

Ich bin weit davon entfernt ein alternder Professor zu sein. Aber das Thema Endlichkeit hat sich in den letzten Jahren tatsächlich so ein bisschen in mein Leben geschlichen. Ich überrasche mich auf einmal bei abstrusen Rechenaufgaben: Mein Abitur ist jetzt 26 Jahre her. Wenn ich diese Anzahl an Jahren auf mein jetziges Alter rechne, bin ich in meinen Siebzigern. Wenn ich mein jetziges Lebensalter verdopple, lande ich bei den 90. Dass ich tatsächlich dieses Alter erreiche, ist mehr als unwahrscheinlich. Bin ich zufrieden mit dem, was ich bislang erreicht habe? Was hatten meine Eltern, als sie mein Alter hatten? Passt das? Geht noch irgendwo mehr? Ist das die berühmte Midlife-Crisis, von der bekanntlich vor allem Männer betroffen sind?
Fakt ist, derartige Gedankenspielchen gab es vor zehn Jahren nicht bei mir. Das merkt man auch an meinen Blogartikeln aus dieser Zeit.
Da ist alles ein Abenteuer. Die Anekdoten aus dem Unterricht stehen im Zentrum der Beiträge. Auch die Gespräche mit meinen gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich an der Schule geblieben bin, waren andere. Damals sprachen wir noch über Anfangsschwierigkeiten im Beruf: Laute Klassen, unangenehme Eltern, die einen Junglehrer nicht für voll nahmen. Wir gingen regelmäßig abends zusammen weg, ein Bierchen trinken, mal in Clubs. Und heute? Es geht um Kinder, allerdings um die eigenen. Vater- und Mutterfreuden. Um Eigenheim (oder auch nicht, München sei Dank). Altersvorsorge. Arbeitsbelastung. Überbelastung. Beförderungen. Unsere eigenen Eltern. Ein wichtiges Thema: Manche von ihnen sind noch topfit. Andere sind es leider nicht. Gebrechlich, dement, manche sogar schon verstorben. Und das setzt uns unter Strom. Die Endlichkeit unserer Eltern tritt in unseren Vierzigern mit schonungsloser Offenheit in den Vordergrund und demonstriert uns auch die eigene. Das merken wir alle. Die körperlichen Leiden beginnen irgendwann Ende 30. Mal reißt irgendwo ein Miniskus, mal grüßt eine Zerrung, ein Hexenschuss, ein Leistenbruch. Es ziept hier, es ziept da. Nichts Schlimmes. Aber wenn doch? Seit vor zwei Jahren ein Freund von mir mit nicht mal 38 Jahren an Krebs verstorben ist, höre ich anders in meinen Körper hinein als vorher. Ich bin weit entfernt davon, ein Hypochonder zu werden, aber man wird wachsamer. Nachdenklicher. Diese Unbeschwertheit von vor zehn Jahren schwindet.
Das ist nicht schlimm.
Es ist nur anders.
Übrigens hat Armin hier einen ganz tollen Artikel als Antwort verfasst. ❤️
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4.8
7 Comments
Felix
Nur kurz: You are not alone. 😌
cp
Ein aufbauendes “ja mei” zu deiner Situation. Im Mathematik-Unterricht ließe sich aus deinem Text – ganz kompetenzorientiert – das Alter berechnen 🙂
vg
herrmess
Na dann leg mal los 🙂
Hauptschulblues
Bezüglich Alter: Oh Gott, Matthias, was soll ich sagen …
herrmess
Sprich 🙂
Hauptschulblues
Wenn wir uns sehen; nicht so öffentlich.
Lærari
Ein tiefgründiger Artikel. Ich bin zwar noch ein wenig jünger, merke aber auch, dass ich mehr in mich hineinhorche und nachdenklicher geworden bist.
Ich fand deine letzten Worte sehr wichtig: “Diese Unbeschwertheit von vor zehn Jahren schwindet. Das ist nicht schlimm. Es ist nur anders.” Dass sich die Dinge verändern muss nämlich wirklich nicht heißen, dass es schlecht ist.