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Aus aktuellem Anlass: Geschichtsunterricht in den 90ern in Bayern

Aus aktuellen Gründen, die mich umtreiben, da sie medial den Eindruck vermitteln, Bayern sei wieder mal der hinterwäldlerischste Fleck Erde in deutschen Landen: Ich bin in den 90er Jahren in einer bayerischen Kleinstadt nahe der Grenze zu Österreich groß geworden und aufs Gymnasium gegangen. Das Thema der Flüchtlingsströme war während des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien alleine aufgrund der geographischen Nähe zu unseren österreichischen Nachbarn ein ständiger Begleiter in den Medien sowie auch im Unterricht – ebenso wie die hohlen Wahllosungen der Republikaner, die mit kruden Plakaten in dieser Krisenzeit Stimmung machten. Nichtsdestotrotz war für uns als Teenager durch die Geisteshaltung klar, die es zu behalten galt. Und der Unterricht in der Mittelstufe hatte daran großen Anteil: Geschichte in der Mittelstufe war bei uns in den 80ern und 90ern voll und ganz fokussiert auf die NS-Zeit und die Verbrechen der Nazi-Zeit. In der neunten Klasse lud die Schule regelmäßig zwei KZ-Überlebende ein, die uns die Grauen aus den Geschichtsbüchern mit ihren persönlichen Schicksalen bestätigten. Ein Besuch im KZ Dachau war für uns verpflichtend – und für jeden von uns ein bewegendes und zugleich erschütterndes Ereignis. Hitler- oder Judenwitze waren bei uns in der Schule tabu. Auch untereinander. Hitlergrüße zum Spaß oder Imitationen brauner Persönlichkeiten gab es nicht. Das gehörte sich einfach nicht. Mitten in Zeiten des Genozids in Srebrenica, in Zeiten von brennenden Asylantenheimen in Solingen und Rostock fand man auch im tiefsten Oberbayern Rassismus und Antisemitismus scheiße. Der “Schrei nach Liebe” war für viele von uns nicht einfach nur ein kleines, nettes Partylied für Scheunen- oder Stadlparties, das man auch nach ein paar Bieren gebührend mitgrölen konnte. Es war ernst gemeinter Protest.

Warum schreib ich das?

Aus aktuellen Gründen, die mich umtreiben, da sie medial den Eindruck vermitteln, Bayern sei wieder mal der hinterwäldlerischste Fleck Erde in deutschen Landen.

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2 Comments

  • N. Aunyn

    Zweite Hälfte der 1970iger Jahre: Geschichtsunterricht (Grundkurs) in der Oberstufe eines bayrischen Gymnasiums: Wie bereits in der Mittelstufe kamen wir bis zu dem Ereignis, das damals noch als “Machtergreifung” bezeichnet wurde, aber eine Machtübergabe war. – Ich weiß von Menschen, die schon zehn Jahre früher in nördlichen Bundesländern zeitlich wesentlich weiter gekommen sind. Das ist nicht verwunderlich in einem Bundesland, das dafür sorgte, daß der Mehrteiler “Holocaust” nur in den dritten Programmen gezeigt wurde.

  • Herr Rau

    Das kenne ich auch aus Mitte der 1980er Jahre, dass man im Geschichtsunterricht nie weiter gekommen war als – war es die Matchergreifung, der zweite Weltkrieg an sich? Ich weiß es nicht mehr, wir dachten jedenfalls alle, es läge an den trägen Geschichtslehrkräften und ich frage mich zum ersten Mal, ob das nicht der Lehrplan war und die Geschichte einfach nicht so weit ging. Allerdings kann ich mich dunkel an das Saarland erinnern, vielleicht war das in Sozialkunde, das ich auch als Grundkurs hatte? – Aber ja, in Dachau waren wir auch, von Augsburg aus, wie auch heute vom näheren Fürstenfeldbruck aus. Der Nationalsizialismus war als Thema in der Mittelstufe im Unterricht ständig präsent, wie heute auch noch.

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