Neid und Misstrauen gg den KuK. Der ein könnte ja mehr profitieren als beitragen. Oder schlimmer: mehr profitieren als ICH.
Mehr wir ist ein tolles Motto, aber die bloße Notwendigkeit frustrierend. Ich habe an Tag 1 unserer Cloud für meine Fachschaft alle Materialien hochgeladen und aktualisiere regelmäßig. Dabei blieb es bisher. Der Fachleiter geht als Vorbild voran … und verhungert am langen Arm. Dabei stehlen wir uns wertvolle Lebenszeit und Kraft für Innovationen.
Mein Motto: dum spiro, spero.
herrmess
Das ist schon sehr bitter. War das schon immer so? Oder hat sich das über die Jahre bei euch im Kollegium eingeschlichen? Früher hätte ich ja gesagt, dieses Thema Digitalisierung ist auch so eine Generationen-Sache. Aber dem ist definitiv nicht so. Wir haben auch höhere Semester, die wirklich fit sind.
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Erik Grundmann
Ich glaube, das war schon immer so, v.a. im gymnasialen Bereich.
Ich hatte dazu neulich ein erhellendes Gespräch mit einer Kollegin der Förderschule, die mir berichtet hat, dass sie eine ganze Weile gebraucht hat, um zu verstehen, warum Kolleginnen und Kollegen nicht in Teams arbeiteten. Sie erklärt es sich mit dem Studium und der Sozialisation als Lehrkraft im „Einzelkämpfertum“. Förderlehrkräfte würden von Beginn an zur Teamarbeit ausgebildet.
Da ist, glaube ich, auf jeden Fall etwas dran. Ich suche auch oft noch den Strang, an dem alle gemeinsam ziehen können, müssen und wollen. Den finde ich aber, fürchte ich, im bestehenden System nicht, weil es nicht die nötigen Rahmenbedingungen schafft. Vermutlich müssen wir da ansetzen, am System.
Lærari
Ein schönes Motto, wie ich finde. Ich wünsche dir viel Erfolg bei der Umsetzung.
Was du da beschreibst, kenne ich viel zu gut. Einige ziehen die Regeln streng durch und andere kümmern sich nicht drum. Und ja, auch bei uns diskutieren die Schüler*innen dann gerne mit den Lehrkräften, die zur ersten Gruppe gehören. Nur allzu oft nutzen die SuS diese Uneinigkeit zwischen der Lehrerschaft sogar für sich aus. Wenn diese viel mehr an einem Strang ziehen würde, dann gäbe es, da teile ich deine Meinung, garantiert etwas weniger unnötige Probleme. Das bestätigt die Wichtigkeit deines Mottos.
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Jörg
Ich schätze an dir, dass du kein “Das-Beste-kommt-zum-Schluss-Typ” bist.
Die bisherigen Kommentare deuten bereits an, dass du mit deinen Beobachtungen und Empfindungen nicht allein bist. Ich kann mich dem nur anschließen.
Immerhin ist das schon mehr wir als zu Beginn des Beitrags.
Ein schöner und Mut machender Anfang, wie ich finde.
Alles Gute!
Herr Rau
“Ich glaube, das war schon immer so, v.a. im gymnasialen Bereich.” Gemeint war: Teamarbeit an der Schule, und warum das am Gymnasium so wenig stattfindet.
Ich habe lange gezögert,, ob ich etwas dazu schreiben soll. Von Förderschulen weiß ich sehr wenig. Über die Verwandtschaft weiß ich etwas mehr aus Mittelschulen. Und ein Kollege war die letzten zwei Jahre an der Mittelschule und ist jetzt am Gymnasium. Der… stellt auch Unterschiede fest zwischen den Schularten. An seiner alten Schule war Teamwork vor allem das Tauschen von Material. Das war wichtig und häufig, schon mal, weil man alle möglichen Fächer unterrichtet, fachfremd oder nicht. Am Gymnasium ist die so begründete Art Teamwork deshalb nicht so wichtig. (Dass er, nebenbei, die reine Arbeitszeit an den Schularten als unterschiedlich empfunden hat: auch sehr interessant.) Oben ist von Schulaufgabenteams die Rede, gemeint wohl: das gemeinsame Erstellen von Prüfungen. Das gibt es bei uns auch, aber eher so, dass zwei oder drei sich zusammentun und nicht alle. Alle, das macht mehr Mühe, als die Prüfung dann doch alleine zu entwerfen.
Aber ich bin ja selber auch mäßig teamfähig. Pünktlich anfangen und aufhören, Termine einhalten, Klassen und Klassenzimmer ordentlich hinterlassen, rechtzeitig über Änderungen informieren, das reicht mir schon. Irgendwann hätte ich gerne einen ausführlichen Blogeintrag, dazu, nicht notwenidgerweise meinen eigenen.